Zweiwochenschrift
10/2017 9/2017 8/2017 7/2017 6/2017 5/2017
Archiv
Abonnement
Impressum
Plattform SoPos
|
|
|
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können.
Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror.
Den Aufsatz kommentieren
Dealer und Landser
Jürgen Elsässer
Erinnert sich noch jemand an die frühen siebziger Jahre, als man bei der
Bundeswehr mit langer Mähne und Haarnetz toleriert wurde? Der sogenannte
Haarerlaß der neu ins Amt gekommenen sozialliberalen Koalition hatte es
möglich gemacht. Die rosarote Subkultur schwappte in die Kasernen, Bundis
in the Sky with Diamonds. »Auf deutschem Boden darf nie wieder ein Joint
ausgehen«, lautete der Neuss-sche Marschbefehl.
Doch die Zeiten sind härter geworden und damit auch die deutschen Landser
und die Drogen. Seit kurzem sind die ersten Soldaten mit akkurat ausrasiertem
Nacken in Nordafghanistan eingetroffen. In ihrer Kaserne wird garantiert niemals
eine Tüte kreisen. Statt dessen zirkulieren harte Drogen in der deutschen
Zone. »Aus Afghanistan kommen drei Viertel des weltweit vertriebenen Heroins.
In der Region Kunduz liegen die wichtigsten Anbaugebiete«, gab der FDP-Bundestagsabgeordnete
Hoyer zu bedenken. Die UNO machte ähnliche Angaben. Nach ihren Erhebungen
werden 70 Prozent der weltweit konsumierten illegalen Rauschmittel in dem Land
am Hindukusch angebaut.
Trotz aller Warnungen hat der Bundestag am 24. Oktober grünes Licht für
den Bundeswehreinsatz in dieser Region gegeben. Die ersten Soldaten sind noch
am selben Tag abgeflogen, 230 sollen bis zum Frühjahr folgen, die Obergrenze
soll bei 450 liegen. Damit wären insgesamt 2250 deutsche Friedensstifter
im Rahmen der sogenannten Afghanistan-Schutztruppe ISAF im Einsatz. Das ganze
kostet den Steuerzahler schlappe 233,6 Millionen Euro, 77 Millionen Euro allein
für die Mission in und um Kunduz.
Nachdem die UNO das Mandat der ISAF über die Hauptstadt Kabul hinaus ausgeweitet
hat, ist im Bundestag der Widerstand gegen dieses Vorhaben zusammengebrochen.
Niemand scheint so recht aufgefallen zu sein, daß kein Staat sonst bisher
Truppen für die ISAF-Ausweitung angeboten und Frankreich sogar explizit
abgewunken hat. Auch die im Raum Kunduz arbeitenden Nichtregierungsorganisationen
lehnen zumindest teilweise den militärischen Beistand der Bundeswehr ab.
Bemerkenswert ist, daß Rot-Grün mittlerweile skrupelloser zum Militäreinsatz
bereit ist als die Opposition: Die SPD-Fraktion stimmte geschlossen mit Ja (drei
Abgeordnete nahmen nicht an der Abstimmung teil), bei den Bündnisgrünen
waren Hans-Christian Ströbele und Winfried Hermann die einzigen, die sich
zu einer Enthaltung durchrangen. Ein klares Nein kam hingegen nicht nur von
den zwei PDS-Abgeordneten, sondern auch von zehn Unionsparlamentariern und der
gesamten FDP-Fraktion.
Wortführer der CDU-Dissidenten ist der Abgeordnete Willy Wimmer. »Werden
Bundeswehreinheiten in Nordafghanistan stationiert, heißt das nicht zuletzt,
das internationale Protektorat für die Drogenversorgung Westeuropas, das
demnächst die Rolle Hawaiis für die Drogenversorgung Nordamerikas
übernehmen wird, steht auch unter dem Schutz deutscher Soldaten,«
warnte Wimmer in einem Beitrag für die Wochenzeitung Freitag. Und: »Das
gilt besonders für die Region um Kundus, die von einer zentralen Figur
des Interimsregimes in Kabul, dem Verteidigungsminister Fahim und seinen Anhängern,
beherrscht wird. »
Fahim kontrolliert mit seiner Privatarmee den Schlafmohnanbau in der Provinz
Badakshan und hat von dort aus auch die Bauern in der künftigen deutschen
Zone in diese profitable Branche gezwungen. Dieser mächtigste Mann nach
Staatspräsident Karzai verweigert bisher den Einsatz der afghanischen Armee
in seinem Einflußbereich. Dort dürfen sich nur seine eigenen Söldner
aufhalten.
»Fahim Khan ist aber nur ein Risokofaktor. Weitere sind«, wie die
FAZ vom 30. 8. erläuterte, »der General Daud, der bislang als Gefolgsmann
von Fahim Khan galt, nun aber zunehmend eigne politische Ziele verfolgt. Weitere
Unwägbarkeiten verbinden sich mit dem Gouverneur der Provinz Kundus, Latif,
und dem usbekischen General Dostum. Schließlich ist in der Stadt ein weiterer
Kriegsherr, Hekmatyar, zu Hause; und nicht zuletzt sollen sich ehemalige Taliban-Kämpfer
in der Region versteckt haben.«
Die Bundesregierung entgegnete den Kritikern mit dem Hinweis, daß zu den
Aufgaben der deutschen Einheit in Kunduz – so Minister Struck im Bundestag
– »ausdrücklich nicht die Drogenbekämpfung« gehöre.
Warum der Minister und seine Generäle trotzdem ausgerechnet dorthin wollen,
erklärt sich vielleicht aus der pro-deutschen Neigung des allmächtigen
Fahim. Er war es, der im Dezember 2001 – noch vor der formellen Legitimierung
der internationalen Besatzungsstreitmacht durch die UNO – gefordert hatte,
was damals der FAZ (20.12.2001) einen Aufmacher wert war: »Die Deutschen
müssen die internationale Schutztruppe in Afghanistan führen. Auf
den Straßen Kabuls müssen deutsche Soldaten patrouillieren, keine
Briten.« Logisch, daß sich die Bundeswehr mit diesem Freund
der Deutschen nicht anlegen wird.
Von Jürgen Elsässer ist kürzlich bei Hugendubel/Diederichs das
Buch »Der deutsche Sonderweg. Historische Last und politische Herausforderung«
erschienen (264 Seiten, 19.95 €)
Kontext:
Erschienen in Ossietzky 22/2003
|