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Der Kaputtmacher
Eckart Spoo
»Arbeit, Arbeit, Arbeit« war einst Gerhard Schröders verheißungsvolle
Parole. Er ersetzte sie durch das verhängnisvolle Gegenteil: »Sparen,
sparen, sparen«. Erst einmal gelte es, die Staatsschulden zu verringern
sowie auch die Lohnkosten, dann werde das Wachstum sich einstellen, also auch
die Beschäftigung, war dann seine Lehre. Jetzt erreicht nicht nur die Arbeitslosigkeit
Rekordhöhen, sondern auch die Neuverschuldung. Und da die Kaufkraft der
Arbeitslosen, der Rentner und fast aller Beschäftigten sinkt, rückt
das Wachstum in weite Ferne. Aber Schröder stellt sich immer noch als Macher
dar, als unideologischer Problemlöser. Und keiner lacht ihn aus.
Mit dem Anspruch der Ideologiefreiheit setzt er auf private Initiative, private
Verantwortung, private Vorsorge, privates Unternehmertum und zerstört den
Sozialstaat. Die Privatisierung des Gemeinwesens wird so rapide vorangetrieben,
daß den Städte und Gemeinden, den Ländern und dem Bund immer
weniger bleibt, was sie noch verkaufen können, um den Haushalt auszugleichen
und die Schuldzinsen zu zahlen. Und die braven Bürger, die dem Ruf gefolgt
sind, privat vorzusorgen, mußten inzwischen den Zusammenbruch von Aktienfonds
und Versicherungserwartungen erleben. Denen, die langzeitarbeitslos werden,
enthält der Staat Unterstützung vor, solange sie nicht ihr fürs
Alter Erspartes einschließlich ihrer Versicherungsansprüche verkauft
und den Erlös aufgebraucht haben – Betrogene. Aber Schröder
stellt sich noch immer als Macher dar. Und keiner beschimpft ihn. Und keiner
lacht ihn ganz unideologisch aus.
Warum? Weil Millionen brave Deutsche glauben, was Rogowski, Merkel, Schröder,
Christiansen, Bild und FAZ behaupten: Es müsse »gespart« werden.
Weil sie nicht erkennen, daß dadurch der Wohlstand an seinen Wurzeln erdrosselt
wird. Weil sie darauf vertrauen, daß all dies »Sparen« und
Privatisieren und Enteignen des Volkes unideologisch und problemlösend
sei.
Gewiß, Schröder ist kein Einzeltäter. Auf seine Partei –
die freilich immer kleiner wird – kann er sich verlassen. Das Parlament
ist nahezu vollzählig seiner unideologischen Meinung. Die Medien (kleine
Ausnahmen bestätigen die Regel) verkünden dasselbe wie er, meistens
etwas früher. Bush, Blair, Berlusconi und Chirac denken im wesentlichen
auch nicht anders. Weltbank, Weltwährungsfonds und Welthandelsorganisation,
alle beteiligen sich. Und manche anderen Länder werden viel rabiater an
die großen Konzerne ausverkauft als die europäischen. Bolivien zum
Beispiel. Vor allem Irak – welcher Hohn, daß sich die neulich in
Madrid versammelten Geier als »Geber« ausgaben. Aber entschuldigt
ihn dieser Mainstream? Hat nicht auch er ein bißchen eigene Verantwortung?
Und sollte es uns nicht allmählich genügen, was er schon alles angerichtet
hat?
Schröder hat oft die Leistung Michail Gorbatschows als Generalsekretär
der KPdSU und Staatspräsident der UdSSR gewürdigt. KPdSU und UdSSR
haben die Führung durch Gorbatschow nicht überlebt. Die Bundesrepublik
Deutschland wird die Kanzlerschaft Schröders wahrscheinlich überleben;
aber die SPD könnte auf der Strecke bleiben. Später werden ihm einige
Konzerne vielleicht eine Schröder-Stiftung finanzieren, als deren Präsident
er herumreisen und schöne Vorträge halten darf wie der Präsident
der Gorbatschow-Stiftung – mit Spitzen gegen die Gewerkschaften, denen
er die Schuld geben wird, daß er abtreten mußte, weil die Konzerne
keinen Sozialdemokraten mehr als Kanzler brauchten, dem es nicht mehr gelang,
die Gewerkschaften still zu halten. (Das ist die günstige Variante. Die
ungünstige ist die, daß er, bevor er abtritt, auch die Gewerkschaften
niedergemacht haben wird.)
Kontext:
Erschienen in Ossietzky 22/2003
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