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Hartwig Hohnsbein
Im Ostpreußischen Landesmuseum
Lüneburg, eine alte Stadt, pflegt ihre Tradition. Zahlreiche Museen zeugen
von Bürgerfleiß, so das Salz- und das Brauereimuseum. Dann aber gibt
es noch ein Museum, das in die Tradition der Stadt nicht hineinpaßt. Es
ist in einem modernen Gebäude in der Altstadt untergebracht, die Ausstellungen
darin verteilen sich über fünf Etagen. Die reichhaltige Ausstattung
läßt darauf schließen, daß beim Aufbau dieses Museums
nicht gespart werden mußte. Seine Förderer, so vermeldet ein Faltblatt
stolz, sind die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen. Es ist
das Ostpreußische Landesmuseum.
Im Eingangsbereich fällt der erste Blick auf eine Tafel, wo der Besucher
einiges zur Geschichte des Museums erfährt und die Bilder derer sieht,
die sich darum verdient gemacht haben. Da wird zum Beispiel die Grundsteinlegung
1983 erwähnt und »die besondere Initiative des 1. Vorsitzenden des
Trägerkreises von Fircks« (1912-1989) gewürdigt. Der Geist oder
Ungeist dieses Initiators, des Freiherrn Otto von Fircks (über den man
Näheres in Ernst Klees »Personenlexikon zum Dritten Reich«
und in Heinrich Hannovers »Die Republik vor Gericht« lesen kann),
hat – wie könnte es anders sein? – Spuren in diesem Museum
hinterlassen. So wird nun »auf dem Weg zur Museumserweiterung, gemäß
der Bundes-Kulturkonzeption des Jahres 2000, zur Pflege der über 700 Jahre
währenden Geschichte und Kultur der Deutschen im Baltikum« (Faltblatt)
eine »Schatzkammer Baltikum« aufgebaut, ganz im Sinne des Herrn
von Fircks, der selbst aus dem Baltikum stammte und in den 60er/70er Jahren
für die CDU im niedersächsischen Landtag und dann im Bundestag saß.
In einem langwierigem Rechtsstreit (1970-77), der bis zum Bundesverfassungsgericht
ging, wurde aber noch einiges mehr über diesen adligen Herrn bekannt: Von
seinem »Führer« ließ er sich 1939 »heim ins Reich«
rufen, wurde SS-Obersturmführer und war als Leiter des SS-Arbeitsstabes
Gnesen damit befaßt, Polen mit Wanzen zu vergleichen, sie von ihren Höfen
zu vertreiben und Deutsche dort anzusiedeln. Seitdem war für diesen Fachmann
für Vertreibung das Thema »Vertreibung« eine Herzensangelegenheit
– auch nach dem Krieg: Da war er lange Zeit Landesgeschäftsführer
des »Bundes der Vertriebenen« in Niedersachsen und durfte danach
in seiner parlamentarischen Tätigkeit das Anliegen der »Vertriebenen«
vertreten. Sein politisches Credo damals: Durch die Aussöhnung mit dem
Osten »verschenkt die Regierung Brandt deutsches Land«.
Von Vertreibung und Landnahme ist also im Sinne des verdienstvollen Initiators
des Museums in der Abteilung »Landesgeschichte« von Anfang an die
Rede. In dem Faltblatt des Museums heißt es unverblümt: »Heidenmission
und Herrschaftssicherung führen im 13. Jh. zur Eroberung des Siedlungsgebietes
der baltischen Prußen durch die Ritter des Deutschen Ordens.« Die
waren nämlich nach ihren Mordbrennereien im Nahen Osten (genannt »Kreuzzüge«)
gerade von dort vertrieben worden und brauchten ein neues Betätigungsfeld.
Auf einem großen Gemälde ist der »Zug von Rittern und Siedlern«
dargestellt. Es wurde 1938 gemalt, als eine deutsche »Ostbesiedelung«
in einem noch größeren Maße wieder einmal anstand. Gleich daneben
werden die »3 Teilungen Polens (1772-1795)« in einen größeren
Zusammenhang gestellt: »...dieses Prinzip illegitimer Machtpolitik findet
unter anderem 1939 Nachahmung durch das nationalsozialistische Deutschland und
die kommunistische Sowjetunion sowie 1945 durch die Politik der Siegermächte
des 2. Weltkrieges gegenüber Deutschland«. Diese behauptete »illegitime
Machtpolitik gegenüber Deutschland 1945« wird in einer besonderen
Koje, dem Herzstück des Museums, in einer Multimedia-Show mit Flüchtlingstreck
widersprucherregend dargestellt.
In dieser Zeit verließ auch die »Mutter Ostpreußens«,
Agnes Miegel (1879-1964), ihre ostpreußische Heimat. In der Abteilung
»Geistesleben« wird sie aus der großen Zahl von Dichtern und
Philosophen als einzige Frau neben Kant und Herder besonders herausgehoben.
In einer Vitrine werden von ihr Erstdrucke, Postkarten und handgeschriebene
Gedichte gezeigt. Der Betrachter gewinnt den Eindruck, dass diese Frau, die
»vornehmlich durch ihre Balladen in die Literaturgeschichte einging«
(Erläuterungstext), mit dem Jahr 1933 verstummte. Das Gegenteil ist richtig.
In diesem Jahr fand sie mit ihrem Treuegelöbnis für Hitler ihr Lebensthema:
Verherrlichung des »Führers« und seiner Raubkriege. In einer
Hymne »An den Führer« sang sie: »Übermächtig
füllt mich demütiger Dank, daß ich dieses erlebe, Dir noch dienen
kann, dienen den Deutschen mit der Gabe, die Gott mit verliehen«. Und
in ihrer Ansprache an »Deutschlands Jugend« in der Sammlung »Ostland«
(1940) treibt sie das Volk zu Kriegsverbrechen an und schickt es dann in den
Tod: »... wir stehen, wir Deutsche, Volk das zu Volk fand, folgend dem
Ruf des Führers ... auf uns zu nehmen ... die Schrecken des Krieges: Feuer
und Nacht und Not und grausames Sterben, wie es das Schicksal bestimmt…«
Für diese Art von Dichtung wurde sie hoch geehrt, zum Beispiel 1940 mit
dem Goethepreis der Stadt Frankfurt. Nach dem Kriege wurde sie zur Ikone der
Vertriebenenverbände, war befreundet mit dem Ex-Reichs¬ jugendführer
Axmann und dem Vertriebenenminister Oberländer und empfing weitere Preise.
Frühere BDM-Führerinnen betreuten sie in ihren letzten Lebensjahren.
Durch das Landesmuseum werden häufig Schulklassen geführt. Das machen
freundliche ältere Damen, die von dem Bernstein erzählen, der in Ostpreußen
gefunden wurde, von den Fischern am Haff und den Jägern in der Rominter
Heide. Dazu können die Schüler Kaiser Wilhelm II. auf einem überlebensgroßen,
besonders angestrahlten Ölbild in Jagduniform bewundern und erfahren, dass
er zwei bis drei Wochen im Jahr in seinem Jagdschloss zu Rominten verbrachte.
Am Ende mag sich bei ihnen der Gedanke einstellen: Bei so viel deutscher Kul¬
turleistung in Ostpreußen und im Baltikum in der Vergangenheit könnte
dieses Gebiet in der Zukunft eigentlich wieder zu Deutschland kommen. Ob das
eintritt, ist noch fraglich, sicher aber ist, daß noch viele öffentliche
Subventionen in dieses Museum in Lüneburg fließen werden.
Erschienen in Ossietzky 21/2003
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