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Millionenspiele
Manfred Sohn
Tabulos und phantasievoll, so schallt es uns aus den herrschenden Medien entgegen,
solle die Diskussion um den Umbau des Sozialstaats geführt werden. Nun
denn.
Die international renommierte Finanzberatungsfirma Merrill Lynch wies im Juni
darauf hin, daß die Anzahl der Millionäre in Deutschland Ende 2002
gegenüber 2001 um 25 000 auf 755 000 Personen angewachsen sei. Das dort
konzentrierte Vermögen beträgt jetzt 8,4 Billionen Euro. Damit ist
– trotz der vielen neu Emporgekommenen – auch das Pro-Kopf-Vermögen
der Millionäre weiter gestiegen.
Dank der Politik von SPD und CDU wird der Reichtum vermutlich auch in diesem
Jahr kräftig wachsen.
Das erleichtert uns eine grobe rechnerische Überlegung.
Wir gehen mal von vier Millionen statistisch erfaßten Arbeitslosen aus
und rechnen bis Ende dieses Jahres mit 800 000 Millionären. Also teilen
sich gewissermaßen fünf Arbeitslose einen Millionär, der –
statistisch gesehen – im Schnitt elf Millionen Euro auf der hohen Kante
hat, ohne Immobilienbesitz wohlgemerkt.
Tabulos und phantasievoll gedacht: Wie wäre es, wenn wir die Arbeitslosenversicherung
zum 1.1.2004 einfach abschaffen würden? Jeder Beschäftigte hat dann
im Monat 50 oder gar 100 Euro mehr netto in der Tasche, und die Unternehmen
müssen auch weniger zahlen. Jeweils fünf Arbeitslose bekommen einen
rechtsgültig einklagbaren Titel in Höhe ihres bisherigen Arbeitslosengeldes
gegenüber einem Millionär. Arbeitslose und Millionäre werden
einander per Zufallsgenerator zugeordnet, damit es kein Subventionsgekungel
gibt.
Der Millionär kann seine Arbeitslosen einfach auszahlen. Rechnen wir mal
mit 1000 Euro pro Monat und Erwerbslosen, dann sind das 12 x 5 x 1000, also
60 000 Euro im Jahr, die der Millionär hergeben muß. Das ist ziemlich
genau die Summe, die er netto durch die von Bundeskanzler Schröder geplante
Absenkung des Spitzensteuersatzes von 48 auf 42 Prozent einspart. Durch die
Abschaffung der Arbeitslosenversicherung wird er also nicht ärmer. Der
Reichtum bleibt. Er wird sogar größer, weil die elf Millionen sich
ja weiter verzinsen. Er wächst nur nicht mehr so schnell wie ohne diese
Umverteilung der Millionen Arbeitslosen auf die Millionäre.
Wohlmeinende Millionäre können auch Weihnachtsgeld zahlen –
das erwirtschaften sie locker aus ihren Zinsen, ohne an das Vermögen gehen
zu müssen. Richtige Leistungsträger und Unternehmerpersönlichkeiten,
die es unter den Millionären ja zahlreich geben soll, erhalten das Recht,
ihren Arbeitslosen zu zeigen, wie Marktwirtschaft geht, indem sie mit ihnen
ein Kleinunternehmen gründen. Wenn’s nicht fluppt, können diese
Angestellten ja ohne jeglichen Kündigungsschutz sofort wieder von ihm von
der Unternehmenskasse in die familien¬interne Arbeitslosentransfer-Kasse
umgebucht werden, völlig unbürokratisch.
Organisiert wird das alles vom Arbeitsamt, das mit der Zeit immer weniger zu
tun haben wird. Die dann dort entstehenden neuen Arbeitslosen werden den in
diesem Lande mit Sicherheit nachwachsenden neuen Millionären zugeordnet.
So erreicht dann die SPD doch noch das Ziel der alten revolutionären Sozialdemokratie,
die Arbeitslosigkeit abzuschaffen, und verschafft gleichzeitig im Sinne der
Modernisierer den Millionären eine soziale Aufgabe.
Erschienen in Ossietzky 21/2003
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