Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. "Fabian" als "Projekt"von Heinz Kersten So wie man früher in der DDR Dramatik aus der Sowjetunion importierte, um auf die Bühne Gesellschaftskritisches zu transportieren, das in eigenen Stücken tabuisiert war, bedienen sich die Theater heute oft in den zwanziger Jahren, um gegenwärtige Miseren zu reflektieren. Hierher gehört auch die Wiederentdeckung des politischen Brecht. Nach der "Mutter" brachte Claus Peymann "Die heilige Johanna der Schlachthöfe" auf die Bühne des Berliner Ensemble, wo sich die Kapitalismuskritik von 1930 aktuell wie eh und je erweist. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise mit ihren Millionen von Arbeitslosen schrieb auch Erich Kästner 1931 seinen Roman "Fabian". Der 32jährige Dr. phil. Jakob Fabian läßt sich durch ein hektisches Berlin der Bourgeois und Bohemiens treiben, macht Bekanntschaften in Redaktionen, Ateliers, Kabaretts und zweifelhaften Etablissements, ein "Wartender im Wartesaal der Zeit", der "provisorisch" lebt und als Moralist auf einen "Sieg der Anständigkeit" hofft. Diese Romanfigur hat viel von ihrem Autor, der nach seinem großen Erfolg mit "Emil und die Detektive" auch mal unter dem Pseudonym Emil Fabian schrieb. Zuletzt flüchtet der Looser aus Berlin in sein heimatliches Dresden, wo ja auch Kästner geboren und aufgewachsen war. Hier sieht Fabian bei einem Gang durch die Stadt einen kleinen Jungen von der Elbbrücke ins Wasser fallen und springt ihm nach. Doch während der Junge heulend ans Ufer schwimmt, ertrinkt Fabian. "Er konnte leider nicht schwimmen." Das sind auch die letzten Worte im Berliner Maxim-Gorki-Theater, wo Joachim Meyerhoff Kästners Roman als Vorlage für ein "Projekt" benutzte. Diese Bezeichnung läßt schon erkennen, daß es ihm nicht um eine Dramatisierung ging, wie sie im gleichen Haus einmal mit Döblins "Berlin-Alexanderplatz" gelungen war. Zu Beginn werden vom Schnürboden Kostüme herab- und heraufgezogen, bevor das ganze Ensemble vor schwarzem Vorhang auf Stühlen Platz nimmt und aus aktuellen Zeitschriften Komisches und Absurd-Skurriles zitiert, womit ein sich später immer mehr ins Groteske steigender Stil der ganzen Inszenierung deutlich wird. Da marthalert es mit einer Prise Castorf und werden Regieeinfälle überstrapaziert. Die 15 Schauspieler, in verschiedene Rollen schlüpfend, sind mal ein Klub, in den Fabian (sein Darsteller heißt Fabian Krüger) als Neuling aufgenommen wird, mal eine Selbsterfahrungsgruppe mit einzelnen Solonummern, mal eine Zeitungsredaktion oder Werbetexter einer Zigarettenfirma. Nur für den Kenner des Romans identifizierbar schälen sich allmählich Motive des Kästnerschen Originals heraus, hört man Textzitate und erkennt Figuren: die sexhungrige Frau des Rechtsanwalts Moll, die hier Fabian immer wieder an die Wäsche geht und ganze Fetzen aus seinem T-Shirt beißt (Francesca Tappa), der heruntergekommene Erfinder, der sein Geld denen schenkte, die durch seine Erfindungen arbeitslos wurden, Fabians Mama (Monika Lennartz) und Freund Labude (Hans-Jochen Wagner), der Selbstmord begeht, weil seine Habilitationsschrift angeblich nicht anerkannt wurde: für Fabian "ein tragischer Witz", nachdem ihn schon Freundin Cornelia (Katrin Hylla) verlassen hat, um sich für eine Filmrolle einem Produzenten auszuliefern - "man kann nur aus dem Dreck heraus, wenn man sich dreckig macht". Kaputte Beziehungen, Bindungsangst, Arbeitslosigkeit - Fabians Welt ist uns so nah und bleibt auf der Bühne doch seltsam fern. Meyerhoffs "Projekt" fällt in einen Comedy-Teil und eine unentschlossen zerfasernde Annäherung an die literarische Vorlage auseinander. Am 10. Mai 1933 mußte Erich Kästner, bis zuletzt Mitarbeiter der nun verbotenen Weltbühne, zusehen, wie sein Roman von den Nazis verbrannt wurde. Der unbefriedigende fast dreieinhalbstündige Abend im Maxim-Gorki-Theater machte zumindest Lust darauf, "Fabian" mal wieder zu lesen. Am neuen Brecht-Boom in Berlin, zu dem auch eine Inszenierung von "Im Dickicht der Städte" in der Schaubühne beiträgt, beteiligt sich das Maxim-Gorki-Theater Anfang kommenden Jahres mit einer "Dreigroschenoper" unter der Regie von Brecht-Enkelin Johanna Schall. Und die Aktualität des diesem Stück entstammenden berühmten Satzes "Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank" möchte Intendant Volker Hesse dann mit einem eigenen "Projekt" über den Berliner Bankenskandal beweisen.
Erschienen in Ossietzky 20/2003 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |