Verweigerung

von Bernd C. Hesslein

Die Menschenjagd mit Kampfflugzeugen gehört für das Israel von Ministerpräsident Ariel Scharon zur legitimen Verteidigung des Landes. Und auch in den Nachrichtenmedien der westlichen Welt rangiert die schon sportiv betriebene Liquidierung palästinensischer Milizenführer unter ferner liefen, obgleich es sich um eklatante Verletzungen des Kriegs-, Völker- und Menschenrechts handelt. Jetzt haben in einem Akt von Befehlsverweigerung 27 israelische Kampfpiloten gegen solche Kampfaufträge protestiert. Doch auch diese mutige, weil folgenreiche Tat ist fast ohne Resonanz geblieben. Offensichtlich scheut man sich, die Dimensionen eines solchen Schrittes wahrzunehmen.

In Zeiten von Präventivkriegsphantasien und illegitimen Kriegen rührt die Rebellion der Kampfflieger an das Grundverständnis von Militär und Gesellschaft. Mit ihrer Weigerung, "illegale und unmoralische Angriffe der Art auszuführen, wie sie Israel in den besetzten Gebieten durchführt", stellen diese Soldaten das Grundprinzip allen militärischen Daseins, das, wie es schwülstig heißt, eherne Gebot von Befehl und Gehorsam, in Frage. Darunter scheinen am ehesten die Politiker zu leiden, die in ihrer manifesten Unfähigkeit, mit ihren Mitteln Frieden zu wahren, vorschnell auf militärische Machtmittel zurückgreifen. Zumeist unter Berufung auf den Primat der Politik. Dieses richtige und notwendige demokratische Vorrecht verliert jedoch seine kontrollierende Wirkung, wenn es sich noch des Prinzips von Befehl und Gehorsam bedient. Darum wird sich auch und gerade das demokratische legitimierte Militär dieses inhumanen, steinzeitlichen Prinzips entledigen müssen. Es ist die Knebelungsformel, mit der Soldaten zu Mördern gemacht werden. Eine Lizenz auch, um mit gutem Gewissen Massenvernichtungswaffen zu bedienen.

Die Bundeswehr hat schon heute die Mittel, um sich von der raison d'etre der Söldnerheere zu verabschieden. Sie ist ein Parlamentsheer, nicht alleine der Entscheidung der Regierung unterworfen. Ihre Soldaten sind als Bürger in Uniform mit allen Rechten und Pflichten des Bürgers dieser Republik ausgestattet, also auch der persönlichen Verantwortung. Das Prinzip der Inneren Führung verlangt einen "mitdenkenden Gehorsam". Doch nichts ist gesichert und nichts verbrieft. Regierung und Parlament haben die Bundeswehr in einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien geschickt. Die Mehrheit der Abgeordneten scheint geneigt, ihr Entscheidungsprivileg in Sachen Krieg und Frieden an die Regierung abzutreten (damit schneller geschossen werden kann). Über die Lehren aus dem Vernichtungskrieg der Wehrmacht, aus deren Kadern die Bundeswehr entstand, ist nicht gesprochen worden. Und auch nicht darüber, ob die Bundeswehr je einen Atomkrieg führen würde, wenn aus dem Kalten Krieg ein heißer werden sollte. Nichts war und ist geklärt.

Nun hat eine kleine Gruppe von Soldaten mit Zivilcourage das große Schweigen für einen kurzen Augenblick gebrochen. Was sollte uns daran hindern, die Diskussion fortzuführen?

Erschienen in Ossietzky 20/2003