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Der Hamburger Totentanz mit dem vorläufig erst im Bild gezeigten enthäuteten Christus am Kreuz ist ein Höhepunkt in der Leistungsbilanz der Regierung des christlichen Demokraten Ole von Beust. Sein Senat hat dem widerstrebenden Bezirksamt die Zuständigkeit entzogen und Gunter von Hagens' "Körperwelten" zugelassen ohne die Einschränkungen, die noch in München galten. Zuständig ist jetzt der sonst so strenge Justizsenator Roger Kusch, ein Freund, der stillhält. Der Leichenmann ist glücklich. Gleich neben der Reeperbahn, im ehemaligen Erotic Art Museum, darf er seine toten Menschen ausstellen. Die Morgenpost, das ist ein Hamburger Unterbildblatt, und der Kommerzsender Radio Hamburg machen als Veranstalter mit. Aber nicht jedem Journalisten traut von Hagens. Und so mußte der Deutsche Journalistenverband alle Radiojournalisten davor warnen, eine Einverständniserklärung zu unterzeichnen, daß die O-Töne ausschließlich zur aktuellen Berichterstattung über die Ausstellung verwandt werden dürfen. Und daß jeder Rundfunkjournalist verpflichtet sei, eine Kopie des gesendeten Beitrags an Hagens' Institut für Plastination zu schicken. Widrigenfalls sei eine Vertragsstrafe von 1500 Euro fällig. Wie sich inzwischen herausstellte, hatte sogar ein Reporter des öffentlichrechtlichen Radio Bremen nach Rücksprache mit seiner Chefetage das unterschrieben. Ob er denn wohl meine, er könne Journalisten ebenso erfolgreich plastinieren wie den Hamburger Senat? Ein Mißverständnis, beteuerte von Hagens auf diese Frage in der Pressekonferenz, "ich bitte um Verzeihung". Es gehe doch nur darum, daß die Aufnahmen nicht etwa für pornographische Zwecke benutzt werden, sagt der Mann, der in seinem Menschenzoo aus Leichen gehorsame Kadaver macht, die ihre Haut über dem Arm tragen, sich drehen, wenden, tanzen und erigieren, ganz wie es ihm gefällt, nur das kopulierende Leichenpaar wurde nicht rechtzeitig fertig - Kinder unter sechs Jahren und Prostituierte haben freien Eintritt, die anderen zahlen zwölf Euro. So wie er in Hamburg willkommen geheißen werde, könne er sich gut vorstellen, hier seinen Traum von einem Menschenmuseum zu erfüllen. Für solch ein Museum würde er auch einmal seinen eigenen Körper zur Verfügung stellen - und er nicht allein: "Ich habe vier Geschwister, drei Kinder und eine Ehefrau. Alle wollen sich plastinieren lassen", bekennt er. Fraglich ist allerdings, ob alle, deren Leichen er hier angerichtet hat, zu ihren Lebzeiten wirklich damit einverstanden waren. Etwa der Frühaufsteher mit geschmackvoll erigiertem Penis. In Novosibirsk untersucht die Staatsanwaltschaft, ob sich in den Urnen, die Angehörigen übergeben wurden, wirklich die Asche ihrer Toten befindet oder ob deren Körper vom Krankenhaus an Hagens' Leichenkonzern verkauft wurden. Hagens gibt sich auch in Hamburg unschuldig: "Ich habe der Staatsanwaltschaft und dem Ordnungsamt in München ganze Ordner mit Einverständniserklärungen vorgelegt. Was ich nicht tun werde: daß ich Leichen entanonymisiere." Beifall, Klatschen auf dieser merkwürdigen Hamburger Pressekonferenz inmitten der malträtierten Toten. "Irreversibel anonymisiert" seien sie alle, triumphiert von Hagens. So kann ihm keiner etwas beweisen. Höchstens vielleicht die Angehörigen des Mannes mit der Tätowierung, die zusammen mit der Leiche 50 000 Jahre überdauern soll. Hat er Vorbilder für sein Menschenmuseum? Etwa den Straßburger Anatomen August Hirt, der in den Vierziger Jahren etwas Ähnliches machen wollte? Hagens versteht sofort. Er sei genau das Gegenteil. Mit Auschwitz habe er nichts zu tun. Er habe sogar mit dem israelischen Botschafter in Brüssel diskutiert. Anatom Hirt vom SS-Ahnenerbe hatte dem Reichsführer SS Heinrich Himmler vorgeschlagen, eine Sammlung jüdischer Untermenschen anzulegen. Dazu ließ er sich über Hundert KZ-Häftlinge aus Auschwitz kommen und töten. So also nicht. Das würde auch nicht den Beifall des ansonsten zu allem bereiten Hamburger Senats finden. Wie aber steht es mit Leichen von Hingerichteten aus China? Dort unterhält Hagens' Konzern eine prächtig florierende Filiale. Hagens wird leicht unruhig ("ich bin beim Sterben nicht dabei"), fängt sich, versichert, es gebe sogar Angehörige von Hingerichteten, die ihn bäten, deren Leichen zu übernehmen, aber so etwas tue er nicht. Prüfen läßt sich das allerdings nicht, da seine Ausstellungsopfer irreversibel anonymisiert sind. Ein Vorbild hat er gleichwohl: "Walt Disney hat Menschen zum Staunen gebracht, und das will ich auch."
Erschienen in Ossietzky 19/2003 |
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