Wenn der Herr der Welt kommt

von Codou

Über Staatsbesuche der Herrscher berichten Fernsehsender, Zeitungen, Magazine. Wie die Besuchten solche Besuche erleben, erfährt man selten. Eine junge Frau in Senegal, Codou, hat ihren amerikanischen Freunden einen Bericht über den Besuch von Präsident George W. Bush geschickt. Carolyn M. Byerly vom Department of Communication der University of Maryland verbreitete ihn unter ihren Freunden mit dem Zusatz: "Wir werden das in unsern Mainstream-Medien nicht lesen oder hören." Sie hatte recht.
Günther Schwarberg

Liebste Freunde, wie Ihr wahrscheinlich wißt, besucht George Bush jetzt Afrika. Die Reise begann in Senegal, er kam morgens um 7.20 Uhr an und verließ das Land um 13.30 Uhr. Laßt mich berichten, was geschah.

1. Verhaftungen: Mehr als 1500 Personen wurden zwischen Donnerstag und Montag festgenommen und kamen ins Gefängnis. Wir hoffen, daß sie freigelassen werden, wenn der Große Mann wieder fort ist.

2. Die Maschinen der US Army flogen Tag und Nacht über Dakar. Sie waren so laut, daß man nachts kaum schlafen konnte.

3. Mehr als 700 US-Agenten sorgten mit ihren Hunden und Fahrzeugen für Bushs Sicherheit in Senegal. Senegalesische Sicherheitsbeamte waren in der Nähe des US-Präsidenten nicht zugelassen.

4. Alle Bäume an Plätzen, die Bush passierte, wurden gefällt. Einige von ihnen waren älter als hundert Jahre.

5. Alle Straßen zur Innenstadt (wo die Krankenhäuser, Geschäfte und Schulen liegen) wurden von Montag abend bis Dienstag 15 Uhr gesperrt. Wir konnten nicht in unsere Büros und Schulen gehen. Kranke Menschen, die zum Arzt gehen wollten, waren gezwungen, zu Hause zu bleiben.

6. Die nationalen Hochschul-Examina, die am Montag beginnen sollten, wurden auf Mittwoch verschoben.

Eine andere Geschichte ist Bushs Besuch auf Goree. Wie Ihr vielleicht wißt, ist Goree eine kleine Insel vor Dakar. Dort wurden vom 15. bis zum 19. Jahrhundert die afrikanischen Sklaven vor ihrer Verschiffung nach Amerika in sogenannten Sklavenhäusern eingesperrt. Eines dieser Häuser erinnert heute als Museum an diese dunkle Periode.

Könige, Königinnen, Präsidenten haben es besucht. Bill, Hillary und Chelsea Clinton und vor ihnen Nelson Mandela, der Papst und viele berühmte Gäste oder normale Touristen waren hier, ohne die Inselbewohner zu belästigen. Aber dieses Mal wurde "aus Sicherheitsgründen" die lokale Bevölkerung zwischen 5 und 12 Uhr aus ihren Häusern getrieben. Die amerikanischen Sicherheitsbeamten jagten die Menschen weg und befahlen ihnen, alles offen zu lassen, auch ihre Kleiderschränke, die von speziellen Hunden durchsucht wurden, die sie aus den USA mitgebracht hatten. Die Fähre zwischen Goree und Dakar durfte nicht verkehren, und Büros und Geschäfte blieben an diesem Tag geschlossen.

Nach Angaben eines Ökonomen, der von einem privaten Sender interviewt wurde, hat Senegal, ein sehr armes Land, durch diesen Besuch einen enorm hohen materiellen Verlust erlitten, weil die Arbeiter ihre Häuser nicht verlassen durften.

Bush hatte es nicht nur von vorn herein abgelehnt, sich mit Senegalesen zu treffen, er wünschte auch nicht unsere Dinge zu benutzen. Er hatte seine eigenen Sessel mitgebracht und selbstverständlich seine eigenen Autos, Speisen und Getränke. Er kam mit seinen eigenen Journalisten; unseren wurde verboten, sich am Flugplatz und den Stätten aufzuhalten, die er besuchte.

Unserm Präsidenten wurde nicht erlaubt, eine Rede zu halten. Nur Bush sprach, als er auf Goree war. Er sprach über die Sklaverei. Uns scheint, er braucht für seine Wiederwahl die Stimmen der afrikanischen Amerikaner, und bei ihnen möchte er ankommen. Deshalb hat er Goree besucht.

Es gab nach seiner Abreise einige Protestmärsche gegen die amerikanische Politik, auch während er hier war, aber wir glauben, daß ihn das nicht kümmert. Wir haben den Eindruck, daß alles getan wird, uns zu überzeugen, daß wir nichts sind und daß Amerika sich benehmen kann, wie es will, überall, auch in unserem Lande.

Glaubt mir, meine Freunde, das ist ein schreckliches Gefühl. Aber mir hat einer meiner ugandischen Freunde gesagt, ich solle mich nicht beklagen, weil Bush in Uganda, das er ebenfalls besucht, überhaupt nicht den Flughafen verlassen wird. Er will den ugandischen Präsidenten in der Halle des Flughafens empfangen.

Ich bin glücklich, daß ich wunderbare amerikanische Freunde habe. Aber es gibt jetzt Tausende Senegalesen, die glauben, daß alle Amerikaner die Welt als ihr Land betrachten.

Liebe für Euch alle
Codou

Erschienen in Ossietzky 19/2003