Brief aus Kalifornien

von Kurt Singer

Ein Gericht hat jetzt dafür gesorgt, daß der Termin der kalifornischen Gouverneurswahl, vorgesehen war der 7. Oktober, erst einmal in Frage steht. Die Begründung: Es sei die Nutzung veralteter Maschinen für die Stimmenauszählung beabsichtigt, die schon bei der Präsidentenwahl 2000 in Florida ein Chaos bewirkt hätten.

Das ist nicht die einzige Seltsamkeit im Vorlauf zu diesem staatsbürgerlichen Akt. 135 Kandidaten bewerben sich um das Amt des Gouverneurs, aber nur einer von ihnen bietet ein Konzept an, wie die Schuldenlast dieses Staates getilgt werden könnte, und es handelt sich immerhin um den Betrag von 38,6 Milliarden Dollar. Der findige Kandidat heißt Larry Flint, er gilt als Porno-König, und seine Idee ist diese: Der Staat Kalifornien soll in allen Lokalen, Tankstellen, Motels - und wo immer sonst noch Platz ist - Spielautomaten aufstellen und dann mit dem Erlös dieser "einarmigen Banditen" die Kredite abzahlen... Einer der anderen Kandidaten ist Stripteasetänzer und Betreiber eines einschlägigen Clubs.

Furore aber hat diese Wahl gemacht, weil sich auch der Terminator höchstpersönlich um das Amt des Gouverneurs bewirbt, und da erinnern sich die Medien an verbale Jugendsünden des Arnold Schwarzenegger, der es einst an kraß sexistischen Sprüchen nicht fehlen ließ, auch nicht an herabsetzenden Redensarten über Schwule. Aber Vorurteile gegenüber Minderheiten habe er nicht, beteuert Schwarzenegger heute. Vielleicht deshalb nicht, weil er bei spontanen Auftritten und Wahlkampfdiskussionen selber ein Englisch mit stark steirischem Akzent spricht? (In seinen Filmen ist diese Eigenart wegtrainiert.) Sein Vater, so erfährt das Publikum von seinen Kritikern, sei SA-Mann gewesen. Jetzt jedenfalls gibt sich "Arnie" aufgeklärt und liberal: Er sei für das weibliche Recht auf den eigenen Körper, für die Gleichberechtigung von Homosexuellen, gegen Todesurteile.

Schwarzenegger versucht offensichtlich, sich von seinen innerparteilichen Rivalen abzuheben, die zur neokonservativen Richtung der Republikaner gehören. Zudem entstammt seine Frau dem Kennedy-Clan. Das finanzielle Polster des Terminators ist üppig, schätzungsweise 200 Millionen Dollar hat er in Immobilien und Aktienfonds angelegt.

Die Wahl in Kalifornien ist vorrangig darauf angelegt, den jetzigen Gouverneur Gray Davis abzuwählen. Der ist belastet durch das Desaster der kalifornischen Energieversorgung und die extreme Staatsverschuldung, und noch dazu hat er sich bei den Zuwanderern aus Mexiko unbeliebt gemacht. In dieser Hinsicht steht sein Konkurrent Cruz Bustamente, der jetzige Vizegouverneur, besser da; der hat den Ruf, hispanischen Kaliforniern wohlgesonnen zu sein.

In die Werbung für die drei erstrangigen Kandidaten stecken Interessengruppen enorm viel Geld. Im Publikum ist der Eindruck weitverbreitet, dieser Wahlkampf sei ein Zoo, in dem alle Käfige geöffnet sind. Kalifornien gilt als Schmelztiegel vieler Kulturen, aber jetzt ist es eher als ein Dampfkochtopf zu erleben, an dessen Deckel die Kandidaten ums Gouverneursamt mit ihren Händen rangeln.

Das Letzte: Nach einem Bericht der New York Times soll Arnold Schwarzen egger, nach seinen Empfindungen zu seiner jüngsten Filmrolle gefragt, gesagt haben: "Das hat man ja nicht oft, daß man den Kopf einer Frau in eine Kloschüssel legen kann." Die Zeitung meint, diese Äußerung werde ihn viele weibliche Stimmen kosten. So geht es, wenn einer mehrere Rollen gleichzeitig spielen muß.

Erschienen in Ossietzky 19/2003