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Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, bisher noch nicht arbeitsfähig, scheint dauerhaft behindert durch den heftigen Widerstand der USA und die Abstinenz großer Staaten, die zugleich auch große Menschenrechtsverletzer sind. So ist vorerst nicht absehbar, wie weit, wenn überhaupt, der Gerichtshof einen Beitrag zu Wahrheit und Gerechtigkeit leisten kann. In Spanien sollte ein Prozeß gegen guatemaltekische Militärs wegen Völkermordes eröffnet werden, aber das Gericht entschied, ihn nicht zu eröffnen. Belgien hatte völkerrechtsfreundliche Gesetze zur Verfolgung von außerhalb der Landesgrenzen begangenen Verbrechen gegen die Menschenrechte, doch seit Jahresbeginn wurden diese Gesetze zweimal reformiert, die Zuständigkeiten der belgischen Justiz stark beschnitten. Jetzt folgte eine erstaunliche Serie guter Nachrichten für die KämpferInnen gegen die Straflosigkeit der Menschenrechtsverbrechen der argentinischen Militärs: Der hohe Marinefunktionär Ricardo Miguel Cavallo wurde am 28. Juni nach einer positiven Entscheidung der mexikanischen Regierung und der mexikanischen Gerichte nach Spanien ausgeliefert. Es ist zu erwarten, daß die Hauptverhandlung gegen ihn wegen des Verschwindenlassens von 264 Oppositionellen, 159 Entführungen und 21 Fällen von Folter Anfang 2004 vor der spanischen Audiencia Nacional stattfinden wird. Dort wird Cavallo gemeinsam mit dem Ex-Offizier Adolfo Scilingo auf der Anklagebank sitzen, der mit einem Geständnis zur Aufklärung der Verbrechen beitrug. Er schilderte, wie Gegner der Diktatur betäubt und vom Flugzeug ins Meer geworfen wurden. In Argentinien wurden aufgrund eines Haftbefehls der spanischen Justiz 46 Militärs in Haft genommen oder wegen ihres Alters unter Hausarrest gestellt. Der neue Präsident Kirchner hatte das Dekret aufgehoben, das die Auslieferung argentinischer Staatsbürger verbot. Dann beschlossen - ebenfalls auf Initiative des Präsidenten - Parlament und Senat die Aufhebung der Amnestiegesetze. Nun liegt die Entscheidung darüber, ob die schon kurz nach Ende der Diktatur geführten und dann auf Druck der Militärs eingestellten Prozesse gegen die Menschenrechtsverletzer wiederaufgenommen werden, in den Händen der argentinischen Justiz. Kirchner hat mit der Androhung, die Militärs nach Europa auszuliefern, die heimische Justiz in Zugzwang gebracht. Durch eine geschickte Choreografie stärkte er den Staatsanwälten und Richtern, die eine Strafverfolgung im eigenen Land anstreben, den Rücken. Dies ist ein großer politischer Erfolg für die dortige Menschenrechtsbewegung, die auch in scheinbar aussichtslosen Situationen nie aufgegeben hatte und sich immer sowohl im In- als auch im Ausland um Strafverfolgung bemühte. Die seit Mitte der 90er Jahre in Spanien, Italien, Frankreich, aber auch in Deutschland anhängigen Verfahren haben zu der neuesten Entwicklung in Argentinien beigetragen. Seit 1998 versucht in Deutschland die "Koalition gegen Straflosigkeit", nach dem spanischen Beispiel argentinische Militärs vor deutsche Gerichte zu bringen. Trotz anfänglicher Zurückhaltung der zuständigen Staatsanwaltschaft in Nürnberg-Fürth wurden mittlerweile drei internationale Haftbefehle gegen hohe Offiziere erlassen. Weitere Haftbefehle gegen ehemalige Mitglieder der Militärjunta sind beantragt. Die deutschen Gesetze waren vor dem 1. Juli 2002 nicht sehr völkerrechtsfreundlich. Damals trat das Völkerstrafgesetzbuch in Kraft, das aber ebenso wie das Statut für den Internationalen Strafgerichtshof nur auf danach begangene Verbrechen anwendbar ist. Deswegen mußten die von argentinischen Familienangehörigen beauftragten Anwälte schon in die juristische Trickkiste greifen, um deutsche Staatsanwälte zum Tätigwerden zu bewegen. Die Ermittlungen sind mittlerweile sehr umfangreich, füllen ein gutes Dutzend Aktenordner. Überlebende Diktaturopfer und Familienangehörige wurden in der deutschen Botschaft in Buenos Aires als Zeugen vernommen. Darüber hinaus laufen zahlreiche Rechtshilfe- und Auslieferungsersuchen nach Spanien, Italien und Argentinien. Ein Fall ganz besonderer Art ist ebenfalls bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg anhängig: der Fall der 18 verschwundenen Gewerkschafter bei Mercedes Benz in Argentinien. Die Journalistin Gaby Weber (ihr Buch "Die Verschwundenen von Mercedes Benz" erschien in dem Berliner Verlag Assoziation A) hatte recherchiert, daß die aktiven Gewerkschafter unter Mithilfe der Firma verschleppt und später getötet wurden. Sie fand neben anderen Beweismitteln einen überlebenden Gewerkschafter, der als Zeuge einen deutsch-argentinischen Manager beschuldigte, durch die Weitergabe einer Adresse Beihilfe zum Mord geleistet zu haben. Auch in diesem Verfahren ist ein internationaler Haftbefehl beantragt worden. (s. die ausführliche Dokumentation Dokumentation aauf der Labournet-Website labournet.de). Zuletzt erregten die deutsch-argentinischen Fälle Aufmerksamkeit bei zwei großen Veranstaltungen auf dem ökumenischen Kirchentag in Berlin. In Gesprächen beim Außen- und Justizministerium bekundeten Regierungsvertreter glaubhaft ihre Unterstützung für die Aufarbeitung der Fälle. Zurückhaltender waren sie bei der Beurteilung der Rolle der deutschen Diplomatie während der argentinischen Diktatur. Der Film "Die Verschwörung des Schweigens" von Frieda O. Wagner, der jüngst auf Arte lief, belegte eindrucksvoll, daß sich damals, als in Argentinien auch Deutsche verschwanden, zumindest ein Teil der deutschen Diplomaten passiv verhielt und die Beschwichtigungen der Junta gläubig hinnahm. Deutsche Politiker und deutsche Industrielle unterhielten beste Beziehungen zur Militärdiktatur. Die Arbeit an den deutsch-argentinischen Fällen ist nur möglich geworden durch den Zusammenschluß von Menschenrechtsgruppen, kirchlichen Organisationen und Juristenverbänden unter der Führung des Nürnberger Menschenrechtszentrum in der schon erwähnten "Koalition gegen Straflosigkeit" (www.menschenrechte.org). Eine seit 1976 in Argentinien tätige Gruppe von deutschen Müttern hatte mit Hilfe des Friedensnobelpreisträgers Perez Esquivel diesen ungewöhnlichen Zusammenschluß initiiert. Juristische Professionalität verbindet sich hier mit politischem und karitativem Engagement, und eine vorrangige Aufgabe ist es, die "Verschwörung des Schweigens" zu brechen, also über die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur, aber auch über die Rolle der deutschen Politik und Wirtschaft aufzuklären. Wolfgang Kaleck ist Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV)
Erschienen in Ossietzky 18/2003 |
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