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Ich schlug ein Abzählspiel vor, nach dem der Verlierer sich in eine Torte setzen mußte, und dieses bittere Los traf dann mich selber... Nun schlief ich wieder in der großen Wetternkaserne auf einem Strohsack und hatte wieder Gesuche im Gange und machte den Büroschreibern Bestechungsgeschenke, weil verlautete, es würde ein Sonderkommando für die Türkei zusammengestellt... Der Hilfskreuzer "Wolf", frisch ausgerüstet, war auf Schlick gelaufen, was eine Kesselexplosion zur Folge hatte. Es hieß, an Bord habe bei der Ausfahrt große Betrunkenheit geherrscht. Im Kasino wurde dem Schachspiel gefrönt. Nachts in den Stuben, vorm Einschlafen, witzelten wir noch lange. Wenn einer einen Wind ließ, sagte der Witz: "Dem ist die Haut zu kurz. Wenn er die Augen schließt, öffnet sich sein Arschloch." Der Schreiber Zuckmantel bot mir einen Posten bei einem Sonderkommando an, für das nur Englisch sprechende Leute gebraucht würden. Ich lehnte aber ab, weil es sich um bürokratische Tätigkeit handelte. Der Dichter, Vortragskünstler und Maler Ringelnatz hat im ersten Weltkrieg (den er nach anfänglicher Begeisterung als das empfand, was jeder Krieg ist, nämlich lausig) Dienst auf kleinen Kriegsschiffen getan und eines von denen auch befehligt. Ehe sein Patriotismus in den Randmeeren des Atlantiks ersoff, rückte er zum Offizier auf, was Ehre und bessere Besoldung bedeutete. Er wurde und blieb ein heute noch geliebter Künstler. Wer denkt an ihn noch als den kaiserlichen Kapitän, der nebenher Krabben fing und zur Aufbesserung des Taschengelds verkaufte und dem noch lange Zeit der spezielle Geruch dieser Früchte des Meeres zuwider war, der entsteht, wenn sie gekocht werden? Was versteht man unter einer Fregatte? Ein "im 17. Jahrhundert entwickeltes, schnellsegelndes vollgetakeltes Schiff für den Kreuzerdienst", also nicht für Kreuzfahrten, und daher "mit schweren Kanonen im Batterie- und leichten Kanonen im Oberdeck". Die modernen Fregatten werden nicht von Segeln getrieben, benötigen daher auch nicht acht Segel wie jenes legendäre Schiff, von dem Brechts Seeräuber-Jenny hoffnungsvoll singt: "Und das Schiff... mit fünfzig Kanonen wird beschießen die Stadt." Fregatten haben stets Kanonen an Bord; man frage einen Fregattenkapitän. Hat aber ein Fregattenkapitän keine Fregatte unter den Füßen, weil er nun mal Bundesverteidigungsministeriumssprecher ist, erklärt er uns hurtig 1-2-3 die Unverzichtbarkeit des Bombodroms in der Prignitz: "Dieser Platz bietet aufgrund seiner Größe und einzigartigen Übungsmöglichkeiten ein Potential, das uns hier in Deutschland sonst nicht zur Verfügung steht. Das ist... unverzichtbar." Basta, schnedderengteng! Im übrigen, so antwortet der Bundesverteidigungsministeriumspressesprecher (im Interview mit Neues Deutschland, 25.7.03), sei alles halb so schlimm, denn man "hat sehr eng mit den betroffenen Gemeinden zusammengearbeitet und das entsprechende Konzept für den Luftbodenschießplatz so entwickelt, daß die Belastungen für die umliegenden Gemeinden nach Möglichkeit minimiert werden." Bla-bla, piff-paff! Jährlich sollen "maximal 1700" Bombenflüge stattfinden, mit einer "Mittagspause von 11.30 bis 14 Uhr". Herz, was willst du mehr? Es kommt noch idyllischer: "Freitags nach 12 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen..., in den Brandenburger Sommerferien,... und ebenso zwischen Weihnachten und Neujahr", so verspricht der Fregattenkapitän und Erfinder des Schießbuden-Fachausdrucks "Luftbodenschießplatz" (gewissermaßen mit Pazifistelstimme), soll auf dem für die Bundeswehr unverzichtbaren Truppenübungsplatz überhaupt nicht bombardiert werden. Schwört Freagttenkapitän Rainer Kümpel, der Pressesprecher. Obwohl es "einer kontinuierlichen In-Übung-Haltung und Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Luftstreitkräfte bedarf" (R. Kümpel). Einerseits, andrerseits, jut jelogen is besser als schlecht jeschwindelt, zick-zack! Seppvaschtändlich geschieht alles nicht nur zum Schutz, sondern auch zum Nutzen der Prignitzer Bevölkerung. Die Wittstocker "Garnison würde in etwa 800 Soldaten groß sein und bis zu 150 Zivilbeschäftigten einen Arbeitsplatz geben... Außerdem sind wir" - auch Fregattenkapitän Kümpel? - "damit beschäftigt, die Munitionsaltlasten zu beseitigen, die noch aus der Zeit vor der Nutzung durch die Bundeswehr stammen. Dazu werden für sieben bis zwölf Jahre etwa 600 Arbeitskräfte benötigt." Frei nach Morgenstern: Der Sieben-Zwölf hält kurz den Rand, und wieder schläft das ganze Land. Und überlegt im Traum, wer die kommenden Munitionsneulasten wegräumen soll. Und wohin. Käppen Kümpel hat Anke Engelmann, die ihn befragte, und ihre Leser, die seine Redensarten genießen durften, über seine Befähigung zum theoretischen Verteidiger der Prignitz aufgeklärt: "In Wittstock war ich persönlich noch nicht. Ich hätte allerdings kein Problem, dorthin zu fahren. Ich selbst wohne in Cuxhaven. In der Nähe befindet sich ein Truppenübungsplatz. Den gelegentlichen Lärm von dort höre ich inzwischen nicht mehr. Und Urlauber fühlen sich dort ganz wohl." Da weiß man Bescheid. Er war noch nie persönlich an Ort und Stelle, da er in Cuxhaven wohnt, und zwar er selbst. Den Lärm hört er nicht mehr, nicht mal den, den er mit seinem Phrasendreschflegel selber macht, damit sich die Urlauber ganz wohl fühlen können. Er hätte auch kein Problem, irgendwohin zu reisen, falls ihn jemand in eine Pressesprechblase steckt und fliegen läßt. Bleibt ihm nur die Hoffnung, daß sein Ballon nicht in den Tropen platzt und er Opfer eines räuberischen Fregattvogels wird, der ihn frißt und vermutlich sofort wieder ausspuckt.
Erschienen in Ossietzky 17/2003 |
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