Elisabeth Noelle-Bisky oder wie?

von Otto Köhler

Weil Die Zeit - die Wochenzeitung mit dem Verfassungsschutz in den Redaktionskonferenzen und den inoffiziellen Mitarbeitern im Impressum (Ossietzky 2/03) - gleich nach seiner Wiederwahl zum PDS-Vorsitzenden eine Kampagne losgetreten hatte: "Lothar Bisky, der Hoffnungsträger der PDS, hat der Staatssicherheit zugearbeitet", durfte sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland auch mal wieder lumpen lassen. "War er ein Stasi-Spitzel?" fragte sie mit einer unziemlichen Verspätung von acht Tagen und antwortete mit FAZ-Präzision: "Die amtlichen Dokumente sprechen eine andere Sprache als die persönlichen Beteuerungen des derzeitigen PDS-Vorsitzenden."

Die Allgemeine verrät aber nichts Konkretes über diese andere Sprache, sondern wechselt eilig das Thema: "Unstrittig ist, daß Lothar Bisky als Funktionär der SED-Diktatur die DDR-Jugend ausgeforscht hat." Er habe nämlich die "Ergebnisse dieser Volksbeobachtung" in einer "Zuarbeit für Genossen Werner Lamberz" dem Politbüro der SED zugänglich gemacht.

Bisky war - offizieller - Mitarbeiter des Leipziger Instituts für Jugendforschung, das bisher auch im Westen als ein Zentrum der innerparteilichen Opposition angesehen wurde. Als deren Sprecher galt auch Werner Lamberz, der so gelegen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, daß dies vielerorts nicht für Zufall gehalten wird.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland andererseits hat eine sehr prominente Mitarbeiterin, die ihrerseits mit ihren Erforschungen des Volkskörpers direkt hohen und höchsten Vertretern mehrerer - allerdings freigewählter - Regierungen zugearbeitet hat: Joseph Goebbels, Konrad Adenauer, Helmut Kohl. Bei ihrer Volkskörperforschung hält sie sich immer noch an ihr 1940 verkündetes Rezept, daß man "im Zeitalter des Zusammenschlusses der Menschen zu gewaltigen Massen oder organischen Volkskörpern" die durch die "Massenbefragung einmal eröffnete Aussicht" nutzen müsse, in die "Gedanken, Gewohnheiten, Stimmungen einer beliebig großen anonymen Menge Menschen einzudringen". So empfahl sie, die Massenbefragungen in den USA auch in Deutschland einzuführen. Allerdings in der "deutschen Auffassung", nach der "in den Worten des Reichministers Dr. Goebbels die öffentlichen Meinung ›zum größten Teil das Ergebnis einer willensmäßigen Beeinflussung ist‹".

Daran hielt sich Elisabeth Noelle-Neumann - ja, von ihr spreche ich -, wenn sie etwa 1986 zwecks Entschärfung der Arbeitslosenfrage vor der damaligen Bundestagswahl eine Umfrage ("Mehr über Arbeitslose wissen") anbot - mit dem schon feststehenden Ergebnis, "den Block der Arbeitslosen (zu) segmentieren" in "Alkoholiker, Drogensüchtige, jugendliche Sektenmitglieder" und sonstige Personen, die "nicht einsatzfähig sind", Hausfrauen beispielsweise. Nach Auftragserteilung lieferte sie die bestellte Umfrage mit dem vorbestellten Ergebnis. Wie es bei solchen Umfragen zugegangen sein kann, daran erinnerte 1987 als ehemaliger Demoskop der Kanzler-Kandidat Björn Engholm die "gnädige Frau" bei einem Gespräch in Wewelsfleth: "Wir haben klassische Tiefeninterviews gemacht, aber nicht etwa mit dem Bürger und der Bürgerin auf der Straße, sondern unter uns, und wir haben anschließend das Geld redlich geteilt und vertrunken".

Schade, daß die Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland sich nur dafür zu interessieren vermag, wie Noelle-Kollege Bisky "für eine Verstärkung der ideologischen Indoktrination von Jugendlichen im Freizeitbereich plädierte". Die gesammelten Plädoyers der viel tüchtigeren eigenen Meinungsforschungsmitarbeiterin wären spannender.

Erschienen in Ossietzky 17/2003