Aus der Welt der Technik

von Dietrich Kittner

Mein Freund G. benötigte dringend ein seltenes Ersatzteil für seine Badezimmerarmatur.
"Frag doch mal im Fachgeschäft," riet ich ihm.
"Ach wo, ich schau schnell mal ins Internet. Das ist einfacher."
Nach etwa anderthalbstündiger aufreibender Suche hatte er, wie ich anderntags erfuhr, die
Herstellerfirma glücklich gefunden und Kontakt aufgenommen.
"Und jetzt bekommst Du das Zeug?" fragte ich tief beeindruckt.
"Klar. Sie haben bestätigt, daß sie die Teile herstellen. Ich muß nur noch zum Installateur, die Sachen bestellen."
Jetzt schaut G. frohgemut eben mal schnell ins Internet, um ein Sanitärgeschäft in der Nähe seiner Wohnung zu suchen.

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Beim Suchen nach einer Telefonnummer fiel mir neulich auf, daß ich den einen oder anderen Eintrag in meinem praktischen elektronischen Organizer doch ein wenig unübersichtlich gestaltet hatte. Gleich nach dem Telefonat machte ich mich ans Werk, den Mangel zu beheben und den Daten eine klare, gefällige Ordnung zu geben. Es kostet ja eben doch jedesmal zwei bis drei Sekunden, wenn man einen Eintrag zwar schnell gefunden hat, ihn dann jedoch nicht auf Anhieb in allen Einzelheiten sofort überblickt. Rationalisierung ist wichtig, auch im kleinsten Detail.

Ein Eintrag zeugte den nächsten, ich kam aber trotzdem zügig voran. Als ich etwa ein Zehntel der formatierungsbedürftigen Daten geschafft hatte, sah ich zufällig auf die (eingebaute!) Uhr. Vier Stunden waren vergangen. - Dafür spare ich aber in Zukunft zusammengenommen bestimmt anderthalb Minuten jährlich ein, selbst in Anbetracht der Tatsache, daß ich dem Speicher natürlich nur die Telefonnummern entlocken muß, die ich nicht allzu häufig benötige. Die anderen weiß ich ohnehin fast alle auswendig.

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Bekanntermaßen können viele Leute ohne ihren PC nicht mehr leben. Der Besitz von Magneten wird daher vermutlich bald waffenscheinpflichtig.

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Freund G. hat sich für viel Geld ein neues Notebook zugelegt, das, wie er stolz berichtet, erheblich schneller arbeitet als der alte Schrott. Er braucht jetzt, sagt er, nur ein paar Abende, um es einzurichten und mit ihm vertraut zu werden.

Nächstes Jahr, sagt G. freudig erregt, komme ein neues, noch viel schnelleres Modell auf den Markt.

In zwanzig Jahren wird irgendein neuer Bill Gates das wirklich ultimative Kommunikationssystem entwickelt haben. Umweltfreundlich, störunanfällig, energiesparend, schnell, vor allem extrem bedienerfreundlich: Papier und Bleistift.

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Die weitaus meisten Autoren schreiben heute direkt in ihren trauten PC. Ich für meinen Teil bin - das gestehe ich hiermit - nicht ganz up to date. Die Erstfassung meiner Texte bringe ich noch immer altmodisch per Hand zu Papier, sommers am Brettertisch unterm Kirschbaum, wenn es draußen kalt wird, im Schreibkabuff, unterwegs notfalls schon mal auf der Hotelbettkante. Ich mag den Geruch der Computer nicht.

Unlängst fand sich in der Post das Schreiben eines Frankfurter Museums mit der Bitte um Überlassung dreier Original-Manuskripte zu Ausstellungszwecken. Christel - sie führt bei uns das Archiv - ging gelassen zum Regal, zog zwei Ordner und präsentierte prompt die drei gewünschten Urschriften: "Hai-Society" (1965), "Lied von den zweierlei Gewissen" (1967) und "Über das Wertfreie" (1970). Im Laufe der Jahre vergilbte Papiere, 15 handbeschriebene Seiten mit Streichungen, Anmerkungen, Alternativfassungen, teilweise auf der Rückseite von Programmzetteln notiert, manche schon eher Schmierzettel. So wie Texte eben wachsen. Die Frankfurter Museumsleute waren glücklich und zufrieden.

In einigen Jahrzehnten wird man zeitgenössische Original-Manuskripte nicht mehr ausstellen können, es sei denn in der Form glatt ausgedruckter Computer-Seiten. Oder will man Disketten an die Wand nageln, Festplatten in die Vitrinen legen?

So genießen wir Handwerker, längst in der Minderheit, doch wenigstens ein Monopol. Gemeinsam mit Hölderlin, Schiller oder Kafka natürlich.

Erschienen in Ossietzky 17/2003