Albrecht Müller, politischer Publizist. - In der Süddeutschen Zeitung schreiben Sie: "Es bleibt die Frage, weshalb die deutschen Meinungsmacher gegenüber dem dreisten Begehren, jetzt im Irak den USA militärisch und finanziell zu helfen, so auffallend aufgeschlossen sind. Das hat mit vielem zu tun - mit Dankbarkeit, mit ideologischer Nähe oder einfach mit Nachplapperei. Entscheidend ist wohl die Stärke der US-Lobby. Ihre Macht zur Beeinflussung der Meinung hierzulande ist traditionell groß." Da haben Sie ein interessantes Thema angesprochen, das üblicherweise beschwiegen wird. Als ehemaliger Berater Willy Brandts und Leiter der Planungsabteilung im Kanzleramt können Sie gewiß auch aus eigener Kenntnis einiges zu diesem Thema beitragen - nur zu!

Angela Merkel, CDU-Vorsitzende. - Die Welt am Sonntag wollte von Ihnen wissen, weshalb Ihnen so sehr an der Einführung eines neuen "Gebotes" gelegen ist, des "Lohnabstandsgebotes". Ihre Begründung: "Wer arbeitet, muß mehr in der Tasche haben als der, der nicht arbeitet und von staatlichen Transfers lebt." Außerdem müsse der Transferempfänger strikt dazu verpflichtet werden, sich nützlich zu machen, etwa durch Arbeit in öffentlichen Anlagen. Ein Gebot, als Pfarrerstochter wissen Sie das, braucht Allgemeingültigkeit. Also dürfen wir annehmen, daß demnächst die staatlichen Transferleistungen an ausgeschiedene ProfipolitikerInnen rapide gesenkt werden. Die müssen dann, wenn sie nicht auf Beraterverträge zurückgreifen können, vom abgesenkten Sozialhilfesatz leben und städtische Parkplätze reinigen.

Klaus Brandner, SPD-MdB. - Der Forderung Ihres Superministers Wolfgang Clement, das Renteneinstiegsalter auf 67 Jahre heraufzusetzen, stehen Sie, wie Sie der Presse bekanntgaben, "aufgeschlossen gegenüber". Sie sind wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, im Nebenjob IG-Metall-Funktionär. Als solcher wissen Sie, wie es auf dem Arbeitsmarkt für die Älteren aussieht. Wenn Sie ehrlich wären, würden Sie also sagen: "Ich stehe der Herabsetzung des Rentenniveaus aufgeschlossen gegenüber."

Wolfgang Clement, Reformator. - Nach einer Meldung von Associated Press sind Sie entschlossen, "heftige neue Sanktionen" einzuführen, wenn Bezieher des Arbeitslosengeldes II, das auf Sozialhilfeniveau abgesenkt werden soll, Jobangebote ablehnen. Jeder Arbeitsplatz solle künftig als "zumutbar" gelten, zum Beispiel "müsse ein Berliner akademischer Arbeitsloser einen Job in einer Putzkolonne in Westdeutschland annehmen" - "theoretisch", wie Ihr Ministerium erläuterte. So realitätsfern sind auch Sie nicht, daß Sie verkennen würden: Praktisch läuft das nicht. Aber Sie haben etwas anderes, durchaus Praktisches im Sinn: Die Arbeitslosenzahl soll statistisch verringert werden. Schließlich sind Sie - schon als ehemaliger Chefredakteur einer Boulevardzeitung (um nicht zu sagen eines Revolverblatts) - Fachmann fürs Mediale.

Kurt D., Singer in Santa Barbara. - Aus Ihrem kalifornischen Alterssitz mailen Sie uns immer wieder Überraschendes. Jüngst zum Beispiel erfuhren wir durch Sie vom Weiterwirken Trotzkis in der Bush-Administration: Der frühere irakische Trotzkist Kanan Maktya berate jetzt die Herren Cheney und Wolfowitz, zwar sicher nicht zwecks weltweiter permanenter Revolution, aber wohl zwecks weltweiter permanenter imperialistischer Kriegsführung. Dank für solche Spotlights und alle guten Wünsche fürs beginnende 93. Lebensjahr.

F. B., Ossietzky-Leser.- Per Internet erklären Sie zu unserer Frage nach den 100 deutschen Spezial-Soldaten, die seit 2001 in Afghanistan Terroristen gefangennehmen sollen: Es müsse nicht so sein, daß sie entweder Gefangene gemacht hätten, die aber bei Folterern in US-Diensten verschwunden seien, oder keine Gefangenen gemacht, sondern Verdächtige gleich getötet hätten oder ohne jeden Erfolg nur die Steuerzahler belasteten. Sie sehen als vierte Möglichkeit, daß diese Truppe, über deren Einsatz der Bundestag nicht informiert wird, gar nicht existiert und die ihr bewilligte halbe Milliarde Euro in dunklen Kanälen verschwindet. Fragen Sie doch bitte mal Ihren Abgeordneten, ob ihm das alles gleich ist.

Erschienen in Ossietzky 16/2003