Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Freundlicher Umgangvon Werner Standfuß Das Feuilleton gilt heutzutage als ein gar mächtiger Zeitungsteil, doch es ist auch ein journalistisch-literarisches Genre, eine feine, gefeilte Kurzprosaform. Feuilletons schrieben Victor Auburtin (1870-1928) für Theodor Wolffs Berliner Tageblatt, Alfred Polgar (1873-1955) für Ossietzkys Weltbühne, Heinz Knobloch für die DDR-Zeitung Wochenpost. Fünf Jahre nach deren gewolltem Ableben gehört diese schon zu den beachteten Periodika des vorigen Jahrhunderts. Heinz Knobloch war 1953 einer ihrer Gründungsredakteure und hielt ihr bis zum Rentenalter die Treue. "Unterm Strich" auf Seite 22 hatte er seine berühmte und berührende Rubrik, die "Mit beiden Augen" hieß. Woche für Woche erschienen von Dezember 1968 bis Februar 1987 genau eintausend Feuilletons, ohne Lücke, auch wenn der Autor krank oder auf Reisen war. Darin, mit 27 Jahren Dauer, übertraf ihn nur Daniel Spitzer (1835-1893) mit seinen "Wiener Spaziergängen". Doch welcher Feuilletonist vor Knobloch hatte jede Woche über eine Million Leser? So hoch war die Auflage der Zeitung, nach der man sich - Mittwoch früh gab es sie - anstellte und die nicht nur einer allein las. Zudem wurden diese und andere Texte in vielen Büchern gedruckt, die sich schnell verkauften. Meine liebsten Knobloch-Bücher sind "Herr Moses in Berlin" (1979), über Moses Mendelssohns und unser Leben, und "Sündenfälle" (1970), eine sorgfältige Auburtin-Edition. Ich habe ein Exemplar, in das hat Heinz Knobloch am 17. Oktober 1970 die Widmung geschrieben: "Feuilletons wie diese halten uns am Leben." Das hängt mit Anschauung, Geist und Poesie zusammen. Knobloch hatte nie ein Auto, er konnte immer gehen, sehen und weit in die Welt fahren, zuerst als Deserteur nach Amerika und Schottland, später nach Ägypten und Lettland und Israel, immer wieder in die Tschechoslowakei, nochmals in die Normandie, in die USA, ins Schottische. Seine gute Frau Helga ermöglichte ihm sein intensives Berufsleben, wie er dankbar vermerkte. Er hatte etwas mitzuteilen und sich mitzuteilen. Ihm gelang eine Art Wohlbewußtsein, ein heiteres Darüberstehen wie Fontane. Aber er meinte es ernst, er war ein Moralist. Grenzen waren für ihn Leben und Tod, nicht der Raum und nicht die Zeit, in denen Weite und Tiefe Platz haben und manche Kapriolen, doch nicht das allzu beliebte Beliebige. "...ich wollte freundlichen Umgang miteinander befördern, Humanismus und Lebensweisheit, Allgemeinbildung mit Blick in die Vergangenheit und die Welt", schrieb er auf einem "Dankzettel". Noch ein Superlativ, eintausend, eine Million, diesmal ungezählt: Ich kenne keinen Menschen sonst, der so viele Bücher aus so vielen Bibliotheken ausgeliehen, gelesen und in ihnen geforscht hat. Unter den Linden in Berlin hat man Knobloch schon zum "Ehrenleser auf Lebenszeit" ernannt, was freilich 1992 unterbunden wurde (es steht nicht im Einigungsvertrag). Und er verschenkte viele Bücher, gekaufte. 1966 gab er mir die Kafka-Ausgabe der DDR, 1968 brachte er mir Bulgakows "Meister und Margarita" mit. Für Freunde tat er alles. Mit Freunden aß und trank er gern, gut und gepflegt, gastfreundlich und großzügig. Und viele Schreibende im Lande verdanken ihm Anregung, Starthilfe, Gedrucktwerden. Selbst Reiner Kunze, als niemand etwas von ihm nahm, wurde dank Knobloch in der Wochenpost von 1969 bis 1974 gedruckt: 135 Rezensionen unter den Pseudonymen Jan Kunz und Alexander Ludwig (nach Alexander Dubcek und Ludvik Svoboda). Eines, etwas Lebensentscheidendes, ist mir erst später bewußt geworden. Wir lebten mit Spitzeln im Nacken. Das wußten wir, aber sie beherrschten nicht unser Denken und Handeln. Heinz Knobloch und ich waren damals Kollegen und befreundet. Als ich nach Berlin kam und wir Vertrauen zueinander gefaßt hatten, sagte er, "sie" würden auch zu mir kommen, "sie" kämen zu jedem von uns, und ich solle dafür gewappnet sein, mich darauf einstellen. Er sagte nicht wie. Doch vorbereitet fiel es mir leichter, bei drei Besuchen dreier Herren zur Anwerbung dreimal strikt Nein zu sagen. Und in der Zeitung lügen mochte ich nicht mehr. Aus meiner Lebenskrise wählte ich einen anderen Weg. Ich wurde Chemiearbeiter, Buchhändler und auch Literaturkritiker. Einen Kompromiß kannte ich nicht - Knobloch kannte ihn auf andere Weise nicht. Auch nach 1990 gibt es Bücher von Heinz Knobloch, vor allem die autobiographischen Feuilletons "Von Dresden nach Tennessee" und "Mein Leben zwischen den Zeilen" (Transit Buchverlag, zuletzt als Fischer Taschenbuch). Den PEN-Vorsitz übte er kurze Zeit aus, das Getöse um die Verurteilungen war ihm zu groß. Er wurde ruhiger, und es wurde ruhiger um ihn. Das hängt mit seinen Lebens erfahrungen und mit seiner Weitsicht zusammen. Er war eben kein Opportunist und kein Kompromißler. Kein weinerlicher Heinz Czechowski. Kein politikloser Wulf Kirsten. Kein tragisch blau-weiß-schwarzer Reiner Kunze, der Herkunft und Freunde vergessen hat. Kein Jesuit, der auf die Kirche schimpft. Eine Leserin schrieb 1990 an die Wochenpost: "Die Feuilletons von Herrn Knobloch las ich besonders gern. Vor allem das, was zwischen den Zeilen stand." Damit werden östliche Leser heute gern gescholten: Sie hätten ja eigentlich gar nicht die Schrift lesen können, sondern nur die Luft dazwischen. Ja, aber besteht Literatur nicht darin, daß sie berührt und ergreift und leben hilft mit dem, was zwischen den Zeilen, aus den Zeilen heraufsteigt? Wie soll der Schriftsteller sonst Anschauung, Geist und Poesie, was er aus seinem Leben zu geben hat, befördern?
Erschienen in Ossietzky 16/2003 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |