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Penck, inzwischen im Westen berühmt, tauchte 1961 mal in einem gleich verbotenen Film von Jürgen Böttcher auf, "Drei von vielen", in dem der Dokumentarist Dresdner Malerfreunde porträtierte. Mit seinem Film "Kurzer Besuch bei Hermann Glöckner" erinnerte Böttcher dann 1985 an den unter den Nazis wie in der DDR Außenseiter gebliebenen Konstruktivisten, der ein Jahr nach den Dreharbeiten nach Westberlin ging, wo er 1987 im Alter von 98 Jahren starb. Böttcher blieb als berühmter Dokumentarfilmer und widmet sich seit der "Wende" unter seinem Pseud onym Strawalde wieder ganz der Malerei. Den Film eines anderen aufmüpfigen DDR-Künstlers kann man in einem schwarzen Gehäuse ebenfalls gleich hinter dem Eingang zur Neuen Nationalgalerie sehen: "Hommage á La Sarraz" von Lutz Dammbeck, der Mitte der achtziger Jahre nach Hamburg ausreiste und heute an der Dresdner Kunstakademie lehrt. Der Titel bezieht sich auf ein Schloß in der Schweiz, wo sich 1929 Vertreter der Avantgarde trafen, unter ihnen Eisenstein und Hans Richter, die dort ein Manifest gegen die Konventionen des bürgerlichen Kinos zu Papier brachten. Ich sah diesen und andere Experimentalfilme von Malern und Grafikern 1982 am Rande des traditionsreichen Internationalen Leipziger Dokumentarfilmfestivals. Auch da war Böttcher alias Strawalde dabei: mit einem Triptychon "Potters Stier - Venus nach Giorgone - Frau am Klavichord", Übermalungen von Postkarten seiner Renaissance-Lieblingsmaler Paulus Potter, Giorgone und Emanuel de Witte. Ein doppelt subversiver Akt: Bekannte sich sein Schöpfer doch damit zu seinem in der DDR offiziell unterdrückten alter ego als Maler und konnte dies sogar als Produktion des DEFA-Dokumentarfilmstudios realisieren. Meine déja-vu-Erlebnisse schon beim Eintritt in die Ausstellung "Kunst in der DDR" erhellten also gleich die ganze Komplexität dieses Themas. Und die Black box DDR, in der Dammbecks Film zu sehen ist, weckte auch noch eine andere filmische Assoziation. Sie ließ mich an Andres Veiels Dokumentation "Black box BRD" denken, die sich differenziert mit dem Phänomen "Terrorismus in Westdeutschland" auseinandersetzt - durch das Sommertheater um die geplante RAF-Ausstellung gerade wieder aktuell geworden. Die Aufregung um die Absicht der Projektanten, zu untersuchen, "Welche Ideen, Ideale haben ihren Wert durch die Zeit behalten und können nicht als naiv abgetan werden?", kam ausgerechnet von Leuten, deren Ideale einzig Geld und die eigene Karriere sind. Ihr Ruf nach Zensur ist nicht so weit entfernt von der Beschränktheit dogmatisierter DDR-Funktionäre, die alles, was nicht in ihr Weltbild paßte, indizierten. Die dadurch der Kunst angelegten Fesseln lockerten sich allerdings zunehmend in den achtziger Jahren, wovon die Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie Zeugnis ablegt. Manches, was da von den kompetenten Kuratoren Roland März und Eugen Blume an 400 Exponaten von 145 Künstlern zusammengetragen wurde, sah ich damals schon in offiziellen Kunstausstellungen der DDR. Anderes freilich - hier lose chronologisch (beginnend 1945), thematisch oder nach Stilrichtungen und Kunstzentren wie Leipzig, Dresden und Berlin in zwanzig Stationen geordnet - hatte damals seinen Platz nur in den Nischenfreiräumen, die, böswilligen westlichen Nach-"Wende"-Vereinfachern zum Trotz, eben immer auch existierten, in den späten achtziger Jahren sogar halböffentlich. Malverbote und der NS-Ausstellung "Entartete Kunst" Vergleichbares gab es nicht, auch wenn Ulbricht einmal räsonnierte: "Wir wollen in unseren Kunstschulen keine abstrakten Bilder mehr sehen. Wir brauchen weder die Bilder von Mondlandschaften noch von faulen Fischen." Aber das war zur Zeit der sowjetisch oktroyierten unsäglichen Anti-Formalismus-Kampagne 1951, als man übrigens in der Bundesrepublik umgekehrt alles Gegenständliche boykottierte. Dem kleinbürgerlichen Kunstgeschmack der SED-Oberen paßten sich auch die sogenannten Staatskünstler immer weniger an. Mit der ohnehin nebulösen Kunstdoktrin des "Sozialistischen Realismus" hatten die stilistisch völlig unterschiedlichen meisten Arbeiten der gern als "Viererbande" apostrophierten Sitte, Heisig, Mattheuer und Tübke (der übrigens 1968 als Hochschullehrer entlassen wurde) nichts gemein. "Staatskünstler" war ein Kampfbegriff der westdeutschen Diffamierung aller kulturellen und intellektuellen Leistungen der DDR-Eliten mit der Folge, daß Kunstwerke nach 1989 in Depots entsorgt wurden und Bücher auf Müllhalden landeten. Wer macht Goya, Michelangelo, Leonardo da Vinci und anderen großen Künstlern der Vergangenheit zum Vorwurf, daß sie Hofmaler waren und Aufträge von Papst und Fürsten entgegennahmen? Ausstellungen von DDR-Kunst fanden in den letzten zehn Jahren meist unter bewußt negativen Vorzeichen statt, gipfelnd in der einen "Bilderstreit" auslösenden Schau in Weimar 1999. Als Antwort auf solche Vorgänger vermittelt die Ausstellung "Kunst in der DDR" (bewußt nicht: "der DDR") nun einen Eindruck von der auch für Einflüsse aus dem Westen offenen Vielfalt jener Kunst und weiß sich bei kaum vermeidbaren Lücken allein (natürlich auch immer subjektiven) ästhetischen Kriterien verpflichtet. Mehr zufällig steht sie in einem auf Grund ihrer langen Vorbereitungszeit nicht vorausgeahnten Kontext wiedererwachten und nun 13 Jahre nach der Vereinigung unvoreingenommeren Interesses an der DDR. Vielleicht nicht ganz zufällig wirbt das Ausstellungsplakat mit einer Reihe von Lenin-Köpfen, wie sie als Pop-Art-Collage des Dresdner Künstlers Willy Wolff zum 100. Geburtstag des Sowjetstaatsgründers (1970) in der Neuen Nationalgalerie hängt. Auslöser der jetzt als neue Medienmode daherkommenden Ostalgiewelle war schließlich der Film "Good bye, Lenin!" des westdeutschen Regisseurs Wolfgang Becker. Seit seiner Uraufführung auf der Berlinale 2002 hat dieser gelungen zwischen Komik, Ironie und Melancholie balancierende filmische DDR-Rückblick eine beispiellose Karriere gemacht. Er wurde in 65 Länder verkauft. In Deutschland-Ost und -West sahen ihn bis heute über sechs Millionen Kinogänger. Da sich die DDR also offensichtlich gut vermarktet, zieht bald das Privat-TV nach und macht den bis dato ungeliebten Staat zum Show-Objekt, präsentiert von Katharina Witt. Ernsthafter versucht die Bundeszentrale für politische Bildung den neuen Trend zu nutzen. Mit Filmvorführungen, Ausstellungen, Diskussionen und Rock-Konzerten gedachte sie dieser Tage der Weltjugendfestspiele von 1973 in Ostberlin. Das bunte Spektakel mit über 25 000 Jugendlichen aus 140 Ländern, bei dem sogar die damaligen Jung-Unionisten Diepgen und Landowsky auf dem Alex diskutieren durften, löste damals in der DDR fast ähnliche Hoffnungen aus wie der Prager Frühling, die sich freilich bald als Illusion erwiesen. Ebensowenig werden sich wohl auch mögliche Erwartungen erfüllen, daß die neue Beschäftigung mit der DDR neues Nachdenken über unsere entpolitisierte Gegenwart fördern könnte, in der erst das Verschwinden des einstigen Kontrahenten im "Wettstreit der Systeme" heutigen Sozialabbau ermöglichte. Auch die jetzt plötzlich stattfindenden, jedesmal ausgebuchten Führungen durch die innere Ruine des seit 13 Jahren geschlossenen Palasts der Republik ändern nichts an dem Plan, das letzte Symbol der DDR durch den Wiederaufbau des Stadtschlosses als Symbol für die vollendete Restauration zu schleifen. Ein Berliner Stadtmagazin bündelte die jüngsten DDR-Erinnerungen zwischen Neuer Nationalgalerie und Palast zu dem Titel "Die Zone lebt". Die Wortwahl war dem Kalten Krieg entlehnt. Und wie um zu beweisen, daß auch der noch lebt, schossen sich die übrigen Medien mit altbekannten Stasi-Diffamierungen zeitgleich auf den neuen PDS-Vorsitzenden Lothar Bisky ein. Der Streit um das Bild der DDR geht weiter. "Kunst in der DDR", Neue Nationalgalerie Berlin, 25. Juli bis 26. Oktober 2003, täglich außer Montag. Katalog G + H Verlag Berlin, 360 Seiten mit 237 Abbildungen, an der Museumskasse 22 e
Erschienen in Ossietzky 16/2003 |
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