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Nach der zustimmenden Bundesratsentscheidung im Mai 2001 jubelte er mit Balkenüberschrift: "›Riester-Day‹ - Herr Kaiser startet zu einer Großoffensive" - anspielend auf den Werbespruch der Hamburg-Mannheimer-Lebensversicherung "Hallo, Herr Kaiser!". Zustimmend zitierte Doemens den damaligen SPD-Sozialminister von Rheinland-Pfalz, Florian Gerster (inzwischen aufgestiegen zum Vorstandsvorsitzenden der Bundesanstalt für Arbeit): "Riesters große Leistung ist der Schritt in das Neuland einer aus Umlageverfahren und Kapitaldeckung kombinierten Altersversorgung. Das ist ein echter Paradigmenwechsel." Im Kommentar lobte Doemens die Umstellung als "wesentlichen Schritt zu mehr Ehrlichkeit zwischen den Generationen" und prophezeite, daß in ein paar Jahren jeder verpflichtet werden müsse, eine Kapitalrentenversicherung abzuschließen. "Auf das gesetzliche Ruhegeld alleine kann man sich nicht verlassen." Das sage jetzt endlich auch "eine sozialdemokratische Regierung erstmals offen". Pikanterweise mußte die Wirtschaftsredaktion der FR inzwischen mitteilen, daß als erste der größeren Lebensversicherungsgesellschaften ausgerechnet die von Doemens damals beglückwünschte Mannheimer Gruppe vor der Pleite steht: "In der Versicherungsbranche tritt der Notfall ein - Verträge der ›Mannheimer Leben‹ werden in Auffanggesellschaft überführt". Infolge der Kurseinbrüche bei den Aktienbeständen fehlen den Mannheimern 400 Millionen Euro, die 1180 Angestellten werden sich wohl beim Arbeitsamt melden müssen; die rund 350 000 Lebensversicherungsverträge gehen an die Protektor über, eine erst im vorigen Jahr auf Betreiben der Bundesregierung gegründete Auffanggesellschaft für zahlungsunfähige Versicherungsgesellschaften. Ob die Verträge dort auch zum Zeitpunkt der Auszahlung noch sicher bedient werden, wird man bezweifeln dürfen. Denn die nächste Pleite ist vorprogrammiert: Die Rating-Agentur Fitch hat festgestellt, daß in Deutschland über 40 Lebensversicherer nicht mehr so viele Aktien- und andere Werte ausweisen, wie sie an Auszahlungszusagen gegeben haben. 45 bis 50 Milliarden Euro fehlen zur Zeit. (FR 27.6.03) Nicht Karl Doemens, sondern ein Kollege mit dem Kürzel mrm kommentiert jetzt einsichtig: "Die Defekte (der kapitalgedeckten Lebensversicherungen) sind (...) auch auf eine Lebenslüge zurückzuführen: die Mär von der Überlegenheit des sogenannten Kapitaldeckungsverfahrens über das staatliche Umlageverfahren. Die Anlage in Wertpapieren, so versuchten die Apostel dieser Glaubensrichtung bis hin zu Sozialminister Walter Riester der Bevölkerung einzuhämmern, werde alle Rentenprobleme aus der Welt schaffen. Pustekuchen: In allen Ländern, die auf solche Systeme setzen, seien es die USA, Großbritannien oder die Niederlande, stecken die private oder die betriebliche Altersvorsorge seit dem Börsen-Crash in gewaltigen Schwierigkeiten. Sie sind nicht zufälliger, sondern systemischer Art. Denn auch Erträge aus der Kapitaldeckung können auf Dauer nicht stärker wachsen als die Gesamtwirtschaft. Darüber hinausgehende Überschüsse sind nur um den Preis eines höheren Risikos möglich. Es wäre schon viel gewonnen, würden sich Versicherungswirtschaft und Politik auf diese Binsenweisheit besinnen und den Leuten nicht länger Sand in die Augen streuen." mrm sollte zunächst einmal seinen Kollegen Doemens davon abhalten, den Leuten weiter Sand in die Augen zu streuen. Dieser hat noch vor kurzem zustimmend darüber berichtet, daß die Rürup-Kommission sowohl bei der Pflegeversicherung wie auch im System der Krankenversicherung auf Umstellungen in Richtung privater Vorsorge mit Kapitaldeckung setzt. Anschließend täte mrm gut daran, die ganzseitigen Anzeigen in allen großen Tageszeitungen, auch in der Frankfurter Rundschau, zu kommentieren, wo die privaten Krankenversicherungen ihre Lügen verbreiten dürfen: "Bei immer mehr alten Menschen und immer weniger jungen Menschen werden wir ohne Rücklagen nur leere Kassen haben. Die wachsende Finanzierungslast müssen dann unsere Kinder tragen." Und dann fett gedruckt: "Generationengerechtigkeit: Die privaten Krankenversicherungen bilden seit Jahren Rücklagen. Bis heute stehen dafür 76.000.000.000 Euro zur Verfügung, und es werden Jahr für Jahr mehr. Unsere Kinder werden später nicht belastet. Das ist wirkliche Solidarität. Die private Krankenversicherung hat die Lösung für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen schon heute." Müßte nicht die FR einmal nachrecherchieren, ob das mit den 76 Milliarden Euro Rücklagen bei den privaten Krankenversicherungen auch heute - nach dem Börsendesaster - noch stimmt? Und den Mißbrauch unserer Solidaritätsgefühle für unsere Kinder zurückweisen? Zumindest ihr Redakteur mrm scheint doch zu wissen, daß Kapitalrückstellungen nur dann etwas bedeuten, wenn "die Gesamtwirtschaft" in den kommenden Jahrzehnten die Auszahlung zuläßt, also wenn nicht weitere Börsen-, Immobilien- oder Währungszusammenbrüche die private Kapitalvorsorge dahinschmelzen lassen wie jetzt die Sonnenglut manchen Gletscher. Nur unsere Kinder und Enkel werden dann durch ihre Arbeit entscheiden, ob sie als Kapitalknechte nur jene mit Heilung und Pflege bedienen, die sich den Aufbau solcher Privatversicherungen leisten konnten, oder ob sie solidarisch für alle Kranken und Hilfebedürftigen einstehen. Renten, Pflege- oder Krankheitskosten sind in jedem Fall aus dem aktuell zu erarbeitenden Bruttoinlandsprodukt aufzubringen - sei es im solidarischen Umlageverfahren oder über Kapitalverpflichtungen, die nur so viel wert sind, wie von der Mehrwert schaffenden Arbeit abzuschöpfen ist. Private Kapitalversicherungen haben dabei den gravierenden Nachteil, daß jede Krise ihren Bestand gefährden kann; das Umlageverfahren ist dagegen kaum anfällig. Wir Heutigen können nur Weichen stellen - und die zeigen immer mehr in die falsche Richtung.
Erschienen in Ossietzky 16/2003 |
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