Rita Rosmarin, Bankgeheimnisse

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Bankgeheimnisse

Mein Vermögensberater bei meiner Beraterbank (ich sage aber nicht, wie sie heißt - Bankgeheimnis) hat mir empfohlen, mich von meinen Ford-Anleihen zu trennen. 15 000 Euro hatte ich in diesen Papieren angelegt, mehr als vier Prozent Zinsen bekam ich dafür, und damit war ich unter den heutigen Verhältnissen zufrieden. Aber nun sagt mir mein Vermögensberater, eine der großen Rating-Agenturen habe Ford wegen der hohen Schulden des Konzerns ungünstig bewertet; es erscheine fraglich, ob der Automobilkonzern noch lange in der Lage sei, seine Gläubiger - also auch mich - zu bedienen.

In den vergangenen Jahren hatte mein Vermögensberater bei meiner Beraterbank mir geraten (wie es auch Manfred Krug und Charles Brauer getan hatten), meine Ersparnisse von damals 120 000 Mark für Telekom-Aktien zu verwenden. Das hatte ich kühn abgelehnt - hauptsächlich wegen der massiven Werbung, die mich mißtrauisch machte. Dann war ich aber dem Berater-Rat gefolgt, das Geld in einen Aktienfonds einzuzahlen, um an der durchschnittlichen Wertsteigerung an der Börse teilzuhaben. Leider hatte ich seitdem an der durchschnittlichen Wertsenkung teil.

Voriges Jahr, als ich mich bei meinem Vermögensberater, von dem ich mir die Mehrung meines Vermögens erhofft hatte, über dessen Minderung beklagte, schlug er mir vor, zwar keinesfalls ganz aus dem Aktienfonds auszusteigen, denn der Aufschwung komme bestimmt, aber einen Teil des verbliebenen Wertes in Anleihen anzulegen. Sicherer als Anleihen von Konzernen wie Ford seien nur Staatsanleihen, nur nicht so ergiebig. Also kaufte ich Ford-Anleihen - wozu mich, ich gestehe es, auch die kriegerische Politik der Regierung Bush ermutigte, denn im Krieg müssen bekanntlich viele Räder rollen. Ich fühlte mich, selbstverständlich ohne alle bösen Absichten, schon als Rüstungsprofiteurin.

Doch nun ängstigt mich mein Vermögensberater. Bis vor kurzem wußte ich noch gar nicht, was Rating-Agenturen sind, aber was er mir über ihre Macht sagt, macht Eindruck: Wenn Ford nur noch ein kleines bißchen ungünstiger eingestuft werde als jetzt, gelte der Konzern nicht mehr als würdig für staatliche Aufträge. Und dann könne auch der größte, noch so traditionsreiche und berühmte Konzern zusammenbrechen.

Ich überlege: Wenn die Beraterbank allen Kunden, denen sie Ford-Anleihen verkauft hat (mit hübscher Provision, versteht sich), dasselbe empfiehlt wie mir (die Rückgabe brächte ihr wieder eine hübsche Provision ein), dann könnte das die finanziellen Probleme in Detroit vergrößern - oder? Ist das beabsichtigt? Wer spekuliert gegen Ford? Warum? Wäre es töricht, nämlich früher oder später zu meinem Nachteil, wenn ich mich für eine solche Spekulation hergäbe?

Kunden, die nicht 50 000, sondern 50 Millionen Euro anzulegen haben, werden bei der Bank von anderen Beratern beraten. Bekommen sie auch anderen, ganz anderen Rat?

Man weiß so wenig - trotz oder vielleicht sogar gerade wegen der professionellen Vermögensberatung durch die Beraterbank. Und man träumt von so schnellen Gewinnen wie denen, von denen ich neulich las: Wenige Tage vor dem 11.9.01 wurden in den USA plötzlich massenhaft "Put-Optionen" einiger Firmen gekauft, deren Aktien nach den Anschlägen vom 11.9.01 ebenso plötzlich abstürzten. Je tiefer der Sturz einer Aktie, desto höher der Gewinn der "Put-Optionen". Das heißt: Die Käufer dieser Optionen verdienten kräftig am Kursverlust der Fluggesellschaften American Airlines und United Airlines und einiger in den Twin Towers ansässiger Firmen. Wer die Käufer waren, ist bis heute nicht ermittelt - Bankgeheimnis.

Eigentlich träume ich doch lieber den alten Traum von gemeinwirtschaftlichen Fluggesellschaften, Bahn, Post, Banken und Versicherungen, von demokratischen Investitionsentscheidungen und von Abrüstung. Und wenn ich keine kapitalistischen Krisen mehr befürchten müßte, wäre ich auch mit einem sehr niedrigen Zinssatz auf meine Ersparnisse zufrieden. Aber ich weiß: Diesen Traum darf man nicht öffentlich aussprechen. Er bleibt mein Geheimnis. Nie würde ich mich bei meiner Beraterbank dazu bekennen - ich als Vermögensanleger.