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Die PDS gehört dazu, ob sie will oder nicht. Doch wer weiß denn, was sie will? Wer verspürt schon Lust, zeitungslange Papiere zu lesen? Leitartikel begleiten den Absturz der Partei ins Sektenwesen. Wenn 100 deutsche Linke zusammentreten, ist es ein Treffen von lauter Generälen, und keiner hat einen Soldaten dabei. Sie hinterlassen jedoch zentnerweise Gedrucktes. Die PDS ist pluralistisch wie eine Zwiebel, lauter Schichten und kein Kern. Die verschiedenen Schichten tragen Schlagworte gleich Fahnen vor sich her und sind gegeneinander Antikapitalisten, Erneuerer, Betonköpfe, Reformer, Kommunisten, Marxisten, Scharlatane, Sozialdemokraten, Junge oder Alte und was es an bourgeoisen Einflüsterungen noch alles geben mag. Im übrigen trägt jeder PDSler einen Marx-Satz bei sich wie der Soldat seine Braut, das Gewehr, mit dem auf den Feind geschossen wird. So werden die Bräute entfremdet und fetischisiert. Schlag nach bei Marx. Es ist einleuchtend, daß eine Antikriegspartei sich im Kriegsfall beim Oberkrieger für den Pazifismus einiger ihrer Genossen entschuldigen muß. Es ist klar, daß sie, säuft das Land weiträumig in einer Flut ab, nicht durch Eigeninitiative beim Retten stören will. Und ist Streik angesagt, kümmert die Partei sich eifrig um ihr Programm, das ihr so wichtig ist wie den Katholiken die letzte päpstliche Enzyklika. Die Spatzen pfeifen's von den Dächern: Dem Land steht eine Große Koalition bevor. Schon jetzt streiten die Parteien nur noch um Personen und Pöstchen. In der Politik herrscht stabilisierende Einigkeit: Reiche bereichert euch per Verarmung der Armen. Der Skandal ruft nach Opposition, aber das Parlament ist oppositionslos. Welche Chancen für eine sozialistische Partei. Doch die ist ausgeschieden. Was für ein Glücksfall. Denn wogegen sollte sie im Bundestag protestieren, wo sie doch hauptsächlich gegen sich selbst protestiert. In zwei Bundesländern regiert sie einvernehmlich mit der SPD, gegen die sie als sozialistische Partei im Parlament opponieren müßte. Zugegeben, das alles und noch mehr läßt sich machen. Die Frage ist nur, wie es gemacht wird. Man wird sich wohl mal entscheiden müssen, Fisch oder Fleisch zu sein, links oder rechts, oben oder unten beziehungsweise die ewige Mitte. Vom Fünf-Prozent-Wahlergebnis auf vier oder drei, wenn nicht zwei Prozent abzusteigen, ist auch eine Strategie. Akademische Sektenführer, die aufs Parlament verzichten und der außerparlamentarischen Aktion den Vorzug geben, die sie zugleich proklamieren und unterlassen - diese Radikalrevolutionäre wußten schon immer: Parlamente verderben den Charakter. Die Füchse hängen die Trauben so hoch, daß sie gar nicht erst rankommen. Die SED siegte sich zu Tode. Havemann verteufelte Harich, bis er selbst zum Harich gemacht wurde. Biermann avancierte zum Helden der jungen DDR-Oppositionellen, als er seine Antikriegshaltung längst durch Kriegslieder dementierte. Gorbi erhielt in der DDR brausenden Volks-Applaus, als er den Staat für'n Appel und drei Groschen an Kohl verhökerte. Die PDS erhob sich 1989/90 wie Phönix aus der DDR-Asche. Ab Mitte der neunziger Jahre hielt sie erschrocken inne, fühlte sich etabliert und vermißte das altvertraute Gefühl der Verspätung, dem Genossen so gewohnt wie dem Eisenbahnbenutzer. Etwa ab 1995 folgte die PDS dem Modell der westlichen 68er, die den Auf- und Abstieg innerhalb zweier Jahrzehnte vorspielten. In zwanzig Jahren ist alles vorbei. Die Sprecher machen Karriere oder stürzen ab. Der Rest ist Literatur. Durchdacht ist das allerdings nicht. In der PDS herrscht seit dem Nachlassen des äußeren Drucks der Konflikt zwischen Leitung und Basis. Die Leitung hat mehr Informationen und reserviert sie für sich. Gysi disziplinierte die murrende Basis, bis er es satt hatte und sich mehrstufig zurückzog. Eine größere Gruppe der Partei hört lieber Sahra Wagenknecht zu, die gern scharf redet und wenig handelt. So entstanden das Desaster bei der letzten Bundestagswahl und der Basis-Aufstand auf dem Parteitag in Gera mit all den fatalen Folgen, die der Sonderparteitag in Berlin jüngst zu korrigieren suchte. Die nächste Niederlage der netten GenossInnen steht schon fest im Programm. Man kann der PDS nicht mangelnden Pluralismus vorwerfen. Sie möchte überall dabei sein und glänzt durch Fehlanzeigen. Denn die Partei hat einen intellektuellen Konflikt. Ihre ehemaligen kommunistischen Partner haben sich international meist als Sozialdemokraten maskiert, doch der USA-dominierte Kriegsglobalismus läßt den Sozis keinen Raum mehr zum Luftholen. Also verwandeln sich die siegreich gewesenen Sozialdemokraten in andeutend widerstrebende Opportunisten, und ihr linker Flügel bemüht sich um widerständiges Image, bis er klein beigeben muß. So nimmt die sozialdemokratisch geführte Bundeswehr ihre Heimatverteidigung heute am Hindukusch und morgen in Bagdad, wenn nicht Teheran wahr. Der Verteidigungsminister war, wie sein Vorgänger im Amt, ein passabler Sozi mit linken Neigungen, wo nicht gar linkem Charakter. Verdirbt also Karriere Charakter, Mann wie Frau? Da hat die SPD wie die PDS wohl ihre intellektuellen Schwierigkeiten. Wenn eine Partei ihre erklärten Ziele nicht durchsetzen kann und, um an der Macht, nein an der Regierung zu bleiben, die Ziele ihrer politischen Gegner zu realisieren sucht, dann schrumpft die Führungsriege ein zur Negativauslese. Der Rest sind die brüderlichen Antagonisten Lafontaine und Gauweiler in der Bild-Zeitung. Fehlt nur noch Gysi als Dritter im Bunde. Vom Kommunisten zum Kolumnisten, und das Boulevardblatt ist die endgültig letzte Volksopposition geworden. Wir wollen ganz ernsthaft bleiben. Was also ist los mit der PDS? 1. Sie vernachlässigte systematisch ihre Ostbasis, will auch im Westen etwas werden, straft aber die zugelaufenen linken Sozis Dehm und Hiksch abschreckend ab. 2. Sie pflegt nicht die verwundete Seele der Partei. 3. Sie mißachtet ihre Mitglieder und verunsichert ihre Wähler. 4. Sie ist uninteressiert an Intellektuellen, die das auch bleiben möchten. 5. Die Reflektionsunfähigkeit ihrer gewählten Spitzen gleicht derjenigen der SPD. 6. Sie leidet wie die SPD an einer Innovationsblok kade. 7. Sie bezeichnet sich als pluralistisch, scheitert aber ständig am Meinungsstreit. 8. Sie spaltet sich in Pragmatiker und Ideologen, in Erneuerer und Altgläubige, so daß statt Diskurs nur Gezänk mit gegenseitiger Verachtung entsteht. 9. Sie schämt sich, ihre Vergangenheit mit SU und DDR als letzten Akt der kommunistischen Tragödie zu akzeptieren und zu überwinden. So beleidigt sie ihre Altgenossen, ohne den Jüngeren aufzuhelfen. 10. Sie ist nicht Fisch und nicht Fleisch, aber gleichzeitig zu wenig radikal und libertär. 11. Ihre Kommunisten gleichen Mäusen, die den Elefanten Revolution predigen, und ihre Spitzenpolitiker ängstigen sich vor den Notwendigkeiten der Popularität, weil man sie "Populisten" schimpfen könnte. 12. Die Partei hat keine Philosophie. Soweit aber doch, sind es Rudimente von gestern. 13. Keine Kommunisten mehr zu sein und keine Sozis sein zu wollen, ist zu wenig für die essentielle Oppositionsrolle, die benötigt wird, weil der Bundestag zum Parlament ganz ohne Opposition geworden ist, woran auch zwei einsame PDSlerinnen nichts ändern können. 14. Die Berliner Republik ist wie Europa dabei, den Pluralismus abzuschaffen. Mit dem Ende des sowjetischen Diktatursozialismus wurde aber der Weg für alternative sozialistische Energien frei. 15. Die PDS brauchte sich ihrer Herkunft nicht zu schämen, denn die Geschichte des Kommunismus ist eine Heldengeschichte. Helden aber opfern andere und werden zu Opfern. Die Chance der PDS besteht in ihrer Fähigkeit zur Alternative. 16. Das Land braucht keine neue Partei ohne differenzierende Alternative. 17. Nicht Revolution ist die Devise, sondern revolutionierende Reformation. Jeder der vorstehenden 17 Punkte bedürfte der Begründung. Demnächst in diesem Theater.
Erschienen in Ossietzky 15/2003 |
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