Zerstörer-Kultur

von Otto Köhler

Es gibt zwei Arten, die Kultur einer Stadt kaputt zu kriegen. In Köln macht man das so, daß der Bürgermeister über seine eigentlich zuständige Kulturreferentin hinweg eigenhändig alles kulturelle Leben erwürgt, was ihm zwischen die Finger gerät. In Hamburg macht der Bürgermeister das vornehmer: durch Nichtstun. Da brauchte Ole von Beust, der unter seinem Stellvertreter Ronald Barnabas Schill die Stadt regiert, erst einmal mehrere Monate, bis er endlich eine Kultursenatorin fand, die hinreichend unfähig war: Dana Horáková, die ehemalige Bild-Redakteurin. Der überließ er mit großem Erfolg die ganze Drecksarbeit. Dafür bekommt sie nun - als Prämie - eine Erhöhung ihres Kulturetats um 15 Millionen Euro. Und was macht sie damit? Sie streicht hier eine kleine Summe. Mit maximalen Effekt. Und gibt dort eine Riesensumme. Für ihren reichen Ex-Chef.

Die Summe, die sie auf Null gestrichen hat, sind die 539 000 Euro, die sich die 14 Hamburger Geschichtswerkstätten und Stadtteilarchive jährlich teilen müssen. Die Hamburger Geschichtswerkstätten leben fast ausschließlich von ehrenamtlicher Tätigkeit ihrer Mitarbeiter und von Spenden. Aber ohne einen regelmäßigen Zuschuß für Mieten und Archivmaterial können sie nicht weiter existieren. Und das sollen sie aber auch nicht. Denn sie haben genug Unglück angerichtet, indem sie entscheidend dazu beitrugen, die wunder-schöne Legende zu zerstören, daß Hamburg von den Nazis nie etwas wissen wollte, daß seine Bürgerschaft bis hinauf zum Gauleiter ein Zentrum des Widerstands war.

In Wahrheit hingen Hamburgs Kaufleute schon vor wie auch nach dem Putsch vom November 1923 begeistert an Adolf Hitlers Lippen, wenn er im feinen Hotel "Atlantic" seine großen Auftritte hatte. Hamburgs Ärzte gehörten zu den ersten, die willig bei der NS-Euthanasie mitmachten. Und Hamburgs Justiz tanzte freudig nach der Pfeife des Obersten Gerichtsherrn der Nation. Daß dies ans Licht gezerrt wurde, dafür zahlte die Hansestadt auch noch Geld, eine halbe Million im Jahr. Jetzt nicht mehr.

Nein, da spendiert die Senatorin Horáková doch lieber das sechzigfache dieser Summe ihrem ehemaligen Chef, dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden des Springer-Konzerns, Professor ehrenhalber Peter Tamm. Der hat ein schönes Hobby. "Ich bin", sagt er, "über meine Leidenschaft für die Marine, die See und alles, was damit zusammenhängt, zum Sammler geworden." So sammelt er Schiffsmodelle, aus echten Knochen und Elfenbein gebastelt, und alles, was damit zusammenhängt. Urhanseatisch. Der reiche Tamm bekommt jetzt für sein Hobby - auf zwei Jahre verteilt - 30 Millionen Euro, damit er seine Marine-Sammlung, bisher in seinem Privathaus an der Elbchaussee untergebracht, in einem neuzuschaffenden Marinemuseum in der Hafen-City unterbringen kann.

Schließlich weiß er: "Ein Volk, das auf den Meeren erfolgreich ist, wird in der Weltgeschichte immer einen überragenden Platz finden." Und das ist doch was für die Hamburger. Dem einstigen Springer-Chef zeigt die Geschichte, daß "nur der als Weltmacht eine Chance hat, der über Schiffe oder über Flotten (Handels- und Kriegsschiffe) verfügt".

Das hat der Schill-Beust-Senat rasch erkannt. Und so gibt es nicht nur Kulturmillionen für Tamm. Der Senat will jetzt den von der Bundeswehr ausrangierten Zerstörer "Lütjens" als Grundlage für einen Museums-Kriegshafen ankaufen.

Erschienen in Ossietzky 15/2003