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"Anderenfalls", und nun formulierte der Botschafter schon ein wenig direkter, "besteht die Möglichkeit, daß es zu keiner militärischen Zusammenarbeit kommt." Serbien und Montenegro, der Staat, der sich bis vor kurzem Bundesrepublik Jugoslawien nannte, befindet sich wieder einmal in einer Zwickmühle. Einerseits verlangen die USA, von deren Gnaden bei weitem nicht nur "militärische Hilfe" bei der Ausrüstung der Armee und der Aufnahme in die NATO-"Partnerschaft für den Frieden", sondern vor allem das finanzielle Überleben des hoch verschuldeten Landes abhängen, die Anerkennung der Immunität ihrer Staatsbürger gegenüber dem ICC, andererseits fordern die Staaten der EU, deren Mitgliedschaft das Balkanland anstrebt, genau das Gegenteil: ein derartiges Abkommen nicht zu unterzeichnen. In dieser Lage hat sich Belgrad einem US-amerikanischen Ultimatum vorerst nicht gebeugt und sinnt nun angestrengt darüber nach, wie es aus der Zwickmühle herauskommen kann. Der fortgesetzte Druck der USA macht ihm das allerdings sehr schwer. In der Geschichte der internationalen Beziehungen ist diese Erpressung ohnegleichen. Seit Jahren zwingt Washington unter Androhung schwerster finanzieller, ökonomischer und politischer Sanktionen Jugoslawien und das daraus hervorgegangene Staatsgebilde namens Serbien und Montenegro zur Zusammenarbeit mit dem illegalen, unter Bruch der UN-Charta installierten Kriegsverbrechertribunal für Jugoslawien. Kein Mittel der Erpressung wurde ausgelassen, um das Land gegenüber den Wünschen des Tribunals und seiner Chefanklägerin Carla del Ponte gefügig zu machen. Belgrad, so tönte es in Washington, sei bei Strafe einer neuen Isolierung verpflichtet, Slobodan Milosevic, den ehemaligen Präsidenten des von der NATO angegriffenen Staates, und weitere der Kriegsverbrechen beschuldigte serbische Staatsbürger nach Den Haag auszuliefern und auf Teufel komm raus Beweise herbeizuschaffen, die die Beschuldigten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit überführen könnten. Und die Regierenden in Belgrad, Zoran Djindjic ebenso wie sein Nachfolger im Amt des serbischen Ministerpräsidenten, Zoran Zivkovic, beugten sich dem amerikanischen Verlangen (das allerdings ihrer eigenen Absicht, sich des Ex-Präsidenten und Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Serbiens zu entledigen, entgegenkam). Nun aber, da der in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zustande gekommene Internationale Strafgerichtshof seine Arbeit aufnahm, verlangen die USA von dem gleichen Land kategorisch, die Zusammenarbeit mit diesem Gericht von vornherein einzuschränken: Das Land müsse sich verpflichten, unter keinen Umständen US-amerikanische Staatsbürger auszuliefern. Der Einmaligkeit dieses Vorganges halber noch einmal zusammengefaßt: Die USA erpressen Serbien und Montenegro, seine Bürger, angebliche Kriegsverbrecher, einem illegalen internationalen Tribunal in Den Haag auszuliefern, und verlangen von diesem Land gleichzeitig erpresserisch, US-Bürger, denen Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden, keinesfalls an den legalen Gerichtshof mit Sitz am gleichen niederländischen Ort auszuliefern. Erpressung im Doppelpack und ein lehrreiches Beispiel für die Arroganz der Weltmacht USA und für ihren Umgang mit einem Grundprinzip des Völkerrechts, der Achtung der Gleichheit und Souveränität der Staaten. Selbst den erpressungsgewöhnten Regierenden in Belgrad, die sich bisher noch jedem NATO-Druck beugten - mit der Auslieferung von Milosevic erreichte ihre Servilität den Tiefpunkt auf Schuhsohlenhöhe -, schwant, daß ein Nachgeben gegenüber dem neuerlichen amoralischen Ansinnen der USA vor der eigenen Bevölkerung, so erschöpft und politikmüde diese in weiten Kreisen auch sei, nicht zu rechtfertigen ist. So äußerte Premier Zoran Zivkovic denn auch ziemlich hilf- und ratlos: "Ich denke, daß es sehr schwer wäre, unseren Bürgern zu erklären, daß wir mit den USA ein Abkommen schließen, in dem wir ihre Staatsbürger schützen, und gleichzeitig in sehr enger Zusammenarbeit unsere eigenen Bürger verfolgen, verhaften und nach Den Haag ausliefern. Ich hoffe, daß Washington für diese unsere Haltung Verständnis haben wird." Doch das Verständnis der USA hält sich in sehr engen Grenzen, und so sinnt man in der serbisch-montenegrinischen Hauptstadt weiter nach einem Ausweg. Einer, der sich an der Quadratur des Kreises versucht, ist Nebojsa Covic, Stellvertreter des serbischen Premiers. Er erklärte, Serbien und Montenegro müsse ein Abkommen mit den USA über die Nichtauslieferung US-amerikanischer Bürger an den Internationalen Strafgerichtshof schließen, und erläuterte: "Wir sind kein Mitglied der EU, wir sind nicht einmal Kandidat für eine Mitgliedschaft in der EU, obwohl wir das natürlich werden möchten. Solange wir nicht Kandidat für eine Mitgliedschaft in der EU werden, haben wir Raum, das Abkommen zu unterschreiben. Wenn wir dann Kandidat sind, heben wir den Beschluß auf." In die gleiche Richtung zielen montenegrinische Vorschläge, das Abkommen mit den USA nur durch einen Teil der Staatengemeinschaft, den montenegrinischen, unterzeichnen zu lassen, während der serbische bei seiner bisherigen abwartenden Haltung bleiben könnte. Auch solche Überlegungen widerspiegeln die Hilf- und Ratlosigkeit der Führungen in Belgrad und Podgorica und werfen nebenbei ein bezeichnendes Licht auf die Konsistenz des von der NATO anstelle der jugoslawischen Föderation geschaffenen Staatsgebildes. Ein Nachgeben gegenüber den Forderungen Washingtons ist offensichtlich vorprogrammiert - ein neues Glied in der langen Kette Belgrader Kapitulationen seit der politischen Wende im Oktober 2000. Unmittelbar vorausgegangen ist der ebenfalls unter US-amerikanischem Druck gefaßte Beschluß, die Mitschriften aller Sitzungen des Obersten Verteidigungsrates Jugoslawiens von 1991 bis 2000 dem sogenannten Nationalrat für die Kooperation mit dem Haager Jugoslawien-Tribunal zur Verfügung zu stellen, von dem es bis zur Kanzlei der Carla del Ponte nur noch ein kleiner Schritt ist. Wer seine Souveränität und Selbstachtung derartig preisgibt - man stelle sich einmal vor, die USA oder die BRD sollten die streng geheimen Protokolle der Sitzungen ihrer nationalen Sicherheitsräte ausländischen Mächten öffnen -, der braucht letztlich auch keine Scheu zu haben, den USA Schutz vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu gewähren.
Erschienen in Ossietzky 15/2003 |
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