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Daneben Preisverleihung: "Dafür gibt's den Steuer-runter-Orden von Bild". Eine Silbermünze zeigt den roten Bundesadler mit einem gesenkten Flügel, aus dem eine Hand den Daumen nach oben streckt; der krächzend aufgerissene Schnabel verkündet die Ordensumschrift "Steuern runter - Macht Deutschland munter!" Unterschiedlich lange Schwertstrahlen weisen in alle Richtungen: nach oben auf den feixenden Bundeskanzler, nach unten auf die Siegerrennfahrer Ralf und Michael Schumacher, nach rechts auf die Baby-Pause machende Sängerin Sarah Connor, nach unten links auf das "Seite-1-Mädchen" Anna, unbekleidet. In den übrigen Medien wird der Jubel verstärkt. Der Kommentator auf WDR5 spricht von einem "Befreiungsschlag" und nennt Schröder einen "Reformator". Die Hamburger Morgenpost schickt ihre Leser auf Schnäppchenjagd: "Der Kanzler winkt mit 25 Mrd. Euro. Mehr Geld für alle!" Auch die einst mit dem Label des Alternativen sich zierende taz kennt die Gefühle ihrer in der Mitte der Gesellschaft angekommenen Leserschaft: "Danke, Kanzler! Jetzt sind wir dran!" Meine Freundin fragt: "Sind die denn alle gehirnamputiert?" Nein, nicht alle. Die FAZ trägt Bedenken und weiß in ihrem Leitartikel, daß viel entscheidender für den Wirtschaftsstandort Deutschland die erzwungene Streikniederlage der IG Metall ist. Auch unter den Ministerpräsidenten der Länder kommt Kritik auf; sie wissen nicht, wie sie die neuerlichen Einnahmeausfälle gegenfinanzieren sollen. Die CDU-Spitze um Angela Merkel urteilt: "unseriös". Doch keine 24 Stunden später sind die meisten Bedenkenträger auf Linie gebracht. Bild hat nachgeholfen: Angela Merkel muß ertragen, daß ihr farbiges Abbild mit skeptisch dreinblickendem Kopf, Hand am Kinn, von Schlagzeilen angekratzt wird: "Steuern runter! Frau Merkel, unterschreiben Sie hier!" Ein Zettel zur Unterschrift ist ihr auf die Hand gepappt: "Im Interesse der fleißigen deutschen Steuerzahler unterstütze ich die rotgrünen Steuersenkungen. So will ich mithelfen, daß die Deutschen wieder mehr netto in der Tasche haben. Denn nur dann springt die Wirtschaft wieder an, und neue Arbeitsplätze entstehen. Berlin, den 1. Juli 2003 - Angela Merkel, CDU-Bundesvorsitzende." Ja, Frau Merkel, der real regierende Kapitalismus bringt Parteien und ihre Vorsitzenden auf Linie, schneller und effektiver, als je eine "Parteilinie" in Ihrem früheren Staat durchzusetzen war. Alle bewundern seine neuen Kleider, obwohl in Wahrheit der Kaiser nackt und häßlich ist. Schröder und seine Ministerdarsteller sind Getriebene, ihr hektisches Agieren zeugt von Angst und Panik. Die Lobby der großen Konzerne und Kapitalgesellschaften im Verbund mit dem Kartell der Medien sitzt ihnen im Nacken. Die Politiker aus SPD und Grünen, die sich gern als Macher geben, wissen, daß sie nur so lange an der Regierung - keineswegs an der Macht - bleiben dürfen, wie es ihnen gelingt, die vom Kapital geforderten Grausamkeiten in immer schnellerem Tempo durchzusetzen, die zu schröpfende Bevölkerung ruhigzustellen. Insofern ist Zwickels selbstherrlicher Streikabbruch mit der offen ausgetragenen Spaltung im Vorstand der IG-Metall für Schröder ein Geschenk der Götter; kann er sich doch jetzt hinstellen und davor warnen, den schwankenden Gewerkschaften "den Todesstoß" zu versetzen - die Wortwahl verrät die geheimen Absichten. Eichels Steuerreform, deren letzte Stufe um ein Jahr vorgezogen wird, ist zwar dem sozialverträglichen Gedeihen einer Volkswirtschaft überhaupt nicht bekömmlich; doch die bestimmenden Kapitalkräfte, die nach weiteren Weltmarktanteilen und imperialer Macht greifen, sind nicht an etwas so Lästigem wie "Wohlstand für alle" interessiert. Ihnen geht es darum, die Löhne und alle sozialstaatlichen Aufwendungen weiter zu senken, um noch mehr Gelder auf die Konten der oberen 10 bis 20 Prozent zu lenken. Wer in dem Land mit dem schon 2001 historisch niedrigsten Steueraufkommen (21 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, in den Nachbarländern ist es um vier bis acht Prozent höher) die Steuern noch einmal um ein bis zwei Prozent vom BIP herunterfahren will, muß die Sozialkassen weiter plündern, die Beschäftigtenzahl im Öffentlichen Dienst senken, die Länder zur Privatisierung ihrer Gefängnisse und Universitäten bewegen und die Städte zwingen, nach ihren Stadtwerken auch die Schulen, Rathäuser und Kanalnetze zu verkaufen und ganze Abteilungen ihrer Sozial- und Kulturarbeit dichtzumachen - damit die Marktkräfte endlich befreit werden. Die Zelebranten auf Neuhardenberg haben genau diese Absicht der Öffentlichkeit kundgetan: Die Regierung will ihre Steuer-"Reform" zu einem großen Teil durch Privatisierungen gegenfinanzieren. Sie wird also die Arbeitslosigkeit sowie die kulturelle und soziale Verelendung weiter vorantreiben. Der versprochene Impuls für das Wirtschaftswachstum wird ausbleiben, die Volkswirtschaft noch mehr ins Trudeln geraten. Denen, die durchschnittlich oder weniger verdienen, wollen Schröder und Eichel am 1. 1. 2004 fast nichts geben, ihnen dafür aber "Subventionen" streichen. Unter Subventionen verstehen sie nicht jene Milliarden, die VW oder BMW und andere Konzerne für den Aufbau ihrer Zweigwerke im Osten eingesackt haben und weiter fordern. Auch nicht die Steuerbefreiung für Flugbenzin. Wegfallen sollen die Steuererleichterungen für Nacht- oder Sonntagsarbeit zum Beispiel der Krankenschwestern sowie der Großteil der Entfernungspauschale für Pendler. Sogar in der Bild-Zeitung kann man lesen, daß einem Bezieher von 25 000 Euro Bruttolohn im Jahr die Steuerlast um 486 Euro ermäßigt werden soll (infolge der "Subventionskürzungen" könnte er aber kräftig draufzahlen müssen, ganz abgesehen von höheren Gebühren und Beiträgen, die ihm von der Kommune und anderen abverlangt werden). Wer jedoch 100 000 Euro verdient, kann mit dem Zehnfachen, exakt mit 4537 Euro zusätzlicher Steuerermäßigung, rechnen. Hauptgewinner sind die Spitzenverdiener. "Reformer" Eichel hantiert mit zwei Stellschrauben: Zunächst setzt er für alle, also auch für die gut Verdienenden, die Freibeträge hoch und reduziert den Eingangssteuersatz; allein hierdurch erläßt er den Bessergestellten infolge der Progression einen doppelt bis dreimal höheren Betrag als dem Durchschnittsverdiener. Darüber hinaus senkt er den Spitzensteuersatz, den die meisten nie erreichen können, auf 42 Prozent; 1999 hatte diese Obergrenze noch bei 53 Prozent, 2002 bei 48 Prozent gelegen. Wer eine Million verdient und versteuern muß, hat dann rund 100 000 Euro mehr auf dem Konto. Die Bundesregierung hofft, daß er sich dafür Bundesschatzbriefe oder ähnliche Wertpapiere kauft, um die Steuerreform gegenzufinanzieren. Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner und die Millionen in Billigjobs haben von der Steuerreform keinen Cent zu erwarten - das "Mehr Geld für alle" in den Medien ist eine Lüge. Werden sie allmählich als "unnütze Esser" aus der Bevölkerung ausgeschlossen?
Erschienen in Ossietzky 14/2003 |
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