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Allerdings sind wir, anders als die Übersee-Männer, auf- und abgeklärt worden durch Oswald Kolle und Ketten von Sex-Shops: Drei Damen und ein Herr sind Angeberei. Jederzeit möglich ist eine Dame mit drei Herren. Mag sein, George Simenon benötigte zehn Freundinnen oder Prostituierte pro Tag und Nacht - nacheinander im Stundentakt, nicht zeitgleich, wie es Friedman von geilen Journaille-Säcken zugeschrieben wird. Warum nur wandte sich der Tausendsassa MF nicht seiner Moderationskollegin Sabine C. zu, die doch vakant war, wie presseweit ausgelobt wurde, und was ist mit Michels ständiger Begleiterin, dieser vormaligen Radaublondine vom Privatfernsehen, wie war doch gleich der Name? Wozu dann noch Bestellungen per Handy bei einer Ostschleußergang, die slawische Jungfräulichkeit vermittelt zum Stundenlohn von knapp 100 Euro, können unsere öffentlichen Millionäre krisenbedingt nicht mehr zahlen? Mag sein, der abgemattete Glanz des hauptstädtischen Berlin senkt die Tarife von zu Supercallgirls aufgedonnerten Landpomeranzen. Drei Millionen schuldlos verschuldete Residenzbewohner mit Aussicht auf baldige Stellenlosigkeit verführen zu dem logischen Schluß, Regierung samt Opposition ebenfalls zu entlassen, um Schaden vom Land abzuwenden. Und MF von Frankfurt am Main an dieser spröden Spree immer mittendrin. Die einen Promis zürnen ihm, weil er sie nie zum Talken einlud. Die Eingeladenen fühlen sich von seiner Suada beleidigt. Ausgenommen Widerständler wie Drewermann, Engelen-Kefer, Schreiner, Lanfontaine. Gysi bat erschöpft um ein Glas Wasser und verdurstete in Friedmans verbalem Wüstensturm. Bis die Sahara Kokainiens durchgestanden war und unser Meistertalker der Betreuung mindestens dreier Schönheiten aus dem Osten bedurfte, die in Wirklichkeit bedauernswerte, vom Zuhälter ausgebeutete arme Luder sind (lt. Fama). Was aber, wenn Friedman eigentlich schwul ist und sich demnächst auf Kanal 175 outet? * Als ich Michel Friedman kennenlernte, war er der junge Mann und fast ständige Begleiter von Ignatz Bubis. Als 1973 mein Roman "Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond" erschien und meine Figur des Immobilienmaklers Abraham Mandelstam fälschlich und intrigant mit Bubis in eins gesetzt wurde, was durch Fassbinders Stück "Der Müll, die Stadt und der Tod" noch eskalierte, beriet ich mit Bubis, wie der drohenden antisemitischen Ausdeutung zu widerstehen sei, und stand ihm bei in Auseinandersetzungen mit einer falschmünzerischen Journalistenmeute, widersprach aber stets dem Vorwurf von Bubis und Friedman, daß Fassbinder Antisemit sei. Über den Gesamtfall berichtete ich 1986 ab schließend in "Die Rückkehr des toten Juden nach Deutschland", wo es auf Seite 211 heißt: "Ich kann durchaus politisch gegen sozialschädliche Erscheinungen wie die Bauspekulation ... sein und dennoch die Beteiligten mit dem Blick der Faszination betrachten. Wo dabei Kriminalität entsteht, muß sie verfolgt werden ... Im übrigen verschlingen sich Kriminalität und Normalität auf gewissen Gebieten bis zur ununterscheidbaren Symbiose. Eine Literatur, die derlei beiseiteläßt, ist jedenfalls das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wird. Schließlich ließen sich die strittigen Seiten von Bubis ja strittig darstellen. Unabhängig davon meine ich, daß dem Manne Unrecht getan wird, etwa mit der immer wieder kolportierten Behauptung, er sei Fassbinders reales Vorbild für den ›reichen Juden‹ gewesen. Wahr ist, Fassbinder kannte Bubis nicht und wußte nichts von ihm. Fassbinder entnahm seine Figur nicht der Realität. Endlich sehe ich in Bubis den Breslauer, der als jüdisches Kind schon aus der deutschen Volksgemeinschaft ausgestoßen und mit dem Tode bedroht worden ist. Ein Heimatvertriebener also im doppelten Sinne: Ein Breslauer Jude wurde eben schon vertrieben, als die Nichtjuden noch jubelten und es geschehen ließen oder mitmachten bei der Hatz." Zu jener längstvergangenen Zeit der siebziger Jahre, da Friedman als jugendlicher Adjutant von Bubis in Erscheinung trat und noch ungescheut in linken Kreisen verkehrte, traf ich ihn spät abends im Frankfurter "Club Voltaire", wo er bei Küchenschluß gerade noch die letzte Schüssel Reis erhielt und ich als Spätkömmling ihm beim Essen hungrig zusah, bis er mir die Suppe zuschob und ich dankbar weiterlöffelte. Die laute Fassbinder-Kontroverse verdampfte im lockeren Kneipengeräusch. Als Michel am Talkhimmel strahlend aufging wie ein Morgenstern, ging mir ein anderes Lichtlein auf. Dieser Friedman spielt deine Romanfigur Abraham nach, wo nicht gar Fassbinders provozierenden "reichen Juden", dachte ich, das ist eben sein Geheimnis, und wenn Juden in Deutschland zu leben riskieren, müssen sie nicht auf die typische, mitleidheischende Opferrolle fixiert bleiben. Möllemann hatte gemosert, Leute wie Friedman riefen den Antisemitismus hervor. Sie machen aber nur sichtbar, was verdeckt hierzulande stets vorhanden ist. Kokain, Prostituiertenmilieu, TV-Glimmer sowie das Gesülze von Leitartiklern und Boulevardstorypoeten camouflieren den harten Kern des an den Haaren herbeigezogenen Skandals. Friedman engagierte sich für Scharons Kriegskurs und bezog so Position gegen jüdische Linksintellektuelle von Arnold Zweig bis Erich Fried. Da wäre seinen Kriegskaskaden im Namen einer humanen jüdischen Kultur, wie sie etwa Uri Avnery und Amos Oz vertreten, zu erwidern nötig gewesen. Die wenigen, die sein aggressives Dröhnen zu kontern wagten, halten sich jetzt bei der Jagd auf den fallenden TV-Engel zurück. Das Wort haben Frettchen und Chamäleons, die voller Promi-Geiheit deutsche Gesellschaft spielen. Friedman glaubte, Germaniens Wälder lichten zu können, und verirrte sich doch nur unter die alten Gespenster. Im Roman "Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond" gibt es neben dem Makler Abraham die Figur des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, der den ersten Auschwitzprozeß gegen alle Widerstände durchsetzte. Wäre er nicht ein Vorbild für die zweite und dritte Generation deutscher Juden? Oder ist der tapfre Jurist zu unspektakulär? Bei den heutigen Promi-Gangs wäre er tatsächlich fehl am Platze.
Erschienen in Ossietzky 13/2003 |
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