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Bush war auch in Auschwitz, wo er sich in das Gästebuch der Gedenkstätte eingetragen hat. Der amerikanische Präsident schrieb: "Aufrichtigen Dank für die tiefbewegende Führung. Indem Sie Ihr Leben dem Gedenken an den Holocaust und an das Martyrium der Polen widmen, ehren Sie alle, die hier Opfer waren. Möge Ihre Arbeit zukünftige Generationen dazu bringen, immer wachsam gegen die Rückkehr solch unaussprechlich Bösen in unsere Welt einzutreten." Das Böse - was meint er damit? Den massenmörderischen Rassismus? Die Ausbeutung angeblicher Untermenschen zum höheren Profit vermeintlicher Herrenmenschen? Da sollte Bush gelegentlich auch an die Geschichte des eigenen Landes denken. Bis heute gibt es in den USA keine offiziellen Gedenkstätten für die Millionen Opfer des Rassismus: Indianer und Schwarze. Wer nur allgemein über "das Böse" spricht, kann damit auch von denjenigen US-Amerikanern ablenken, die einst Hitler unterstützt haben, zum Beispiel Bushs eigener Großvater. Wachsamkeit gegenüber dem Bösen müßte heute beispielsweise bedeuten: Protest gegenüber dem, was seit Monaten mit den eingekerkerten Taliban in Guantánamo geschieht. Ich habe lediglich flüchtige Bilder von Gefangenen gesehen, die an Händen und Füßen gefesselt waren und Säcke über dem Kopf hatten. Bush weiß schon, warum er gegen die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ist. Gute Voraussetzungen fürs Paradies, wie es sich diese zurzeit in den USA regierende Clique offenbar vorstellt, sind das allerdings nicht. Viele Polen finden die Kooperation ihrer Regierung mit den USA nach wie vor richtig. Oft bestehen enge familiäre Bindungen in die USA, denn nicht wenige Polen sind dorthin ausgewandert. Und in der schlechten Zeit haben die USA-Polen ihre daheimgebliebenen Verwandten nicht vergessen. USA, das ist nach wie vor für viele das Land der Verheißung (was immer das sein mag). Wäre man gegen Hitler seinerzeit so vorgegangen wie gegen Saddam Hussein, hätte der Zweite Weltkrieg verhindert werden können, höre ich in manchen Gesprächen. Mein Einwand, daß für die Klärung der Verhältnisse im Irak ein UNO-Mandat vorlag, die Waffeninspekteure ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen hatten und mit dem Krieg gegen elementare Grundsätze des Völkerrechts verstoßen wurde, findet wenig Beachtung. Ebenso wenig interessiert, daß im Irak keine Massenvernichtungswaffen gefunden wurden, womit die Begründung für den Krieg im Nachhinein entfiel. Wen kümmern schon noch solche Spitzfindigkeiten? Man ist jedenfalls auf der Seite des Siegers, das heißt dann "realistische Politik". Frankreich habe früher nach den Amerikanern und den Deutschen an dritter Stelle in der Beliebtheitsskala gestanden, sagt ein Warschauer Soziologe in einem Vortrag. Jetzt, nachdem der französische Staatspräsident Chirac die Polen wegen ihres Eintritts in den Irak-Krieg gerügt hat, sei Frankreich weit abgefallen. Er scheint mit der Mehrheitsmeinung übereinzustimmen und fragt sich nicht, an welcher Stelle der Beliebtheitsskala Polen zurzeit in Frankreich steht. Es gibt Stimmen in Europa (das habe ich u.a. in der Süddeutschen Zeitung gelesen), die Polen davor warnen, sich von den USA zu einem "trojanischen Esel" in der Europäischen Union machen zu lassen. In der Tat ist der amerikanische Einfluß, auch im täglichen Leben, unübersehbar: Riesige Coca-Cola-Reklame, McDonalds, IBM, Harvard-T-Shirts usw. Jetzt hat Polen sogar eine Verwaltungszone im Irak erhalten, sozusagen als Belohnung und als Anreiz. Auch hier der Versuch, das von den USA seit langem praktizierte Prinzip "Teile und herrsche" in der EU anzuwenden. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hieß es: "Warschau will von den europäischen Nachbarn unabhängig werden." Eine verhängnisvolle Schulhofpolitik. Der Schwache schließt sich der Gang an, um sich gegenüber den anderen Vorteile zu verschaffen. Kritik an dieser Außenpolitik ist auch in Polen zu hören. Jemand zitiert ein Sprichwort über polnische Mentalität: "Der Pole ist erst nach dem Schaden klug." Eine Journalistin meint, die polnische Regierung schwanke zwischen Schwäche und Großmannssucht, ein Intellektueller spricht von einem neuen Nationalismus, ein Künstler von "heuchlerischen Staatsterroristen", gemeint ist die Regierung Bush. Adam Michnik, Chefredakteur der Tageszeitung Gazeta Wyborcza, der zum Irak-Krieg die Position der US-Regierung verteidigt hat, sagt: "Ich möchte klarstellen, dass ich kein Anhänger der jetzigen amerikanischen Regierung bin." In den Krakauer Straßencafés und Kellerlokalen diskutiert man sich bis in die Nächte hinein die Köpfe heiß. Immerhin hat sich ein beträchtlicher Teil der polnischen Bevölkerung (77,45 von 58,85 Prozent) für Europa entschieden; dazu trug auch der Papst bei, der seine zahlreichen Schäfchen mobilisiert hatte. Die Stimmenauszählung hat auch nicht so lange gedauert wie bei den Präsidentenwahlen in den USA, und sie wurde sogar - im Gegensatz zu den USA - zu Ende geführt. Ich fühle mich in Polen sehr wohl. Ein Schriftsteller ist hier noch immer etwas Besonderes und Fremde sind zunächst einmal willkommen. In der Straßenbahn bietet mir die gegenübersitzende Frau Erdbeeren aus ihrer Tüte an; als ich auf der Straße meine Ansichtskarten samt Briefmarken verliere, bringt sie mir ein älterer Mann hinterher. Ich genieße die sprichwörtliche polnische Gastfreundschaft, und ich würde mir wünschen, dass diese Warmherzigkeit und Begeisterungsfähigkeit, die mir auf Schritt und Tritt begegnen, die Oberhand gewinnen. Wolfgang Bittner hält sich einige Monate in Krakau in der Villa Decius auf, einer polnischen Einrichtung für internationalen Kulturaustausch.
Erschienen in Ossietzky 13/2003 |
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