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Südkorea: Repression gegen die Gewerkschaftsbewegung

von Christian Karl

Die Unterdrückung der Gewerkschaftsbewegung hat in Südkorea eine lange Tradition. Wurden in der Vergangenheit Aktivisten noch mit dem Tode bedroht ...

Als vor einigen Tagen tausende Metaller in den Ausstand traten, um für kürzere Arbeitszeit, höhere Löhne und gewerkschaftliche Rechte zu streiken, war wieder sofort die Staatsmacht zur Stelle. Tausende Polizisten der berüchtigten Anti-Aufruhreinheiten versuchten in der Hauptstadt Seoul die Gewerkschafter am demonstrieren zu hindern.

Seit nunmehr zwei Wochen wird Südkorea von einer massiven Streikwelle erschüttert. Und die Regierung, einst angetreten sich für die Rechte der Arbeiter einzusetzen, reagiert zunehmend mit Repressalien. Als letzten Samstag die in der KCTU (Korean Confederation of Trade Unions) organisierten Eisenbahner in den Streik traten - sie wollten damit die vom Staat geplante Privatisierung des Schienennetzes verhindern - schickte die Regierung kurzerhand die Anti-Aufruhreinheiten und ließ über 1500 Gewerkschaftsaktivisten im Rahmen einer blutigen Hatz auf dem Campus der Yonsei Universität verhaften. Massenfestnahmen, -entlassungen und gerichtliche Anklagen zwangen die Aktivisten am Dienstag den Streik zu beenden.

Ende letzten Jahres, während des Wahlkampfes, versprach Roh Moo-hyun hoch und heilig mit der unrühmlichen Tradition der Unterdrückung der Gewerkschaftsbewegung zu brechen. Unter der Regierung seines Vorgängers, des Reformers Kim Dae-jung, wurden noch hunderte Gewerkschaftsfunktionäre verhaftet und zum Teil zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Seit Jahren protestieren die verschiedesten gesellschaftlichen Gruppen gegen diese Praxis. Mit seiner Zusicherung, damit endgültig zu brechen erhielt Roh viel Sympathie bei linken politischen Organisationen und Menschenrechtsgruppen. Selbstverständlich ist in diesem Lager die Enttäuschung jetzt um so größer, wo sie mit ansehen müssen, daß Roh, wie schon während des Irakkrieges, wo er dafür plädierte die Aggression zu unterstützen, mal wieder einer seiner Versprechen gebrochen hatte.

... werden jetzt "legale" Mittel angewandt. Vor allem bei vermeintlichen politischen Streiks wird oft die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Die Unterdrückung der Gewerkschaftsbewegung hat in Südkorea eine lange Tradition. Wurden in den Jahren der verschiedenen Diktaturen Aktivisten, die Arbeiterrechte einforderten, noch mit dem Tode bedroht, werden jetzt "legale" Mittel angewandt. Vor allem bei vermeintlichen politischen Streiks wird oft die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Die Unterdrückung der Gewerkschaftsbewegung ist aber kein ausschließliches Privileg des Staates. Häufig ergreifen auch schon mal die Unternehmer selbst die Initiative. Wie in dem Fall der im Seouler Industriegebiet Guro angesiedelten Firma Hitec, wo Bremssysteme für Autos und Flugzeuge hergestellt werden. Seit über einem Jahr streiken hier die in der KCTU organisierten Arbeiterinnen, um wenigstens 70% des gesetzlichen Mindestlohnes zu erhalten. Doch der Firmeninhaber Park Chong-seo hat sich erst gar nicht auf Lohnverhandlungen eingelassen, statt dessen hat er eine Schlägertruppe angeheuert, die mehrfach die Streikenden überfiel. Unmittelbar nach Streikbeginn hat er alle Gewerkschaftsaktivistinnen - in dem Unternehmen arbeiten fast ausschließlich Frauen - gefeuert. Zwar hat das Arbeitsgericht ihn angewiesen die Betroffenen wieder einzustellen, statt dessen hat er sich nach Deutschland abgesetzt und seinen Firmenhauptsitz nach Baden-Württemberg verlegt. "In Sachen gewerkschaftliche Freiheiten sind wir noch immer eines der Schlußlichter in der Welt", so Joung Kyeong-eun, leitendes Mitglied in der KCTU. "Manchmal hat man den Eindruck, sich in einer Diktatur zu befinden", sagte sie auf der gestrigen Metallerdemonstration, während im Hintergrund die Polizei mit Knüppeln auf die Streikenden losging.


Christian Karl lebt und arbeitet als Journalist in Südkorea.

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sopos 7/2003