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So hatte schon 1995 zum vierzigjährigen Jubiläum der Bundeswehr der damalige Bundespräsident und Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Roman Herzog, unmißverständlich darauf hingewiesen, daß die Wehrpflicht nach dem Ende des Kalten Krieges durch das Grundgesetz nicht mehr gedeckt wird, denn: "Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, daß ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet." Die Politiker haben sich um dieses Urteil eines ansonsten doch parteiübergreifend gelobten Juristen nicht geschert. Ob sie nun Rühe, Scharping oder wie jetzt Struck heißen. Was ihnen die Besserwisserei bestreitet, wird à la Struck schlicht in der Pfeife geraucht. Dabei hatte sogar ein weiterer deutscher Ex-Staatschef, Richard von Weizsäcker, als Leiter einer Reformkommission im Auftrag des damaligen IBuK Rudolf Scharping den sanften Ausstieg aus der Wehrpflicht dringend empfohlen und ihn der Bundeswehr dadurch zusätzlich schmackhaft gemacht, daß er für sie mehr Geld vom Staat und dessen Steuerbürgern einforderte. Doch Scharping, ansonsten jedem finanziellen Zugewinn nicht abgeneigt, erwies sich als nicht verführbar. Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, IBuKs eben, haben auch ihren Stolz. Und nun hat sich die Hoffnung in die Vernunft des neuen IBuK, ins ungeliebte Amt gedrängt wie sein Vorgänger, ebenfalls zerschlagen. In seinen jüngst veröffentlichten Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) ist Struck in einem Rundumschlag selbst vor der Diffamierung eines Teils seiner Truppe nicht zurückgeschreckt, um die Wehrpflicht als Wille und Vorstellung zu verteidigen. Da ist einmal die Mär von der notwendigen Integration zwischen Zivil- und Militärgesellschaft, die, wie Struck behauptet, "unserem Staatsverständnis" entspreche. Was aber haben denn dann die Freunde und Verbündeten, die in großer Zahl auf die Wehrpflicht verzichten, für ein "Staatsverständnis"? Ein abwegiges, ein demokratiefeindliches? Es ist Unfug, so zu tun, als wäre eine "Berufsarmee" gleichsam hinter Kasernenmauern weggeschlossen und würde dadurch zum Staat im Staate. Einmal besteht eine Berufsarmee zum erheblichen Teil aus Zeitsoldaten, die in bestem Mannesalter in die Gesellschaft zurückkehren; und zum anderen sind es nicht die Wehrpflichtigen, sondern die Zeit- und Berufssoldaten, die in großer Zahl in den Standorten aktiv am Gemeinde- und Vereins leben teilnehmen. Struck kann sich auch das Argument vom "wertvollen und wichtigen Dienst für unser Land" nicht verkneifen, obwohl er doch schon bei Roman Herzog hätte lernen können, daß "wolkige Rufe nach mehr Pflichtgefühl ebensowenig zur Begründung der Wehrpflicht herhalten dürfen wie die vielfältigen Vorteile für Staat und Streitkräfte". Aber da ein IBuK (oder dessen Schreibstube) keine halben Sachen macht, toppte er seine Richtlinien in einer Rede vor der Führungsakademie der Bundeswehr mit Sprüchen wie: "Deutsche Soldaten werden nicht zu Söldnern" oder "Wehrpflicht erhalten heißt für mich: Nachwuchs nicht kaufen, sondern gewinnen". Das ist, mit Verlaub, dreist gegenüber allen Soldaten, die diesen Beruf auf Zeit oder Dauer freiwillig und aus Überzeugung gewählt haben. Und als Zivilist fragt man sich bedrückt, was denn die zuhörenden Staatsbürger in Uniform, allesamt Zeit- und Berufssoldaten, bewogen haben mag, solche Beschimpfungen über sich ergehen zu lassen. Zumal sie selbst wohl kaum auf die Idee kämen, Deutschland in amerikanischem Auftrag am Hindukusch zu verteidigen. Die Sprüche von den Söldnern und den gekauften Soldaten sind noch aus einem zweiten Grund peinlich. Die Bundeswehrführung selbst hat sich nämlich ein Konzept ausgedacht, um ihren Nachwuchs zu "kaufen": Nach diesem Konzept lockt sie den gesetzlichen W9er (Wehrpflichtiger für neun Monate) mit finanzieller Entlohnung, sich als Wehrpflichtiger für 23 Monate zu verpflichten - 23 Monate deshalb, weil ab 24 Monate bereits die Laufbahn des Zeitsoldaten beginnt. Ist es da ein Wunder, daß sich junge Männer, die ungewohnt viel Geld in der Tasche haben und im Zivilleben keine adäquate Verdienstmöglichkeit erwarten können, in großer Zahl als Zeit- und Berufssoldaten weiterverpflichten? Hier, wie Struck, zu behaupten, man gewinne den Soldaten, statt ihn zu kaufen, ist einfach zynisch. Für die Bundeswehr ist dieses Festhalten an der Wehrpflichtarmee eine zusätzliche Belastung. Es werden so viele Mittel für Personal und Ausbildung gebunden, daß sie die Aufgabe, ihre Ausrüstung für die zukünftigen Einsätze in aller Welt (demnächst vielleicht im Kongo) zu modernisieren, nur schleppend erfüllen kann. Daß bei derzeit rund 290 000 Frau/Mann unter Waffen die Streitkräfte ihre Leistungsgrenze schon erreicht haben, wenn nur knapp 10 000 von ihnen im Einsatz sind, demonstriert ganz konkret den Widersinn der derzeitigen Wehrstruktur. Grundsätzlich daran ändern will der IBuK Peter Struck jedoch nichts. Darum will er die Koalitionsabsprache auch möglichst schnell umgehen, nach der über Sinn und Zweck der Wehrpflicht zwischen SPD und Grünen Einvernehmen hergestellt werden soll. Denn Struck hat angekündigt, daß er noch vor der Sommerpause eine Entscheidung seiner Fraktion über den Fortbestand der Wehrpflicht herbeiführen lassen will.
Erschienen in Ossietzky 12/2003 |
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