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Die damalige Bundesregierung Kohl und die Bundesanwaltschaft versuchten, die Täter als "sozial deklassierte Jugendliche" ohne politischen Hintergrund hinzustellen. Später erwies sich, daß in der Solinger Nazi-Szene der Verfassungsschutz integriert war, und es wurde ein hohes Maß an staatlichem Schutz für neofaschistische Organisationen und Personen sichtbar. Hätten sich nicht Zehntausende an Demonstrationen beteiligt, wären die Täter wohl kaum wegen Mordes verurteilt worden. Die Art des Gedenkens nach zehn Jahren läßt darauf schließen, daß sich inzwischen im Umgang mit Neofaschisten wenig geändert hat. Tatsächlich ist die heutige Regierung Schröder an Kaltschnäuzigkeit und Verlogenheit von der damaligen schwer zu unterscheiden. Als Bundesinnenminister Otto Schily den Verfassungsschutzbericht für das vergangene Jahr (2002) vorstellte, zeigte er sich erfreut: Die Zahl der Extremisten sei gesunken, Verbote "islamistischer" Organisationen hätten die Gefahren des Terrorismus - auch wenn sie noch groß seien - gebannt. Im Kampf gegen Rechts hätten das "Bündnis für Demokratie und Toleranz" und Aussteigerprogramme "erfreuliche Erfolge" bewirkt. Der Minister rühmte sich sogar des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens, weil es die Partei geschwächt habe. Und "die politisch motivierten Gewalttaten sind gegenüber dem Vorjahr erkennbar rückläufig", behauptete Schily. Wer nun aber selber in den Verfassungsschutzbericht 2002 hinein schaut, erhält ein ganz anderes Bild. Fast alle erfaßten Gewaltdelikte von Rechts zeigen einen Anstieg im Vergleich zum Jahre 2001: bei den Körperverletzungen um 65, bei den Brandstiftungen um 18 Fälle. Versuchte Tötungsdelikte sollen dagegen um zwei zurückgegangen sein. Und angeblich war 2002 niemand durch Gewalt von Rechts getötet worden - wie auch 2001. Nun wissen wir freilich schon seit längerer Zeit, daß die Innenminister von Bund und Ländern und die ihnen unterstellten Polizei- und Verfassungsschutzbehörden große Schwierigkeiten haben, die tagtägliche, zunehmende Gewalt von Rechts und vor allem die Tötungsverbrechen zu registrieren. Im Sommer 2000 veröffentlichten das Fernsehmagazin Panorama und dann die Frankfurter Rundschau und der Tagesspiegel eine Übersicht, wonach seit 1990 bereits 93 Menschen erwiesenermaßen von rassistisch und rechtsextremistisch motivierten Tätern ermordet worden waren. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Bundesregierung lediglich 24 Tote als Opfer rechter Gewalt. Intensive Nachfragen und Proteste bewogen das Bundesministerium des Innern zu einer Überprüfung und Neubewertung mit dem Ergebnis, daß in der Statistik nunmehr 36 Tote erschienen. Nach Darstellung der Bundesregierung hat sich diese Zahl bis heute nicht geändert. Doch längst haben die beiden genannten Zeitungen festgestellt, daß die Zahl der Toten schon bis Oktober 2001 um vier weitere "eindeutig rechte Fälle" angestiegen war. Und allein aus dem Jahr 2002 wurden dann mindestens acht Tötungen bekannt. In Schilys Statistiken tauchen sie nirgendwo auf. Klaus Dieter Lehmann (19) stirbt am 15 Mai 2002 in Neubrandenburg. Oberstaatsanwalt Rainer Moser beschreibt seinen zertretenen Körper so: "Er sah aus, als wäre mit dem Kopf Fußball gespielt worden." Mit den Stahlkappen ihrer Springerstiefel verursachen die Täter seinen Tod durch Gehirnquetschungen. Im Dezember 2002 werden die beiden 17 und 20 Jahre alten Täter zu dreieinhalb Jahren sowie sechs Jahren und neun Monaten Jugendstrafe verurteilt, die Anwälte legen Revision ein. Karat Batesov aus Kasachstan wird am 4. Mai 2002 in Wittstock von mehreren jungen Männern zusammengeschlagen. Die Täter werfen einen 18 Kilogramm schweren Stein auf ihn. Drei Wochen später stirbt Batesov im Krankenhaus. Die Strafkammer spricht von "diffuser Fremdenfeindlicheit", kann aber kein rassistisches Motiv erkennen. Die Jugendlichen werden zwischen einem und zehn Jahren wegen Totschlags verurteilt. Ahmet Sarlak (19), türkischer Herkunft, wird in Sulzbach auf einem Volksfest im August 2002 von einem Neofaschisten mit unzähligen Messerstichen getötet. In der Wohnung des deutsch-kroatischen Täters werden Hakenkreuzfahnen und SS-Runen gefunden. Generalbundesanwalt Kai Nehm zieht den Fall an sich und sieht kein ausreichendes Motiv für Fremdenfeindlichkeit. Der Täter wird wegen Totschlags zu sechs Jahren verurteilt. Ronald Masch (29) wird im Juni 2002 in Neu-Mahlisch von vier neofaschistischen Tätern erstochen und erschlagen. Allein ein Täter malträtiert ihn mit 40 Messerstichen in Brust und Hals. Erst Wochen später wird die Leiche gefunden. Zwei Täter werden wegen Mordes angeklagt, die anderen wegen Beihilfe zum Mord. Die Sicherheitsbehörden sprechen selbst von Leitwölfen der rechten Szene in Fürstenwalde und erklären, daß die Täter die Menschheit in "Kameraden" und "minderwertigen Rest" unterteilen. Dennoch kommt die Staatsanwaltschaft zu dem Schluß, kein rechtes Motiv zu erkennen. Ingo B. (36) wird in Berlin von angetrunkenen Neofaschisten gewürgt und zusammengeschlagen, weil er angeblich 40 DM Schulden nicht bezahlen wollte. Der herzkranke B. stirbt am Herzinfarkt. Die Täter werden wegen Totschlags angeklagt. Einer der Beteiligten war bereits 2001 verurteilt worden, nachdem er einen Jugendlichen alleine deshalb, weil dieser Ausländer sei, zusammengetreten hatte. Doch Schily weiß von diesen und anderen, ähnlichen Fällen (denen noch zahlreiche Verdachtsfälle hinzuzurechnen sind, ganz abgesehen von eine aller Erfahrung nach erheblichen Dunkelziffer) nichts. Und so hat in Deutschland alles seine Richtigkeit und Ordnung.
Erschienen in Ossietzky 12/2003 |
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