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Und die Agentur Moodys, ebenso renommiert, ließ sich mit diesem Ratschlag zitieren: In den deutschen Systemen zur sozialen Sicherung liege noch »viel Handlungspotenzial«; durch weitere Leistungskürzungen könne die Bundesrepublik beim Rating besser abschneiden. Was braucht es da noch Wahlen? Die Bewertung von Politik liegt bei den Analysten in börsenbewährten Händen. Der Maßstab für Bonität ist klar definiert: Das Unternehmen muß gute Aussichten bieten, aus viel Geld noch mehr Geld zu machen. Endlich mal ein sicheres Kriterium, mit dem man auch Leistungen einer Regierung messen kann. Bürgerrechte auf dem RückzugZum siebten Male haben die Humanistische Union und andere Bürgerrechtsorganisationen ihren »Grundrechte-Report « vorgelegt, und wieder informiert er über viele neue Einschränkungen und Verletzungen verfassungsrechtlich garantierter Grundrechte: Demonstratiosverbote, Polizeiübergriffe, mangelhafte rechtliche Ahndung solcher Übergriffe, Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses, immer umfassendere Datenspeicherung. Die verantwortlichen Innenpolitiker begründen den Grundrechtsabbau stets mit der Notwendigkeit, Gefahren für unser aller Sicherheit abzuwehren. Aber hat sich die Sicherheitslage in Deutschland dadurch verbessert? Diese Frage warf bei der Präsentation des diesjährigen »Grundrechte-Reports« am 22. Mai in Karlsruhe der frühere Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling auf, und er gab selbst die Antwort: »Die Erwartungen, die mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen verbunden werden, bleiben meist unerfüllt.« Gesetzliche Strafverschärfungen (»ein beliebtes Sedativum bei dramatischen oder dramatisierten Kriminalberichten«) seien ein untaugliches Mittel zur Verbrechensbekämpfung. Kein Staat könne vollkommenen Schutz vor Verbrechen gewährleisten. Durch spektakuläre Einzelfälle würden Ängste ausgelöst, und immer wieder nutzten Politiker – aus Überzeugung oder aus populistischem Kalkül – die Ängste für ihre Machtinteressen aus, schürten die Emotionen und profitierten davon. Den seriöseren unter ihnen bleibe kaum eine andere Wahl, als mitzuhalten. Darin sieht Kühling die treibende Kraft für die stetige Zunahme repressiver Gesetze und Maßnahmen. Als zweiten Faktor nannte er »eine naturwüchsige Tendenz der Sicherheitsapparate, ihre Befugnisse auszuweiten – ob dieses Bestreben allein aus dem Wunsch nach höherer Effektivität gespeist wird oder ob nicht auch schnöde Machtinteressen dahinterstehen, will ich offen lassen.« Jedenfalls seien die Bürgerrechte seit vielen Jahren »auf dem Rückzug – und ein Ende ist nicht in Sicht«. Diese fatale Tendenz findet sich Jahr für Jahr im »Grundrechte-Report« dokumentiert. Zusätzlichen Wert gewinnt er, indem er auch den permanenten Verfassungsbruch durch die Militärpolitik der Bundesregierung und in diesem Jahr erstmalig die Entrechtung von abhängig Beschäftigten thematisiert. So wird hier beispielsweise berichtet, daß der Siemens- Konzern 1000 Beschäftigte entließ, um anschließend 800 von ihnen an ihren alten Arbeitsplätzen wiedereinzusetzen, aber mit 20 Prozent weniger Lohn: als Leiharbeiter. Welche Vorzüge – außer dieser Lohnkostensenkung – die Leiharbeit für die Unternehmen hat, formulierte die Hartz-Kommission in aller Klarheit: Sie gehen keine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und keine Kostenrisiken ein. So vermittelt der »Grundrechte- Report« auch in diesem Jahr wieder Grundwissen für die kritische Auseinandersetzung mit deutschen Zuständen: anschaulich, nachvollziehbar, überzeugend. Die Entwürdigung des Menschen durch gesetzlichen Abbau sozialer Sicherheit wird in künftigen Jahrbüchern dieser Reihe wohl wachsende Beachtung finden müssen. Red. Till Müller-Heidelberg u.a. (Hg.): »Grundrechte-Report 2003«, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 238 Seiten, 9.90 € Verbrechen unterm Edelweißvon Ulrich Sander »Als bayerischer Ministerpräsident, der seinen Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern abgeleistet hat, bin ich natürlich besonders stolz auf diese spezifisch bayerische Truppe und ihre Leistungen in Vergangenheit und Gegenwart. « Edmund Stoiber meinte damit die 1. Gebirgsdivision, die zu den Eliteeinheiten der Hitler-Wehrmacht und dann auch sogleich der Bundeswehr gehörte. Jetzt zu Pfingsten treffen sich zum 51. Male Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg, Bundeswehrreservisten und aktive »Jager« dieser Truppe an ihrem Traditionsstandort Mittenwald. Zum ersten Mal aber werden ihnen dort nicht nur geschichtsbewußte Demonstranten, sondern auch solche Menschen gegenüberstehen, die einst die mörderischen »Leistungen« der mit dem Edelweiß verzierten deutschen Soldaten auf der Seite der Opfer erlebt haben. Die 1. Gebirgsdivision hinterließ ihre blutigen Spuren besonders in Griechenland; in Kommeno und Kephallonia und vielen anderen Orten wurden Hunderte von Zivilisten und Tausende von Kriegsgefangenen zu Opfern der Edelweiß-Truppe. Kommandeur bei diesen Gemetzeln war Major Dr. Reinhold Kiebe, der es später in der Bundeswehr zum Standortältesten in Mittenwald brachte. Bisher hat kein deutsches Gericht den Tätern ein Haar gekrümmt, aber inzwischen sind durch Klagen der Opfer und auf Initiative der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes hin einige Staatsanwaltschaften in dieser Sache wieder aktiv geworden. Wann werden die Verbrechen unterm Edelweiß endlich gesühnt? Es grüßt euch alle euer Ernstvon Wolfgang Eckert 1943 schrieb mein Onkel Ernst eine Feldpostkarte aus Rußland nach Deutschland. Es grüßt euch alle euer Ernst, stand darauf. Die Schriftzüge waren sehr zittrig, mehrmals rutschten die Buchstaben von der Zeile herab. Er mußte die Worte mit großer Anstrengung geschrieben haben. Unterzeichnet hatte der Armeepfarrer. Mein Onkel Ernst starb an Bauchschüssen, verursacht durch eine Maschinengewehrgarbe. Er war zwanzig Jahre alt. Von da an sah ich seinen Vater, meinen Großvater, nicht mehr lachen. Plärrte Hitlers Stimme im Volksempfänger, sagte er verbittert: »Der Lump hat mir meinen Sohn genommen.« Meine Großmutter, Trägerin des Mutterkreuzes, hielt ihm erschrocken die Hand auf den Mund und flüsterte: »Sei still!« Eine Annonce haben sie nicht in die Zeitung setzen lassen: »... geben wir hiermit kund, daß unser Sohn auf dem Felde der Ehre für Führer und Vaterland ...« Daran mußte ich denken, als ich las, daß der dreißigjährige Oberleutnant Therrel Childers im Irak an einem Bauchschuß starb. Die Familie ist erschüttert, war weiter zu lesen, aber sie unterstützt nach wie vor die Entscheidung des Präsidenten. Immerhin wurde Childers zehn Jahre älter als mein Onkel. Doch die zehn Jahre Lebenserfahrung mehr haben nichts genützt. Das »Führer befiehl, wir folgen dir« wurde hier nur umgetauscht gegen »Wir unterstützen nach wie vor die Entscheidung des Präsidenten.« Mein Onkel Ernst fiel in Rußland, Childers im Irak. Mein Onkel glaubte, er müsse in Rußland etwas gegen die Deutschland bedrohende Gefahr des Bolschewismus tun, Childers, er müsse sein edles Amerika vor der Bedrohung durch das ferne kleine Land Irak schützen. 1943 – 2003. Sechzig Jahre liegen dazwischen, und es hat sich nichts geändert. Dabei hätten die Amerikaner doch so gut von uns, den verführten Deutschen, lernen können, was Propaganda in den Köpfen bewirkt – damals, als sie mit ihren Bomberverbänden herüberflogen und in der Normandie landeten, um uns vom Faschismus zu befreien. Oder mußten sie kommen, um noch rechtzeitig anteilig zu werden an der Beute? Um eine Basis in Europa zu schaffen? Denn sie haben nur immer sich selber betrachtet, bis zum heutigen Tag. Wer aber nur sich selber sieht und sich überhöht, wird eines Tages über einer gewaltigen Fehlrechnung Bilanz ziehen. Das Traurige an dieser Geschichte ist, daß mein Onkel Ernst wie auch Therrel Childers keine Rolle in solch einer Rechnung spielen und doch ein Recht auf ihr Leben hatten. Es ist verweht und vergessen, und der Zorn über die Einzelnen, die ihrer gierigen Interessen wegen das Vergessen fördern, müßte alle Völker der Welt laut werden lassen. Wir sind so viele und sie so wenige. Doch am Ostersonnabend waren wir nur vierundzwanzig Menschen, die sich auf dem Glauchauer Marktplatz trafen und etwas mutlos geworden auf den Friedensmarsch nach Meerane verzichteten. Am Thema konnte es nicht liegen. Das war weit gesteckt für alle und hieß: Kein Krieg – nirgends. So standen wir noch ein bißchen zusammen und redeten miteinander. Auch das war schon gut. Wo waren die anderen? Müssen vielleicht Rostbratwurstbuden und Freibierzelte her, um sie zu locken? Oder glauben sie, es hilft ja alles nichts, die Großen machen doch, was sie wollen? Wenn wir schweigen, machen sie es. Wir dürfen es uns nicht leisten, mutlos zu werden. Denn mein vom Tod seines Sohnes verbitterter Großvater ist nicht allein gewesen, bis heute nicht: Michael Waters-Bye war in der amerikanischen Presse mit dem Foto seines im Irak gefallenen Sohnes zu sehen, und unter dem Bild stand: Ich möchte, daß Präsident Bush sich das hier sehr genau ansieht. Das ist der einzige Sohn, den ich hatte, der einzige Sohn. Es gibt noch ein anderes Amerika. Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar. Press-Kohlvon Felix Mantel Der faule Zauber, welcher zuweilen im Haus des Berliner Ensembles zelebriert wird, gewinnt noch mehr vom intensiven Duft der Buttersäure, wenn er in der Berliner Zeitung erläutert wird. »Wilson und Grönemeyer, zwei Erfolgsvertreter der bürgerlichen Unterhaltung mit Anspruch«, bemerkt Ulrich Seidler, »arbeiten nach eigenen Angaben beide aus dem Bauch. Was da herauskommt,« – nämlich aus dem Bauch – »wird jedoch von erprobten Erfolgsrezepten zu Ende gebacken.« Robert Wilson aus Texas und Herbert Grönemeyer aus Westfalen backen nämlich als moderne Mehl-Magier nicht mehr nach Rezepten, sondern lassen von Rezepten backen, was so aus ihren Bäuchen herauskommt. »Wilson macht mehr in Ästhetik, Grönemeyer mehr in Gefühl«, und Seidler macht mehr in den publizistischen Nachttopf. »Ästhetik und Gefühle muß man sich leisten können. Sie machen das Leben bunt, überdecken die Langeweile eine Weile und werden deswegen immer mal gern in Anspruch genommen. In diesen Bereichen finden eine Menge Dienstleister ihr Auskommen. Lustspielverfasser zum Beispiel oder Lustspielinszenierer oder Lustspielvertoner.« Das Blatt, bei dem unser Kronzeuge sein Auskommen findet, beschäftigt keine Lust-Spielverderber. Und so resümiert der Gewährsmann für Bühnenkunst: »Wilson und Grönemeyer vereinen ihre Kräfte, um die Brüchigkeit des Textes bildlich und klanglich zu übertünchen.« Denn Grönemeyer ist zwar kein bedeutender Sänger, aber wie er die Brüchigkeit eines Textes von Georg Büchner klanglich zu übertünchen weiß, das macht ihm so leicht kein professioneller Illusionist nach. De profundis ruft der Rezensent uns zu: »Allerdings hat Büchner mit 'Leonce und Lena‘ anderes gewollt, als lediglich zu unterhalten.« Die Wahrheit kommt fast immer ans Licht. Hier scheint sie Herr Seidler in seiner alten Schulfibel nachgelesen zu haben.
Erschienen in Ossietzky 11/2003 |
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