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Irritationen über die Auswechslung des Führungspersonals und gelegentliche anti-amerikanische Demonstrationen sowie der offensichtliche Widerstand des schiitischen Klerus sollten nicht darüber hinwegtäuschen, daß die wesentlicheren Entscheidungen zur Einrichtung des Protektorats außerhalb des Landes getroffen werden und besser laufen, zum Beispiel welchen Firmen der Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur beziehungsweise der über das letzte Jahrzehnt vernachlässigten und daher völlig maroden Förderanlagen übertragen wird und welche finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stehen. Letzteres wurde jetzt durch die einstimmige Entscheidung des UNO-Sicherheitsrats geklärt, insofern er den USA faktisch den vollen Zugriff auf die irakischen Ölquellen gestattete. Damit wurden auch die bereits zuvor erteilten Aufträge an die eigene Industrie legitimiert. Bald wird der Streit um die Rechtswidrigkeit der Invasion vergessen sein und von neuen Auseinandersetzungen über die Aufteilung der Beute, d.h. wer wie und mit welchem Anteil an der Ausbeutung der Reichtümer dieses Landes beteiligt wird, überlagert werden. Mit ihrer Zustimmung zum amerikanischen Resolutionsentwurf haben sich die Kriegsgegner jetzt wieder dort eingereiht, wo ihre Interessen sie legitimerweise hinstellen: hinter die USA – allerdings an einen vorerst noch ungünstigen Platz in der immer länger werdenden Schlange. Das Protektorat nimmt langsam Formen an, und über die zahlreichen noch zu erwartenden Schwierigkeiten wird die immer wieder in das Gedächtnis zurückgerufene Erleichterung über die Befreiung vom Regime Saddam Husseins hinweghelfen. Letztlich wird auch dieser Krieg wie schon die Bombardierung Jugoslawiens und die Verfolgung bin Ladens in Afghanistan als eine zwar höchst aufwendige, aber doch segensreiche humanitäre Intervention dem Gedächtnis der Völker eingeprägt werden. Und kaum jemand wird noch an die ursprünglichen Ziele der Invasion erinnern, da doch nun die Beseitigung des Regimes Legitimation genug ist. Was einem von den Schergen Saddam Husseins Gefolterten unmittelbar einleuchtet und nicht zu verdenken ist, wenn er hoffnungsfroh an seine Zukunft glaubt, wird dem fern vom Kriegsgeschehen und angesichts der Zukunft der Weltordnung hin und wieder zweifelnden Beobachter mit radikalen Thesen nahegebracht: Die schon vor dem Jugoslawienkrieg von dem Journalisten Robert Kagan in der Zeitschrift Foreign Policy als »wohlwollendes Imperium « gepriesenen USA werden nunmehr von dem Völkerrechtler Michael J. Glennon in der Zeitschrift Foreign Affairs (»Showdown at Turtlebay«, Mai/Juni 2003) in den durchaus überirdisch zu nennenden Status eines Hegemon gehoben, der nicht mehr Unrecht tun kann. Da das Interventionsverbot angesichts der vergangenen Interventionen nicht mehr gelte, hätten die USA auch mit dem Krieg gegen den Irak gar nicht unrechtmäßig handeln können. All dieser Unsinn zielt nicht nur auf die Rechtfertigung des Geschehenen, sondern soll auch den Weg für zukünftige Interventionen, für die nun auch die Bundeswehr ausgerüstet wird, ebnen. Die Maschine der Verwirrung wird auf hohe Touren gebracht und von heimischen Intellektuellen wie Diner, Enzensberger und Hondrich mit imperialen Sehnsüchten geölt. Vor allem ist derzeit keine Institution in Sicht, die zumindest das ausgräbt, säubert und dokumentiert, was wirklich geschehen ist, um wenigstens dem irakischen Volk später die Möglichkeit zu geben, seine eigene Geschichte von den Umhüllungen der Propaganda und Verfälschungen zu befreien. Wie schwierig das ist, haben uns die Recherchen des Journalisten Seymour M. Hersh gezeigt, der knapp zehn Jahre benötigte, um die Kriegsverbrechen des US-Generals Barry McCaffrey im zweiten Golfkrieg 1991 aufzudecken und zu publizieren (»Overwhelming Force. What happened in the final days of the Gulf War?” The New Yorker, Mai 2000). Jene Institution, die eine solche Aufgabe übernehmen und mit der notwendigen Unabhängigkeit durchführen könnte, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, ist schon vor seiner Arbeitsaufnahme durch die Ausnahmen zugunsten der USA paralysiert. Was den Nürnberger Prozessen weitgehend gelang und seitdem als Vorbild für die Konzeption internationaler Strafgerichtsbarkeit galt, Kriegsverbrechen nicht nur zu sühnen, sondern vor allem zu dokumentieren und beweiskräftig der Nachwelt zu überliefern, droht in der Konstruktion der modernen Tribunale als Siegerjustiz unterzugehen. Der Vorwurf der Einseitigkeit und Siegerjustiz war auch schon gegen die Alliierten in Nürnberg erhoben worden und daher in den Beratungen der International Law Commission immer präsent. Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs hat die Mahnung, anders als das Jugoslawien-Tribunal, berücksichtigt – die USA haben ihm daraufhin die Anerkennung verweigert. Unabhängig davon, wo die geplanten Prozesse gegen das alte Regime und mit welchem Ergebnis sie geführt werden, sie werden allenfalls die Hälfte der Wahrheit umfassen. Den Krieg der Koalition, und zwar seit seinem Beginn mit der Einrichtung der Flugverbotszonen 1991 und deren regelmäßiger Bombardierung, werden sie weiter im Dunkeln lassen. Es ist also notwendig, auf jene Institution zurückzugreifen, die 1967 auf Initiative von Lord Bertrand Russell erstmals als »Internationales Tribunal über die amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam « der angegriffenen Seite international Gehör verschaffte. Mangels einer internationalen Gerichtsbarkeit sollte das Tribunal diese nicht ersetzen, sondern mit den Methoden des Prozesses und seines rechtlichen Instrumentariums vor allem über den wahren Ablauf des Krieges, seine politischen, militärischen und ökonomischen Hintergründe, die Verstrickung der einzelnen Regierungen in den Krieg und die Verstöße gegen das Völkerrecht aufklären. Nicht die ohnehin unmögliche Sanktion, sondern die Wahrheit war das Ziel. »Die Wörter nutzen sich ab, sie verblassen«, begründete der damalige Vorsitzende Jean-Paul Sartre die Legitimation des Tribunals. »Verbrecherisch – schön; aber die Teilnehmer eines Meetings wollen mehr als eine vage ethische Kennzeichnung, die sich bei ihnen, da sie ungenau ist, in ein subjektives Unbehagen verwandelt: Sie wollen, daß das vom Redner ausgesprochene Urteil den Charakter einer objektiven Bestimmung annimmt und immer bewahrt.« Das Vietnam-Tribunal wurde Vorbild für zahlreiche weitere – nach dem Tod Lord Russells von Lelio Basso fortgeführt. Sie erweiterten ihre Funktion und nahmen sich globaler nicht-militärischer Probleme wie der Verschuldung und Umweltzerstörung an, sie verloren an Resonanz. In jüngster Zeit allerdings nahm die Friedensbewegung die Tradition wieder auf: Nach dem NATO-Angriff auf Jugoslawien machte sie die vom Haager Tribunal verweigerte Untersuchung der Kriegsführung der NATO-Staaten zum Gegenstand mehrerer internationaler Tribunale. Der Verlauf des Irak-Krieges und die Verweigerung seiner Aufklärung verlangen nach einem weiteren Tribunal. Nicht nur die drei Wochen der offenen Invasion, sondern die langen Jahre des Embargos und des verdeckten Krieges in den sogenannten Flugverbotszonen, die verschwiegenen Geschäfts- und politischen Beziehungen zwischen den späteren Kriegsgegnern, das Verwirrspiel um die Massenvernichtungsmittel und die Instrumentalisierung der Waffeninspektoren, die Methoden der Beweisführung der Kriegskoalition, die Rolle der Nachbarstaaten und der Medien – es liegen zu viele Zweifel und Unklarheiten auf dem Weg zu einem halbwegs objektiven und glaubhaften Bild von diesem Krieg. Nicht, daß es möglich wäre, in all diesen Fragen den erhofften Aufschluß zu bekommen, aber es müssen Beweise gesichert und Quellen der Information erschlossen werden, um die Geschehnisse offen zu halten für weitere und spätere Untersuchungen, damit die Suche nach der Wahrheit nicht schon bald in der Sackgasse verschütteter Fakten und davor aufgestapelter Lügen stecken bleibt. Wichtig ist dabei das Kriterium der Wahrheit und Objektivität, welches an die erkundete Realität angelegt wird. Es kann nur in einem Maßstab universaler Gültigkeit liegen, der von keiner partikularen Moral etwa angegriffen und in Frage gestellt werden kann. Und dieser kann schließlich nur aus dem Recht und den Gesetzen stammen, welche die Staaten sich selbst gegeben haben – daher die Anlehnung an die juristische Methode eines Tribunals, welches noch immer von den Nürnberger Prinzipien bestimmt wird. In den Worten Sartres: »Das Statut des Nürnberger Militärgerichtshofs ist deshalb von historischer Bedeutung, weil das ius ad bellum darin in ein ius contra bellum verwandelt wird: Die Aggression wird zu einem Verbrechen gegen den Frieden erklärt... Die Gesetze wurden so genau auf Hitlers Schandtaten abgestimmt, daß die Alliierten nicht merkten, daß sie auch auf ihre eigenen angewendet werden konnten. Angriffs- und Eroberungskriege, Massenmord an Zivilisten, standrechtliche Erschießungen, Mißhandlungen von Gefangenen, Foltern, Völkermord, all das wurde damals zum Verbrechen erklärt. Mit Recht; aber diese brisanten Bestimmungen hätten, nachdem sie es ermöglicht haben, Göring auf die Anklagebank zu bringen, in der Folge dazu führen können, daß Salazar wegen seiner Angolapolitik oder – wer weiß? – ein französischer oder englischer Minister unter Anklage gestellt wurde... Im Zusammenhang mit dem schwersten internationalen Verbrechen – der Aggression – sagte der Hauptankläger Jackson, der im Namen der Vereinigten Staaten sprach, sogar unvorsichtigerweise: ‚Obwohl diese Gesetze zum ersten Mal auf die deutschen Aggressoren angewendet werden, so können doch – wenn sie wirklich von Nutzen sein sollen – andere Anwendungsmöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden; jede Aggression muß verurteilt werden, gleichviel, welcher Staat sich ihrer schuldig gemacht hat, die Staaten, die hier die Verhandlungen führen, nicht ausgeschlossen.’« Solange diese Staaten das jedoch zu verhindern wissen, bleibt nur die Organisation eines Tribunals, um der Strategie des Vergessens des Krieges und der Erosion des Rechts entgegenzutreten.
Erschienen in Ossietzky 11/2003 |
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