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Um ernsthafte Argumente bemühen sie sich nicht – es sei denn, man nähme es ernst, wenn sie für alle Übel und Krisenerscheinungen des Kapitalismus ausgerechnet die Gewerkschaften verantwortlich machen. Daß ihre Vorwürfe einander oft widersprechen, ist ihnen gleichgültig. Hauptsache, die Gewerkschaften werden diffamiert – oder jovial bespöttelt, worauf sich besonders der Vorsitzende der SPD, Bundeskanzler Gerhard Schröder, versteht. Alltäglich geworden sind vor allem die Versuche, unter den Abhängigen die Beschäftigten und die Nichtbeschäftigten gegeneinander aufzubringen und auszuspielen. Hier – alphabetisch sortiert – eine kleine Auswahl der Infamien: »Althergebrachtes«, so beschwert sich Schröder, wolle der DGB bewahren, statt sich zu den »Reformen« zu bekennen, die – aber das sagt Schröder nicht – einseitig zu Lasten der Abhängigen gehen. »Bevormundung der Beschäftigten« ist es in den Worten der CD-ROM-Fabrikantin Nanna Botsch, wenn die Gewerkschaften sich um die Einhaltung tariflicher und gesetzlicher Arbeitszeiten kümmern. »Blockade« wirft der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Friedrich Merz, den Gewerkschaften vor: Sie versuchten, die Chancen zu blockieren, die wir in Deutschland haben. Drohungen der Gewerkschaften, befindet der Politikberater Peter Lösche, seien eher nach innen gerichtet, um die Mitglieder mit starken Worten bei der Stange zu halten: »Der DGB spielt mit Muskeln, die er gar nicht hat.« »Ewiggestrige, die die guten Vorschläge des Kanzlers zerreden wollen«, schilt Diether Klingenberg, Präsident des Maschinenbau-Verbandes. »Gezerre der Gewerkschaften« habe bis jetzt eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens verhindert, empört sich Lüder Gerken, Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft Berlin und der Stiftung für Ordnungspolitik Freiburg. »Gift« verabreiche die Gewerkschaft der Wirtschaft, klagt Max Ludwig, Chef des Pumpenwerks Oranienburg, über die Forderung der IG Metall, die 35-Stunden- Woche auch in Ostdeutschland einzuführen. »Hardliner mit alten Klassenkampfidealen« – so oder ähnlich nannten die meisten deutschen Wirtschaftsjournalisten Jürgen Peters nach dessen Nominierung für den Vorsitz der IG Metall, um uns vor ihm gruseln zu machen; sie erwiesen sich auch damit wieder als Hardliner des Klassenkampfs von oben. »Kaputtmacher« sind die Gewerkschaften im Sprachgebrauch des badenwürttembergischen FDP-Landesvorsitzenden Walter Döring. »Krawallkurs«: die Richtung, in die der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske laut Spiegel die Gewerkschaft »bürstet«. »Landplage«: Kurzbezeichnung des FDP-Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle für die Gewerkschaften. »Machtmißbrauch«: Vorwurf des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, gegen die Gewerkschaften – selbstverständlich verbunden mit der Forderung, daß der »Machtmißbrauch beendet werden muß«. Deswegen dürften Arbeitnehmer höchstens noch mit beratender Stimme in den Aufsichtsräten vertreten sein, und im Personalausschuß, der die Einkommen der Vorstandsmitglieder beschließt, hätten sie überhaupt nichts verloren. »Neidhammelei«: Wolfgang Gerhardt von der FDP und diverse Unternehmerfunktionäre über gewerkschaftliche Vergleiche zwischen den minimalen Lohnund Gehaltserhöhungen und den steil ansteigenden Bezügen der Vorstandsmitglieder großer Unternehmen (im vergangenen Jahr beispielsweise bei der Lufthansa 49 Prozent, bei DaimlerChrysler 131 Prozent). »Probleme großen Ausmaßes« bereite die »Reformverweigerung« des DGB, erklärt der baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP), als wäre an den Problemen in seinem Zuständigkeitsbereich der DGB schuld. »Rumorende Betonköpfe« nannte schon 1999 die angeblich neutrale Deutsche Presse-Agentur französische Streikführer. Das Wort »Betonköpfe« verwendet seitdem die Unternehmer-Propaganda für Gewerkschafter, die permanenten Sozialabbau und die Einschränkung von Arbeitnehmerrechten nicht akzeptieren. »Totengräber des Standorts Deutschland«: Unter diesem Titel, wenn auch mit Fragezeichen, kündigte dieser Tage der Südwestrundfunk eine Diskussion über die Haltung der Gewerkschaften angesichts der schlechten Wirtschaftslage an. Unfair ist nach dem Urteil des Parlamentarischen Staatssekretärs Rezzo Schlauch (Die Grünen) der DGB, wenn er die Absenkung der Renten auf den Inflationsausgleich ablehnt – wobei es Schlauch nicht stört, daß in Wirklichkeit die Belastungen der Rentner stärker steigen als die Renten. »Unflätig« ist es für Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf, daß Gewerkschaftsmitglieder ihren Mann auspfeifen, wenn er auf einer Mai-Kundgebung den Sozialabbau propagiert. »Verweigerungshaltung« nennen es Unternehmer-Institute, wenn Gewerkschaften auf geltende Tarifverträge pochen. »Wirtschaftsfeindlich« verhalte sich der DGB, wenn er eine Vermögenssteuer fordere und eine weitere steuerliche Entlastung der Vermögenden ablehne, tönt landauf landab der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Gerhardt. »Zubetonieren« ist für Bundeskanzler Schröder das, was die Gewerkschaften tun, um den Sozialabbau abzuwehren – obwohl es bisher über Protestieren und Verhandeln nicht hinausgeht.
Erschienen in Ossietzky 11/2003 |
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