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Im DDR-Handbuch »Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung in Daten« von 1986 ist das Godesberger Programm knapp und treffend so zusammengefaßt: »Mit ihm werden der kapitalistische Staat und seine Verteidigung uneingeschränkt bejaht, dem kapitalistischen Eigentum an den Produktionsmitteln wird Schutz und Förderung zugesagt, und die SPD wird nicht mehr als Arbeiterpartei charakterisiert.« Die Autoren des Geschichtslexikons könnten das neue PDS-Programm ähnlich zusammenfassen, wenn man davon absieht, daß die PDS nie eine Arbeiterpartei war. Das Programm liegt zwar nur in einem Entwurf vor, der aber ist fast sakrosankt. Die Parteivorsitzende Gabriele Zimmer ließ ihn an der Programmkommission vorbei von André Brie, Michael Brie und Dieter Klein schreiben und präsentierte ihn vor zwei Jahren mit ultimativen Feststellungen. Sie laufen darauf hinaus, daß der Entwurf zwar eben nur ein Entwurf, aber faktisch unveränderbar ist. Die Aufgaben der PDS-Programmkommission wurden entsprechend auf Abnicken reduziert, eine breite Diskussion in der PDS fand nicht statt. Der Chemnitzer Programmparteitag im kommenden Oktober schien bis zur Bundestagswahl eine Formsache. Danach und erst recht nach dem Geraer Parteitag sah das anders aus. Der neue Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch, der sich auch nach seinem Übertritt von der SPD in die PDS 1999 als Sozialdemokrat bezeichnet, bekam mit seinen Vorhaben, klassische Themen der Sozialdemokratie in der PDS in den Vordergrund zu stellen, größte Schwierigkeiten. Ende April wurde ein nichtiger Anlaß gefunden, um ihn zu entmachten. Zum Konflikt zwischen Hiksch und Zimmer mag Vieles beigetragen haben, hervorzuheben ist, daß ihre programmatischen Grundpositionen unvereinbar sind. Denn sozialdemokratische Forderungen, selbst die des Godesberger oder die des Berliner SPD-Programms von 1989, bewegen sich jenseits des PDS-Programmentwurfs. Nach den Worten von André Brie ist er »ein Bruch in der Programmatik und Politik der PDS«. Er wurde fast zehn Jahre lang vorbereitet. Denn die Kritik am 1993 verabschiedeten PDS-Programm, das zahlreiche sozialistische Forderungen enthält, war von den PDS-»Reformern« schon unmittelbar nach dessen Annahme entfacht worden. Sie betrachten es offenbar als Dokument einer Niederlage. Am 28. August 2002, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, hatten die drei Autoren des neuen Programmentwurfs in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen. Sie schrieben dort unter anderem: »Wir gehören nicht zu den orthodoxen Marxisten der II. und anderer Internationalen, die Enteignung und Sozialisierung als Heilsweg zu Freiheit und Gleichheit ansahen.« Sie versicherten, daß der Entwurf »ganz im Sinne der Philosophie einer offenen Gesellschaft, wie sie von Karl Popper formuliert wurde«, erarbeitet worden sei. Hier sei angemerkt, daß Helmut Schmidt sich auf Poppers »soziale Stückwerktechnologie « berief, als die SPD in den 70er Jahren das »Programm 2000« beschloß. Das Godesberger Programm hingegen beschäftigte sich noch mit der Gesellschaft insgesamt und ihren grundlegende Widersprüchen. Solche Ansätze muß man bei Berufung auf Popper, für den Gesellschaftstheoretiker wie Platon, Hegel und Marx »Philosophen der Horde« waren, beseitigen. Nach Popper kann es keinen sinnvollen Begriff von Gesellschaft, geschweige von gesellschaftlicher Veränderung geben. Margaret Thatcher hat diese Position in die Formel gekleidet: »Ich kenne keine Gesellschaft, nur Individuen.« Popper selbst hat seine Überzeugung, daß Nachdenken über Sozialismus, also sozialistische Programmatik, ein Fall für die Psychopathologie sei, vielleicht am schönsten im Spiegel vom 23. März 1992 ausgedrückt: »Der kommunistische Wahnsinn besteht im wesentlichen darin, und das findet sich schon in Marx, daß die sogenannte kapitalistische Welt als teuflisch angesehen wird. Das, was Marx Kapitalismus genannt hat, hat es nie auf der Welt gegeben, auch nicht etwas ähnliches.« Eine Konsequenz aus dem Begriff »offene Gesellschaft« ist, daß es weder Kapitalismus im Marxschen Sinn noch Sozialismus gibt. Die begriffliche Negation der »offenen« ist eine »geschlossene Gesellschaft«, und so präsentiert Popper eine philosophisch aufgehübschte Variante der Totalitarismusdoktrin mit dem Hauptzweck, Sozialismus und Faschismus gleichzusetzen. Mehr an Alternative kennt die akademisch verdolmetschte Alltagsreligion Politologie nicht. Ihr Katechismus reduziert sich auf die fundamentalistische Glaubensformel Demokratie = Parlamentarismus + Marktwirtschaft. Wenn es mit allen dreien nicht klappt, werden »Werte« bemüht. Ein Zufall ist es so gesehen nicht, daß der Programmentwurf von Brie/Brie/Klein ein stark werthaltiges, aber ephemeres Phänomen namens »Freiheitsgüter« an die Spitze stellt sowie den Artikel 1 des Grundgesetzes: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.« Dieser Satz ist eine zynische Lüge. Die Würde des Menschen wird in einer Gesellschaft, in der weit über 90 Prozent gezwungen sind, ihre Arbeitskraft und sich selbst zu verkaufen, täglich ad absurdum geführt. Es bedarf dazu nicht der Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit und Armut, des Polizeiknüppels, der Asylverweigerung, des Rassismus oder der Diskriminierung jeder Art. Sie sind allerdings eine notwendige Zugabe zu einer Ausbeutungsgesellschaft. Wird das »ist« des Aussagesatzes durch ein »soll sein« ersetzt, enthält der Satz allerdings ein Programm, das die »offene Gesellschaft« sprengt. Das Programm der PDS ist, ein solches Programm nicht zu wollen.
Erschienen in Ossietzky 11/2003 |
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