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Das Ergebnis ist die Verwüstung einer 5000jährigen Hochkultur, die bisher vom irakischen Volk behütet wurde und den Gelehrten in der ganzen Welt zugänglich war. Das Nationalmuseum und zahlreiche Regionalmuseen wurden geplündert, das Museum für moderne Kunst, das Nationalarchiv, die Nationalbibliothek und die Koranbibliothek des Religionsministeriums brannten aus. Die Gebäude schützen? Die Antwort US-amerikanischer Soldaten: "This is not our order." Die Regierung in Washington teilte lakonisch mit, sie sei von der Gefährdung der Kulturgüter überrascht worden. Als ob Plünderungen nicht seit eh und je zum Krieg gehörten. Erst nach weltweitem Protest stellte die US-Army zögerlich und widerwillig die Gebäude unter Bewachung. Die Plünderer waren wohlvorbereitet. Einerseits raubten sie in den Museen gezielt die wertvollsten, größtenteils einmaligen Schätze. Andererseits vernichteten sie bewußt Handschriften über die Entstehung und Entwicklung des Islam, Dokumente über die Neokolonialisierung während des Ersten Weltkrieges unter der Federführung Großbritanniens, auch Aufzeichnungen aus der Zeit des Krieges zwischen dem Irak und den Iran. McGuire Gibson, Professor für mesopotamische Archäologie in Chicago, stellte fest, daß die Plünderer des Nationalmuseums Schlüssel für gesicherte Räume benutzten und wichtiges mesopotamisches Material aus Safes entnahmen. "Ich habe den Verdacht, daß dies von außerhalb des Landes organisiert wurde, ja ich bin mir ziemlich sicher, daß das so ist." Dem schließt sich auch der Münchner Archäologe Michael Roaf an, der von "organisierten kriminellen Handlungen, unterstützt von westlichen Kunsthändlern" spricht. Es wurde beobachtet, daß sich amerikanische Soldaten mehrere Stunden allein in den Museen aufhielten und dann Museumsgegenstände abtransportierten, daß Gipsrepliken zerschlagen, aber wertvolle Artefakte mit Samthandschuhen vorsichtig aus den Vitrinen gehoben wurden, daß Benzin als Brandbeschleuniger in die oberen Stockwerke des Nationalarchivs geworfen wurde. Die US-amerikanische Propaganda dagegen will uns weismachen, daß ungebildete, fanatisierte, verarmte Muslime aus Freude über den Sieg der Alliierten vandaliert hätten, man möge ihnen dies doch verzeihen. Sollte dieses gebildete Volk seine eigene Kultur zerstört haben? Seit wann vergreifen sich Muslime an einer Koranbibliothek? "Und das mehrmals zerstörte Babylon - Wer baute es so viele Male auf? So viele Berichte. So viele Fragen." (Bertolt Brecht: "Fragen eines lesenden Arbeiters") Erst jetzt reist eine Delegation der UNESCO nach Bagdad, um sich ein Bild von den Zerstörungen zu machen - die Sicherheitslage habe es nicht eher zugelassen. Im Klartext: Die Besatzungsmacht läßt es erst jetzt zu. Der Direktor des Islamischen Museums Berlin, Claus-Peter Haase: "Es ist wichtig, jetzt Präsenz zu zeigen, der Bevölkerung zu demonstrieren, daß wir nun wieder stärker kontrollieren." Nachdem alles Wichtige beiseite geschafft und alles Unliebsame zerstört worden ist. Die Delegation erwartet die gleichen Demütigungen wie eine offizielle Delegation der EU, die mit der ersten Hilfssendung dringend benötigter Medikamente gerade erst "vorgelassen" wurde. Dem Vorwurf, die Plünderungen im Irak seien gewollt, können sich die USA nicht entziehen. Der Coup ist von langer Hand vorbereitet worden. Was im April 2003 geschah, ist nur der Gipfel einer langen Reihe von Verbrechen gegen die Kultur des Irak. Es begann damit, daß bei der Aufnahme bedeutender Stätten in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes die Wünsche des Irak weitgehend ignoriert wurden. Auf ihr steht nur die Partnerstadt Hatra. Andere Vorschläge konnten angeblich aufgrund "technischer Umstände und fehlender Informationen" nicht berücksichtigt werden. Und was die UNESCO nicht schützt, betrachten die Befreier als Freiwild. (Als vor vier Jahren die NATO Jugoslawien überfiel und seit sie im Kosovo die Macht übernahm, verbrannten dort auch viele mittelalterliche serbische Heiligtümer, die unter UNESCO-Schutz standen.) Eine neue Etappe begann im Irak nach dem Golfkrieg 1991. Zuerst wurden die mit Schätzen reich gesegneten Regionalmuseen und historischen Stätten geplündert. Dahinter steht eine private Vereinigung von Sammlern und einflußreichen Anwälten unter der unverfänglichen Bezeichnung "American Council for Cultural Policy" (ACCP). Deren wichtigste Forderung ist die Lockerung der im Irak seit 1924 bestehenden Antiquitätengesetze unter einer amerikanisch kontrollierten Regierung. Dann verhängten die USA und der UN-Sicherheit ein Embargo, das auch die kulturellen Einrichtungen empfindlich traf: Kein Einbau von Alarm- und Klimaanlagen, weil sie auch militärisch nutzbar seien, keine Chemikalien, keine Filme für Fotos, kein Silikonkautschuk zum Abformen und andere Hilfsmittel zur Erschließung und Restaurierung der Bestände. Eine gute Vorbereitung für künftige Raubzüge. In einem diffusen göttlichen Auftrag hat der Präsident der USA im Jahre 2003 die kulturelle Identität des Irak ausradiert. US-Bomben haben das Land zerstört, US-Firmen führen den Wiederaufbau durch, den Neokolonialisten nicht genehme Aufzeichnungen werden verbrannt, US-Amerikaner bereichern sich an der legalisierten Plünderung der Kultur Mesopotamiens. Der Irak hat keine Lobby, und er hat seit Jahrzehnten ungewollt die falschen Freunde. Die eingangs erwähnte Konvention wurde von 103 Staaten unterzeichnet, darunter auch dem Irak. Die USA und Großbritannien verweigern nach wie vor die Unterschrift.
Erschienen in Ossietzky 10/2003 |
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