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Der 76jährige Berufsrevolutionär sagte: "Heute wird in Washington diskutiert, wo wie und wann Kuba angegriffen wird oder auf welchem Wege das Problem gelöst werden kann." Eine andere Nachricht aus Kuba hatte zuvor größere Aufmerksamkeit erregt: Mitte April hatte der oberste Gerichtshof nach einem einwöchigem Verfahren die Todesstrafe gegen drei mutmaßliche Terroristen verhängt und sofort vollstrecken lassen. Die drei hatten eine vollbesetzte Fähre entführt und damit gedroht, alle Passagiere, darunter viele Frauen und Kinder, umzubringen, wenn sie nicht in die USA reisen dürften. Es war nicht der erste Fall dieser Art. Im März waren zwei Flugzeuge und zwei Schiffe gewaltsam entführt worden. Der Leiter der Kuba-Sektion im US-Außenministerium, Kevin Whitaker, nannte die Entführungen eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit". Gemeint war die nationale Sicherheit der USA; und wenn sich die US-Administration um sie besorgt äußert, ist das allemal ein Signal für militärische Pläne. Nach dem ungewöhnlich harten Urteil des obersten Gerichtshofs in Havanna - die letzte Todesstrafe lag auf der Insel mehrere Jahre zurück -, hagelte es weltweite Proteste: Bekannte Schriftsteller wie der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago distanzierten sich von Kuba, und der Nachbarstaat Costa Rica brachte in die zeitgleich tagende UN-Menschenrechtskommission einen scharf formulierten Antrag gegen das Land wegen "grober Menschenrechtsverletzung" ein (der knapp abgelehnt wurde). Die kubanische Regierung wies die harsche Kritik zurück. Die drei Männer seien auf einer von den USA geförderten Welle des Terrors geritten und hätten das Leben vieler Kubaner gefährdet. "Die Vereinigten Staaten provozieren diese Handlungen", sagte der kubanische Außenminister Felipe Perez-Roque: Denn einerseits ließen die USA legale Einreisen kaum noch zu, anderseits stimulierten sie verbrecherische Aktionen. Nach dem letzten großen Exodus 1994, als etliche tausend Kubaner in die 90 Meilen entfernten Gewässer von Florida aufgebrochen waren, hatten sich die Vereinigten Staaten verpflichtet, jährlich 20 000 Kubaner legal einreisen zu lassen. Seit Ende 2002 waren jedoch weniger als 500 Visa erteilt worden. Andererseits hatte ein Gericht in Miami die dort gelandeten Flugzeugentführer - trotz eines Auslieferungsgesuches aus Havanna und entgegen allen internationalen Anti-Terror-Abkommen - nach einem Schnellverfahren und einer Geldstrafe freigelassen. Kuba gehört nicht zu den Ländern, die massenhaft die Todesstrafe anwenden; darin unterscheidet es sich gerade von den USA, deren heutiger Präsident in seiner Zeit als Gouverneur von Texas bekanntlich weit über 100 Menschen hinrichten ließ. Lucius Walker, Sprecher der bekanntesten US-Solidaritätsorganisation "Pastors for Peace", kritisierte die Todesstrafe in seiner Rede in Havanna am 1. Mai: "Kuba, ihr seid besser als das." Fidel Castro verteidigte sie jedoch als "leider notwendig", weil sich die Insel in einer offenen Konfrontation mit dem mächtigsten Land der Erde befinde, das seit Beginn der Revolution 1959 erklärtermaßen "mit allen möglichen Mitteln" das kubanische System zum Sturz bringen möchte. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern hatten sich seit dem Amtsantritt von George W. Bush deutlich verschlechtert. Bush berief als Staatssekretär für Lateinamerika den Rechtsextemisten Otto Reich, der im dringenden Verdacht steht, an mehreren Terrorakten in Zentralamerika beteiligt gewesen zu sein. Im September vergangenen Jahres entsandte Reich einen neuen Chefdiplomaten nach Havanna. Noch am Flughafen erklärte James Cason, sein Ziel sei es, "den Demokratisierungsprozeß in Kuba zu beschleunigen" und "jeden zu unterstützen, der dabei mithilft". Cason prahlte mit seinem 6000-Meilen-Plan, wonach er jeden Winkel der Insel bereisen und Kontakte herstellen will, um sich ein Bild von Oppositions- und Dissidentenstrukturen zu machen. In der amerikanischen Interessenvertretung gehen Dissidenten ein und aus, in Workshops werden nach Angaben der kubanischen Regierung direkt Gelder und Materialien an oppositionelle Gruppen und Personen verteilt. Die kubanische Regierung hatte mehrmals öffentlich dazu aufgefordert, diese verfassungswidrigen Aktionen einzustellen. Mitte März wurden 72 Dissidenten festgenommen, 25 von ihnen zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Im Gegensatz zu den schätzungsweise 2000 zumeist bis heute ungeklärten Verhaftungen nach dem 11. September in den USA, die wenig Kritik fanden, folgte im Fall Kubas sofort internationaler Protest: Das europäische Parlament ließ einen Ausschuß zu einer Sondersitzung zusammentreten, sogar der Papst meldete sich aus dem Vatikan, um die Freilassung der "Journalisten und Menschenrechtler" zu fordern. In diesem Fall aber, schrieben Intellektuelle wie der uruguayische Schriftsteller, Eduardo Galeano, die sich deutlich gegen die Todesstrafe aussprachen, gelte es, die Angelegenheit differenziert zu betrachten und nicht unter dem Vorwand der Menschenrechte eine neue Invasion wie gegen den Irak zu legitimieren.
Erschienen in Ossietzky 10/2003 |
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