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Die "Agenda 2010" ist ein erneuter Versuch, durch Senkung der Lohnnebenkosten und der staatlichen Sozialleistungen mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen. Wir kennen diese Versuche seit langem. Ganz abgesehen von den Ungerechtigkeiten, die sie mit sich bringen, erweisen sie sich auch ökonomisch als sinnlos. Beginnen wir mit den staatlichen Sozialleistungen: Allgemein wird der Eindruck erweckt, sie würden ständig steigen und damit die Wirtschaft überfordern. Der Eindruck entsteht aber nur dadurch, daß sie gar nicht ins Verhältnis zur Wirtschaft gesetzt werden. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt, das bisher ebenfalls immerzu gestiegen ist, sind die Sozialausgaben des Staates seit 1996 Jahr für Jahr zurückgegangen. Und zwar hauptsächlich aufgrund von Kürzungen zu Lasten der Arbeitslosen. Wurde dadurch aber Beschäftigung geschaffen? Wenn zum Beispiel in Ostdeutschland, wo 26 Arbeitslose auf eine offene Stelle kommen, behauptet wird, Kürzungen des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe würden zur Arbeitsaufnahme motivieren, ist das reiner Zynismus. Gestiegen sind in der Tat die Beitragssätze der Sozialversicherung; aber nicht, weil die Ansprüche so gewachsen wären, daß sie über die wirtschaftlichen Möglichkeiten hinausgingen. Sondern zum einen deshalb, weil die Zahl der Beitragszahler aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit gesunken ist, zum anderen weil die Kosten der Wiedervereinigung in hohem Maße den Sozialkassen aufgebürdet wurden. Solche versicherungsfremden gesamtgesellschaftlichen Leistungen sollten gerechterweise aus den (progressiven) Steuern finanziert werden. Die Beiträge zur Sozialversicherung werden gern als "Lohnnebenkosten" zum Thema gemacht, weil damit der Anschein entsteht, sie gehörten nicht eigentlich zum Lohn, bei ihnen ließe sich also am ehesten sparen. Sie sind aber Bestandteil der Bruttolöhne, die tariflich vereinbart werden, und für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hat es gar keine Bedeutung, wie sich die Arbeitskosten zusammensetzen. Wenn die Lohnnebenkosten thematisiert werden, geht es faktisch um Lohnkürzung. Bei der Behauptung, die Löhne in Deutschland seien zu hoch, wird regelmäßig vergessen, sie ins Verhältnis zur Produktivität zu setzen, die ebenfalls hoch ist und viele Jahre stärker gestiegen ist als die Löhne. Realistisch und sinnvoll sind internationale Vergleiche nur, wenn sie sich auf die Lohnstückkosten beziehen, die in Deutschland z.B. im letzten Jahr nur um 0,4 Prozent gestiegen sind, in den anderen großen EU-Ländern jedoch um 2,6 Prozent. Gleichwohl sagen die Arbeitgeber, die Arbeitslosigkeit sei so hoch, weil die Löhne künstlich, gegen die Gesetze des Marktes, hochgetrieben worden seien, und deuten an, daß sie bei niedrigeren Löhnen mehr Arbeitskräfte einstellen würden. Diese Behauptung widerspricht jedoch der Logik des Marktes, wonach bei niedriger Beschäftigung die Löhne niedrig sind, bei hoher Beschäftigung hoch. Wenn Arbeitskräfte knapp würden, müßten die Arbeitgeber wieder höhere Löhne zahlen. Sie brauchen Arbeitslosigkeit, um die Löhne niedrig halten zu können - das ist offizielle neoliberale Lehre. An einer Beseitigung der Arbeitslosigkeit können sie nicht interessiert sein. Der Weg von niedrigeren Löhnen bzw. Lohnnebenkosten zu mehr Beschäftigung ist nicht nur sehr weit, sondern eine Sackgasse. Folgt denn aus einer Senkung der Löhne zwangsläufig eine Steigerung der Gewinne? Nein, denn der Gewinn eines Unternehmens ist auch von seinem Management oder seiner Forschungs- und Entwicklungsabteilung und manchen anderen Faktoren abhängig. Folgt aus einer Steigerung der Gewinne notwendig ein Mehr an Investitionen? Nein, denn Gewinne können z.B. auch für Geldanlagen im Ausland verwandt werden. Führt ein Mehr an Investitionen automatisch zu mehr Arbeitsplätzen? Nein, Rationalisierungsinvestitionen führen im Gegenteil zu Stellenabbau. Kostensenkungen können freilich den Exportunternehmen helfen, sich durch Preissenkungen für den internationalen Wettbewerb zu stärken, um neue Absatzmärkte zu erschließen. In der Exportwirtschaft geht die Angst vor weiterem Steigen des Euro-Kurses gegenüber dem des Dollar um. Diesen Unternehmen unter die Arme zu greifen, ist der einzige Sinn von Schröders Agenda, den ich erkennen kann. Aber haben sie, die im letzten Jahr trotz Krise einen Handelsbilanzüberschuß von 127 Milliarden Euro erzielt haben, diese Hilfe nötig? Selbst der Exportindustrie verschafft eine Senkung der Lohnnebenkosten nur kurzfristig Wettbewerbsvorteile. Langfristig kann man Konkurrenzfähigkeit nur durch Forschung/Entwicklung und Höherqualifizierung der Arbeitskräfte stärken. In der exportorientierten Bundesrepublik beträgt der Anteil des Außenhandels an der Gesamtwirtschaft dennoch nur rund ein Viertel. Die meisten Unternehmen produzieren für den eigenen Markt. Alle Exporterfolge können daher den Ausfall an Binnennachfrage, den die Umsetzung der Agenda 2010 bewirken würde, nicht ausgleichen. Ein wirtschaftlicher Aufschwung, der mehr Beschäftigung mit sich brächte, bleibt illusorisch, solange die Löhne wie auch die Bezüge der Sozialversicherten und damit die Massenkaufkraft stagnieren oder gar vorsätzlich gesenkt werden und auch die Kommunen steuerpolitisch unter solchen Druck geraten, daß sie gezwungen sind, Beschäftigung ab- statt auszubauen. | |||
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Erschienen in Ossietzky 10/2003
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