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US-Verschuldung, Angaben in Milliarden Dollar, berechnet nach Angaben der US Federal Reserve Die Verschuldung wächst im Jahresdurchschnitt um zehn Prozent, während die volkswirtschaftliche Wachstumsrate lediglich drei bis fünf Prozent beträgt. Das heißt, daß die Chance, Zinsen und Tilgungsraten aus eigener Kraft zu zahlen, sinkt und sinkt. Die Vereinigten Staaten müssen also weitere Schulden machen, um die fälligen Verbindlichkeiten zu decken. Allein der Schuldenstand des Finanzsektors (Banken, Versicherungen, Fonds) entspricht mit mehr als neun Billionen Dollar fast dem gesamten BIP. Ein wesentlicher Grund hierfür liegt in dem gewaltigen Finanzbedarf für Firmenaufkäufe, die weitgehend fremdfinanziert wurden. Allein im Jahr 1999 verschlang die Monopolbildung 3,3 Billionen Dollar. Eine weitere Ursache ist die rasant gestiegene Verschuldung privater Haushalte. Die geborgten Mittel dienten zum großen Teil dem Kauf von Aktien und anderen Wertpapieren, zunächst um am Spekulationsboom zu verdienen, jetzt aber um auf diese riskante Weise die Existenz zu sichern. Die US-Wirtschaft außerhalb des Finanzsektors weist ebenfalls einen extrem hohen Schuldenstand auf. Offenbar kann die für weiteres wirtschaftliches Wachstum notwendige Vorfinanzierung kaum noch aus eigenen Mitteln bereitgestellt werden: Die Sparquote (Ersparnisse von privaten Haushalten, Unternehmen und Staat nach Abschreibungen), eine wesentliche Grundlage für Kapitalschöpfung, liegt gegenwärtig bei 1,6 Prozent des BIP. Das ist ein Sechstel des Niveaus der 1960er und 70er Jahre. Eine dermaßen niedrige Quote beeinträchtigt die Kapitalakkumulation. In den Jahren der Clinton-Präsidentschaft war die Entschuldung des Staates ein zentrales Anliegen gewesen: Indem der Staat keine zusätzlichen Finanzmittel benötigte und sogar eine vergleichsweise hohe Sparquote aufwies (2,3 Prozent im Jahr 2000), verbesserten sich die Möglichkeiten der Privatwirtschaft zur Geldbeschaffung. Dies wiederum wurde regte das Wirtschaftswachstum an. Unter der derzeitigen Regierung aber ist nicht mehr Entschuldung, sondern wieder Staatsverschuldung angesagt, vordergründig mit der Notwendigkeit begründet, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus massiv aufzurüsten. Aus einem Überschuß wurde ein Staatsdefizit, das gegenwärtig zwei Prozent des BIP beträgt bei steigender Tendenz. Die weltwirtschaftliche Position der Vereinigten Staaten ist ebenfalls bedroht. In den vergangenen 15 Jahren stiegen Warenimporte in die USA um jährlich 15 Prozent; sie sind heute um mehr als 40 Prozent größer als Warenexporte von US-Unternehmen. Die eigene Industrie ist bei weitem nicht mehr in der Lage, die Binnennachfrage zu befriedigen, was als Indiz wirtschaftlicher Strukturschwäche zu werten ist. Die negativen Handelssalden müssen ausgeglichen werden. Früher geschah das über Profit- und Kapitalrückflüsse von Konzerntöchtern im Ausland an die Zentralen in den USA. Seit den neunziger Jahren reicht das nicht mehr aus. Der gegenwärtige jährliche Kapitalbedarf entspricht fünf Prozent des BIP, etwa 500 Milliarden Dollar. Deshalb wurde es notwendig, ausländisches Kapital anzuziehen. Zeitweilig flossen mehr als drei Viertel der in der Weltwirtschaft jährlich erwirtschafteten Überschüsse in die Vereinigten Staaten. Eine solche Art der kurzfristigen Kapitalanlage hat ihren Sinn, wenn die Konditionen günstig sind. Diese Voraussetzung war gegeben, solange die USA mit im internationalen Vergleich hohen Zinsen, niedriger Besteuerung, laxer staatlicher Kontrolle - besonders attraktiv bei Geldwäsche - und boomenden Börsen lockten. Allein aus privaten Quellen war bis 2000 - dem Jahr des Börsenkrachs - eine Billion Dollar solcher ausländischer Gelder in den USA angelegt. Dann aber setzte ein dramatischer Rückgang ein; gegenwärtig ist die kurzfristige Kapitalanlage auf etwa 500 Milliarden geschrumpft - was im Zusammenhang mit der weltweiten Wirtschaftskrise zu sehen ist. Im Jahre 2000 ging der von der US-Wirtschaft initiierte Spekulationsboom zu Ende; seitdem sind allein auf dem US-Markt Aktiendepots im Wert von sieben Billionen Dollar vernichtet worden, weltweit wird der Wertverlust mit zwölf Billionen beziffert. Die Krise im Finanzmarkt hat unmittelbare Auswirkungen auf die Realökonomie, in der die Produktion global zurückgeht und gegenwärtig nur noch 65 Prozent des Ausstoßes im Jahr 2000 beträgt. Besonders betroffen von der Depression sind Japan und die Bundesrepublik, die wichtigsten Produktionsstätten der Weltwirtschaft. Die Börsennotierung der Industrieunternehmen (Standard and Poor's Composite Index) spiegelt die Depression wieder: Lag der Index auf dem Höhepunkt des Booms bei 1500 Punkten, so erreicht er heute nicht mal mehr 900 Punkte. Die drastisch gesunkenen Gewinnchancen veranlassen das Industriekapital, seine Profitlücke über hochriskante Finanzaktionen zu schließen. Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich nahm die Nachfrage nach Finanztiteln spekulativer Art in den letzten Jahren um 15 Prozent zu; die Währungsspekulation verzeichnete einen noch höheren Zuwachs. Zugleich verfiel der Dollarkurs, im Jahre 2002 um mehr als zwölf Prozent gegenüber den anderen wichtigen Währungen. Hinzu kommen spezifisch US-amerikanische Krisenmerkmale: Sinkende Einkommen, schrumpfender Privatkonsum und eine galoppierende Verschuldung der Privathaushalte und Unternehmen bilden wichtige Indikatoren. Die offiziell ermittelte Arbeitslosigkeit beträgt 6,2 Prozent und mag im Vergleich zu anderen Ländern niedrig erscheinen. Aber ihr liegt lediglich die Haushaltsbefragung des Arbeitsministeriums zugrunde; eine halbwegs exakte Erfassung durch Arbeitsämter gibt es nicht. Es gehört außerdem zu den Eigenarten des US-amerikanischen Systems, Arbeitnehmer, die von betriebsbedingter Kündigung betroffen sind, nicht als Arbeitslose zu erfassen. Nach realistischen Schätzungen sind gegenwärtig in den USA mehr als elf Millionen Menschen arbeitslos - ohne irgendeine soziale Absicherung. Als ein weiteres Merkmal der aktuellen Krise in den USA muß der Gangsterkapitalismus erwähnt werden: Die Financial Times veröffentlichte am 31. Juli 2002 einen Untersuchungsbericht über die 25 größten Konkurse von US-Unternehmen seit Januar 2001. Die 81 Vorstände und 27 Direktoren der Pleiteunternehmen häuften ein Privatvermögen von 3,5 Milliarden Dollar an, während die von ihnen geleiteten Unternehmen untergingen. Dieses Vermögen entstand im wesentlichen durch Aktienspekulationen; die Spitzenmanager fälschten Bilanzen und wiesen Gewinne aus, die es tatsächlich nicht gab. Während so getäuschte Anleger bereits wertlos gewordene Aktien kauften, liquidierten die als "Barons of Bankruptcy" bezeichneten Industriekapitäne ihre eigenen Aktiendepots. Betrug im großen Stil führte zur Vernichtung von mehr als 1,5 Millionen Arbeitsplätzen und zu einer in die Milliarden gehenden Geldvernichtung an den Börsen. Selbstverständlich gilt für die betrügerischen wie für die der Form nach seriösen Operationen im Kapitalmarkt: Es gibt allemal Verlierer und Gewinner. Auch aus der Verschuldung (der einen) läßt sich Profit (der anderen) machen. Die Interessen einer "Volks"-Wirtschaft sind nicht identisch mit denen der einzelnen Unternehmen. Und auchan der Krise läßt sich gut verdienen. Eine volkswirtschaftliche Bilanz erfordert die Gegenüberstellung von Schulden gegenüber dem Ausland und eigenen Vermögenswerten. Man könnte annehmen, daß angesichts der vorgeblichen Bedeutung US-amerikanischer Konzerne in der Weltwirtschaft diese Bilanz zugunsten der USA ausfiele. Das Gegenteil ist der Fall: Die Kapital- und Kreditverpflichtungen der USA übertreffen die eigenen Wertbestände um 2,5 Billionen Dollar. Im Klartext bedeutet dies, daß bei einem Kassensturz die Vereinigten Staaten nicht in der Lage wären, ihren internationalen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, auch wegen der binnenwirtschaftlichen Schuldenstände. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die aggressive Globalpolitik der US-Regierung: Mit militärischer Gewalt will sie die Weltwirtschaft in Haftung nehmen, um das eigene Überleben zu sichern.
Erschienen in Ossietzky 10/2003 |
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