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Falsch wäre es, beide umstandslos gleichzusetzen. Vergleichen und gleichsetzen ist zweierlei. Wenn wir Deutsche, vor allem wir Alten, mit dem Finger auf die USA zeigen, setzen wir uns sofort dem Verdacht aus, von unserer eigenen geschichtlichen Verantwortung ablenken zu wollen. Doch gerade nach den deutschen Verbrechen der Nazizeit sind die allgemein gültigen Kriterien der Menschenrechte und des Völkerrechts formuliert worden, die in der UN-Charta stehen. An diesen Kriterien ist das Handeln heutiger Regierungen zu messen. Deswegen wehre ich mich dagegen, daß manche Zeitgenossen, auch Amtspersonen, jeden Vergleich als Majestätsbeleidigung und Staatsvergehen zurückweisen - wie im Fall der Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die kurzerhand aus dem Amt gejagt wurde. Mich kann keiner daran hindern, den gegenwärtigen US- und den einstigen NS-Führer zu vergleichen. Wer sich an die UN-Charta, an die Leitlinien des Völkerrechts, der Allgemeinen Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit auch im demokratischen Innenleben der Staaten gebunden fühlt, kann auf die Handlungen des Präsidenten Bush nicht anders reagieren, als sie als Verstöße gegen elementare Normen anzuprangern und vor allem junge Menschen darauf hinzuweisen, wie solches autoritäres Ge baren den Weg in die Diktatur ebnen kann. Es gibt nicht nur Affinitäten, sondern Analogien zur Praxis Hitlers. Der "Präventivkrieg" gegen den Staat des Saddam Hussein begann mit der Propagandalüge, dieser stelle eine latente Dauerbedrohung der USA und anderer Staaten dar, da der irakische Diktator Massenvernichtungsmittel bereithalte. Der Kriegsverlauf sowie vorher die Untersuchungen der von den Vereinten Nationen beauftragten Blix-Kommission ergaben keinerlei Beweise für diese primäre Kriegsbegründung der USA und Großbritanniens. Außerdem war von vornherein klar, daß Saddam Hussein solche Waffen, wenn er sie gehabt hätte, gar nicht anwenden konnte, weil er mangels erforderlicher Logistik (Flotte oder moderne Luftwaffe) gar nicht in der Lage gewesen wäre, sie ins Ziel zu bringen. Die Dreistigkeit der US-Regierung steigerte sich noch, als sie nun - unter Desavouierung der Blix-Gruppe und deren Auftraggebers UN - die Entsendung eines eigenen Untersuchungsteams mit CIA- und FBI-Agenten ankündigte. Die Lügenhaftigkeit der Kriegsbegründung erinnert an Hitlers "Ab 5.45 Uhr wird zurückgeschossen" zu Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Überfall auf Polen. Gewiß sind die beiden von Herkunft und Typus her sehr unterschiedlich, aber die Unterschiede werden überdeckt durch das gewollt forsch-militärische Gehabe bei ihren öffentlichen Auftritten. Vergleichbar ist die Selbstverständlichkeit, mit der einst Hitler und jetzt Bush in ihrem Reden und Handeln von der Überlegenheit arisch-deutschen Wesens oder US-amerikanischer Lebensart ausgehen. Ähnlich erscheint mir das Sendungsbewußtsein der beiden, mit dem sie einen geradezu natürlichen Anspruch auf militärische und wirtschaftliche Dominanz erheben. Beide glühende Nationalisten mit hegemonialen Gelüsten, wobei sich Bush religiös-sektiererisch auf Gott beruft wie einst Hitler auf "die Vorsehung". Auch die an Fanatismus grenzende Besessenheit beider in Wortwahl und Tonfall darf nicht übersehen werden. "Wir werden weitermarschieren, bis alles in Scherben fällt; heute gehört uns Deutschland, morgen die ganze Welt!", grölte Hitlers Soldateska. Ähnlich großmäulig sagt nun Bush: "America first" und "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns" oder, auf Syrien angesprochen: "Eines nach dem anderen - alles zu seiner Zeit." Hitler trat bald nach seiner "Machtergreifung" aus dem Völkerbund aus. Bush mißachtet die UN und deren Beschlüsse und die Normen des Völkerrechts. Damit entwertet er die UN, die einst von den USA mitgegründet und gefördert wurden. Er unterbindet den Beitritt der USA zum Internationalen Strafgerichtshof, um sich den Rücken freizuhalten für künftige Aktionen wie im Irak. Vergleichbar ist auch die Art der Kriegsführung. Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs erinnern sich zeitlebens der durch Mark und Bein gehenden Heultöne, wenn deutsche Sturzkampfbomber-Geschwader ("Stukas") zwecks "Aufbereitung des Geländes" Städte wie Rotterdam, Warschau und Belgrad bombardierten. Heutige Bombardierungen durch die US-Luftwaffe sind noch wirkungsvoller, zum Beispiel wenn Streubomben oder mit Uran angereicherte Geschosse verwendet werden. Heute wie damals läßt es die Strategen kalt, welche Schäden dabei entstehen, nicht nur an militärischen Zielen, nicht nur an Verkehrswegen und Brücken, sondern auch an Verwaltungsgebäuden, Betrieben, Schulen und Krankenhäusern ("Kollateralschäden"). Zu den vielen Parallelen in der Kriegsführung gehört auch die Drohung mit der Superwaffe; die USA haben den Einsatz von Atomwaffen ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Nicht zuletzt die Art, wie die Supermacht USA durch mehr oder minder starken Druck sogenannte "Partner" in ihre strategischen Ziele einspannt und unterordnet - ohne daß die Trabanten wegen mangelnder vorheriger Konsultation aufbegehren und Widerstand leisten -, erinnert mich an den einstigen deutschen Umgang mit "Verbündeten". NATO-Mitglieder lassen sich zu "Willigen", Willfährigen herabstufen, wobei Tony Blair als Steigbügelhalter möglicherweise davon träumt, noch einmal einen Hauch vom Glanz des früherem Empire spüren zu können. Wie bei den willkürlichen Grenzziehungen im Nahen Osten nach dem Ersten Weltkrieg mag London nach dem Irak-Krieg wieder mithelfen wollen, eine neue Landkarte der Region zu zeichnen, Blair mag sich dabei wirtschaftliche Vorteile erhoffen. Jedenfalls müssen Gefolgschaftsunwillige in Gefüge des Bündnisses damit rechnen, in die Kategorie der nach Belieben definierten "Bösen" eingeordnet und in der Folge mit Nachteilen bedacht zu werden.- Die NATO hat nach Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Pakts als Bollwerk gegen den "Bolschewismus" ausgedient. Die USA sind jedoch als ihr Befehlshaber und Nutznießer daran interessiert, ihren Machtbereich auszudehnen und durch die "Osterweiterung" der NATO sich im Osten neue Märkte zu erobern (auch Absatzmärkte für ihre Rüstungsindustrie) und neue "Partner" unter ihre Botmäßigkeit zu bekommen. Dies ist eine ihrer Methoden, ihre Stellung als Weltmacht zu festigen. So könnte man Bush und Rumsfeld für den Chorgesang empfehlen: "Wir werden weiter zerbomben, bis alles in Scherben fällt; heut' untersteht uns der Westen, morgen die ganze Welt!" Oder werden sich - über Europa hinaus - Völker und Staaten doch noch rechtzeitig zusammenfinden, um den Vormarsch der USA noch zu bremsen? Ich habe nur auf einige Parallelen hingewiesen, etliche andere - zum Beispiel bei der Behandlung von Gefangenen - ließen sich hinzufügen. Das alles berechtigt nicht zur Gleichsetzung. Solche Verbrechen wie die fabrikmäßige Menschenvernichtung in Auschwitz sind einmalig und dürfen niemals vergessen werden. Unsinnig ist aber das häufig zu hörende Argument, daß wir Bushs Politik unterstützen müßten, weil einst die USA mitgeholfen haben, das Nazi-Regime niederzukämpfen. Vielmehr sind wir es den Opfern des Kampfes gegen Hitler-Deutschland schuldig, auf die Rechtsnormen zu achten, die damals erkämpft worden sind und die jetzt von Bush rücksichtslos niedergetrampelt werden. Verantwortlich in die Zukunft denkende Politiker sollten daher überlegen, ob nicht nach derart gravierenden Völkerrechtsverletzungen wie auf den Kriegsschauplätzen Balkan, Afghanistan und Irak ein internationales Tribunal in Aktion treten sollte. Hannsheinz Bauer (SPD), Ossietzky-Lesern schon durch frühere Beiträge bekannt, ist das einzige noch lebende Mitglied des Parlamentarischen Rates, der 1948/49 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auf den Weg gebracht hat.
Erschienen in Ossietzky 10/2003 |
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