Zweiwochenschrift
10/2017 9/2017 8/2017 7/2017 6/2017 5/2017
Archiv
Abonnement
Impressum
Plattform SoPos
|
|
|
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können.
Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror.
Die Antworten kommentieren
Hubertus Schmoldt, Gewerkschaftsvorsitzender. – »Die Linie des
Kanzlers stimmt« – so Ihre Stellungnahme zu den sozialdemokratischen
Irritationen über Gerhard Schröders »Sozialreformen«.
Sie verwundert uns nicht. Von Ihrer Organisation, der Industriegewerkschaft
Bergbau-Chemie-Energie, und vor allem von Ihnen sind wir nichts anderes als
Freundlichkeiten für den Kanzler gewöhnt. Bemerkenswert ist aber Ihre
Begründung: Man müsse sich nur ansehen, was der Rivale Edmund Stoiber
vorhabe, um zu einem positiven Urteil über Schröders Pläne zu
kommen. Der CSU-Chef bestimmt demnach zwar nicht die Richtlinien der Politik
in der Bundesregierung, aber doch immerhin in den Gewerkschaftsvorständen
– soweit diese Ihrer Urteilsbildung folgen.
Florian Gerster, Reformsozialdemokrat. – Dem Bundeskanzler waren
Sie angenehm aufgefallen, dadurch gelangten Sie an die Spitze der Bundesanstalt
für Arbeit. Inzwischen haben Sie Gerhard Schröder gelegentlich auch
ein bißchen geärgert, aber in der großen Linie stimmen Sie
ihm zu. Deshalb Ihr Ratschlag, wie die SPD wieder zur Ruhe kommen könne:
»Die Kluft zwischen Programm und Wirklichkeit ist nicht zu übersehen
– nun muß die Partei einsehen, daß sie nicht die Wirklichkeit,
aber das Programm ändern kann.« Eine überzeugende Idee. Aber
ob sich Schröder die Mühe machen wird? Dermaßen wichtig ist
ihm ein Parteiprogramm nicht.
Wolfgang Thierse, SPD-Vizevorsitzender. – Sie hingegen sind als programmatischer
Politiker bekannt, und es ist Ihnen eine prinzipielle Begründung dafür
eingefallen, daß SPD-Parlamentarier dem Kanzler nicht in die Quere kommen
sollten: »Sozialdemokratische Abgeordnete sind gewählt worden, damit
Gerhard Schröder Kanzler bleibt – nicht für die Originalität
ihrer Ansichten.« Wir entnehmen Ihrer Äußerung, daß Sie
die grundgesetzliche Definition parlamentarischer Tätigkeit für überholt
halten. Als Präsident des Deutschen Bundestages sollten Sie den Kollegen
Abgeordneten mitteilen, daß die Lektüre der Verfassung nicht mehr
lohnt.
Christa Sager, Fraktionsvorsitzende der Grünen. – Einige Abgeordnete
Ihrer Partei im Bundestag wissen nicht so recht, wozu sie eigentlich gebraucht
werden, wenn doch Schröders »Sozialreformen« genau so gut auf
schwarz-gelbe Weise zustandegebracht werden könnten. Ihr Argument: »Bei
einer konservativen Regierung würden viele BürgerInnen davon ausgehen,
daß Strukturveränderungen Teil eines neoliberalen Kurses wären,
der sich von dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verabschieden wollte. Wir dagegen
haben eher die Chance, die Dringlichkeit von Reformen zu vermitteln.«
Eine exakte Beschreibung der Funktion von Rot-Grün in der Regierung. Sie
haben erfaßt, wozu Sie gut sind.
Richard L.H. Braak, Abgeordneter der Schill-Partei, Hamburg. – Sie haben
den Antrag der »Bürgerinitiative ausländischer Arbeitnehmer«
auf Zuschuß für deren Arbeit (zum Beispiel Unterrichtung in deutscher
Sprache, Hilfe bei Vermittlung von Ausbildungsplätzen) abgelehnt. »Bezuschussungswürdig
sind nur noch die Institutionen und Vereine, die den Nachweis erbringen, das
die Muttersprache der in der 3. Generation hier lebenden Ausländer Deutsch
ist.« Schade, vielleicht könnte man Ihnen dort zu einer fehlerfreien
Rechtschreibung verhelfen, so daß Sie künftig auch »das«
mit einem doppelten s schreiben können oder – nach alter Rechtschreibung,
wie wir sie pflegen – mit ß. Und einen Satz wie diesen würden
Sie dann wohl nicht mehr schreiben: »Die von Ihnen angesprochenen Abgeordneten
sind der 68er Generation zuzuordnen, die Fachleute vor Ort sind selbsternannte
Ideologen und von den Kirchen haben die Bürger, seitdem dort linke Kadergruppen
Einzug gehalten haben, keine Heimat mehr finden können.« Halten Sie
das Gestammel für unsere Muttersprache?
Siegfried Jacobsohn, Gründer der Weltbühne. – Sie schrieben
1926, kurz vor Ihrem Tode: »Lieber Ossietzky. Ist die deutsche Sprache
nicht reich genug, um ohne den Gebrauch von Fremdwörtern auszukommen?«
Meinten Sie wirklich: ohne, ganz ohne? Zehn Jahre später versuchten es
die Nazis. Fremdwörter sollten durch Neubildungen aus deutschen Wortwurzeln
ersetzt werden, aber dann stellte sich oft heraus, daß die Wurzeln auch
nicht richtig deutsch waren. Solche Fremdwörter wie Infanterie, Artillerie,
Generalleutnant, Generalmajor blieben unangetastet. Viele Weltbühne-Autoren
mußten derweil in der Emigration Englisch lernen, manche im Lauf weniger
Jahre noch etliche andere Sprachen. Dennoch müßten jetzt nicht so
viele Anglizismen ins Deutsche einfließen. Ossietzky bemüht sich,
ihnen zu widerstehen.
Thomas Osterkorn und Andreas Petzold, Chefredakteure, stern. – In einer
Todesanzeige schreiben Sie: »Wir gedenken dem ehemaligen Chefredakteur
des Stern.« Wenn Ihnen künftig einem Genitiv ermangelt, stellen Sie
Ihre Frage lieber den Korrektor oder Verona Feldbusch. Da werden Sie geholfen.
Erschienen in Ossietzky 9/2003
|