Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Bush-Feuer in Australienvon Heinz Kersten Der Eintritt für Australien kostete mich 220 AUS-Dollar (etwa 165 Euro). Bei meiner Ankunft aus Singapur begrüßten mich auf dem Flughafen von Adelaide Schnüffelhunde der Polizei, die sich trotz meines drogenfreien guten Gewissens an meine Fersen hefteten, was eine freundliche junge Zollbeamtin zu der Aufforderung veranlaßte, doch mal meine Tasche zu öffnen. Zutage förderte sie eine keineswegs verborgene Birne, deren Existenz ich auf meinen Einreisepapieren verschwiegen hatte. Da die Einfuhr jeglicher Lebensmittel nach Australien verboten ist, mußte ich also Strafe zahlen. Meine Hinweise auf die Unverhältnismäßigkeit der geforderten Summe gegenüber einer lächerlichen Birne halfen nicht. Entweder hoffte der weibliche Zerberus an der Pforte des fünften Kontinents auf eine Prämie, oder sie gehörte zu den Nachfahren der zahlreichen frühen deutschen Einwanderer und hatte sich aus deren alter Heimat etwas von preußischem Ordnungssinn bewahrt. Noch manche Beobachtungen der folgenden Wochen schienen mir auf die historischen Ursprünge des Landes zu verweisen. Ließen nicht etwa die häufigen öffentlichen Strafandrohungen für die Übertretung irgendwelcher Vorschriften an die strenge Disziplinierung der Häftlinge denken, die einst von England auf den fernen Kontinent verschifft wurden und hier den ersten Grund für den heutigen Wohlstand legten? In Sydney erinnert das Hyde Park Barracks Museum an sie - weltweit das einzige Museum, das ausschließlich dem Knacki-Dasein gewidmet ist. Die Vergangenheit wird gepflegt. Irgendein Gebäude muß nur etwas älter als hundert Jahre sein, schon wird es als historisches Monument gekennzeichnet. Und in alter Architektur, in Orts- und Straßennamen stößt man immer wieder auf englische Bezüge. Ist aus so bewahrter Commonwealth-Verbundenheit auch die Gefolgschaft auf Blairs Kriegskurs erklärbar? Eher wohl aus Premierminister Howards blinder Bush-Hörigkeit, auf die freilich die Bevölkerung mit noch stärkerem Protest antwortet als in England. Am Ende unserer Reise unüberhörbar und unübersehbar, am Anfang eher noch als Randerscheinung wahrnehmbar. Da galt die Schlagzeile des deutschsprachigen Blattes Die Woche in Australien vom 18. Februar "Millionen demonstrieren gegen Irak-Krieg" noch vor allem den großen Manifestationen in Berlin, London, Madrid und anderen Weltstädten. Unter dem Aufmacher wurde allerdings auch schon registriert: Bei der größten Protestkundgebung in der Geschichte Australiens demonstrierten am Sonntag in Sydney mehr als 200 000 Menschen gegen einen möglichen Krieg in Irak." Kaum erwartet im fernen Australien: Auf der letzten Seite der Zeitung ein ausführlicher Bericht "Cottbus gibt ›Rote Laterne‹ ab - Toppmöller entlassen". Noch scheint es möglich, daß der als Schatten über unserer Reise liegende Krieg sich bis nach der Rückkehr verzögert. Im australischen "Outback", der Wüstenei im Zentrum des Kontinents, bewundern wir also mit Wagenladungen herangekarrter Touristen bei Sonnenauf- und -untergang den Ayers Rock, wie die Kolonisatoren den Heiligen Berg Uluru der Aboriginals genannt haben. Kein einziger der Ureinwohner ist zu sehen, nicht einmal im Kulturzentrum, das ihre Überlieferungen den weißen Besuchern vorführt und ihr Kunsthandwerk zum Kauf anbietet. Erst in Alice Springs, Oasenstadt in der Wüste, begegnet man einigen der Dunkelhäutigen, die hier entwurzelt am Rande der Gesellschaft leben. Eine spätere Begegnung findet in der Hauptstadt Canberra statt. Hier haben einige selbstbewußte Vertreter ihrer Rechte vor dem dekorativen, erst fünfzehn Jahre alten Parlamentsgebäude ein Zelt errichtet, das als "Aboriginal Embassy" firmiert - in bewußtem Kontrast zu den luxuriösen, im architektonischen Stil der jeweiligen Länder errichteten Botschaftsgebäuden in der Umgebung des Regierungsviertels. Innerhalb eines Jahres soll der "Schandfleck" verschwinden, verkündete kürzlich der zuständige Minister. Ein Problem, kaum noch registriert, denn inzwischen hat uns der Krieg doch noch eingeholt. Nach einer Fahrt durch Wälder mit deutlichen Spuren der Buschbrände vom Beginn des Jahres war ein weitaus verheerenderes Bush-Feuer ausgebrochen, von der Canberra Times mit der Schlagzeile angekündigt "PM commits troops to war". Canberra: eine künstlich wirkende, am Reißbrett entworfene Metropole, die ihre Existenz einem Streit zwischen Sydney und Melborne um die Bundeshauptstadt-Ehre verdankt. Als er zugunsten Canberras entschieden wurde, weideten hier auf wildem Hügel- und Grasland noch Schafe und Känguruhs. Erst in den letzten Jahrzehnten entwickelte sich das verschlafene Nest zu einer modernen Großstadt mit imposanten Regierungsgebäuden und Geschäftshochhäusern. Wichtiger als alle touristischen Eindrücke wurden nun die Zeitungslektüre und das aktuelle Fernsehprogramm. Außer BBC berichtete allerdings nur einer von mehreren australischen Kanälen ausführlich. Ich fand bestätigt, was ich immer wieder bei Vergleichen im Ausland feststelle: Nichts kommt der Informationsvielfalt der deutschen TV-Landschaft gleich. Auffallend auch dies: Deutschland kommt auf australischen Bildschirmen nicht vor. Kein Schröder, kein Fischer. Seriöse Zeitungen wie The Canberra Times oder The Sydney Morning Herald unterrichteten umfassend über alle mit der US-amerikanischen Aggression zusammenhängenden Fragen - natürlich mit einem Schwerpunkt auf die au stralische Beteiligung, und zwar mit vorwiegend kritischem Tenor. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Kriegskurs des PM Howard kam in Kommentaren und vielen Leserzuschriften zum Ausdruck. Ein Schreiber verglich die US-Politik eines Präventivschlages mit dem Vorgehen Hitlers und erinnerte daran, daß Irak im November 2000 seinen Handel von Dollar auf Euro umgestellt hatte, eine Maßnahme, auf die 2002 Nordkorea, Iran, Venezuela, China und Rußland sich ebenfalls einzustellen begannen. Woraus der Leser folgerte: "Kann es sein, daß der eigentliche Grund für die Prävention ist, eine Herausforderung der US-amerikanischen ökonomischen und monetären Hegemonie zu verhindern? Wer ist nach Irak der Nächste?" In einer ganzseitigen Anzeige in der Canberra Times bat eine Mutter, die nicht wünschte, daß ihre Kinder im Krieg sterben, den Premierminister, seine Haltung zu ändern. Im Foyer des Parlaments sangen 100 Frauen eine eigens komponierte "Klage" über den Krieg, während vor den Abgeordneten ein Labor-Kollege den Helm eines toten irakischen Soldaten hochhielt, den er vor Jahren bei einem Besuch an der irakisch-kuwaitischen Grenze erhalten hatte; er erklärte: Indem Australien sich an der "Coalition of the Willing" beteilige, reihe es sich in die "Coalition of the Killing" ein. Von der Galerie beschimpfte ein Besucher den Premier als "Mörder", und Oppositionsführer Cream beschuldigte Howard, sich einer "unmoralischen Minderheit" militärischer Aggressoren angeschlossen zu haben. Am Morgen hatten sich 40 Greenpeace Aktivisten am Gitterzaun vor der Residenz des Premiers angekettet und ein Transparent entfaltet: "John Howard, Kriegsverbrecher". Antikriegsparolen waren auch an Häusern in Canberra und Sydney zu lesen. Die spektakulärste Aktion hatten sich ein britischer Wissenschaftler und ein au stralischer Umweltschützer ausgedacht. Sie malten auf das höchste der Segeldächer des Opernhauses am Hafen von Sydney mit roter Farbe in fünf Meter hohen Lettern ein weithin sichtbares "No War". Große Aufregung. Beide wurden sofort verhaftet. Dem Briten droht Abschiebung. Zehn Arbeiter mußten das Menetekel schnellstens beseitigen. Tags darauf: Absperrgitter, verstärkter Wachschutz. Sydneys Lebendigkeit mit Menschenströmen und vollen Lokalen unterscheidet sich von der sterilen Atmosphäre Canberras. Doch selbst bei den letzten touristischen Erkundungen begleitet der Krieg alle Gedanken. In der Wunderwelt (keine kitschige Übertreibung) des Aquariums wünscht man sich, Bush & Co. den über unseren Köpfen schwebenden Riesenhaien zum Fraß vorzuwerfen. Wieder im Freien fällt der Blick auf Wolkenkratzer, an deren Spitze sich ihre Besitzer verewigt haben: Nestlé, IBM, Allianz, Mercure - Symbole der Globalisierung. Jahrhundertealte Geschichte verkörpert dagegen ein Aboriginal, der zum Entzücken fotografierwütiger Touristen in Traditionsbemalung am Hafen sitzt und in sein Didgeridoo bläst, ein alphornartiges Instrument, das er mit der Aufschrift "No War" versehen hat.
Erschienen in Ossietzky 8/2003 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |