Angela Merkel, Weltpolitikerin. - Neulich hatten Sie der US-Regierung zugesichert, Ihre Partei unterstütze das "Ultimatum" an Saddam Hussein und werde "die Konsequenzen mittragen". Inhalt des "Ultimatums" war, daß die Vereinigten Staaten in den Irak einmarschieren würden, auch wenn der irakische Staatschef ins Exil entweiche. Wie die Christdemokratie die mörderischen Folgen dieser Kriegserklärung auf sich nehmen will, haben Sie noch nicht erklärt. Aber nun hatten Sie einen neuen Einfall: Beim Irakkrieg handele es sich "mit Sicherheit nicht um einen Präventivkrieg". Mit dieser Behauptung setzen Sie sich aber in Widerspruch zur Regierung der USA. Der wird es nicht gefallen, wenn die Vorsitzende einer befreundeten Partei ausplaudert, daß es sich um einen reinen Angriffskrieg handelt.

Rudolf Scharping, auch ein Weltpolitiker. - Die Öffentlichkeit ahnt es nicht: Sie sind immer noch Vizevorsitzender der SPD. Und Chef der sozialdemokratischen Programmkommission. In dieser Eigenschaft haben Sie in der Welt am Sonntag dargelegt, was ein europäisches Land wie die Bundesrepublik den USA nachmachen müsse: "die eigene Sicherheit an der Quelle der Probleme verteidigen, anstatt zu warten, bis der Strom der Konsequenzen das eigene Land erreicht - militärische Fähigkeiten nicht länger vernachlässigen". Und wo ist die Quelle der Probleme? Am Hindukusch, wo Ihr Nachfolger im Ministeramt, Peter Struck, Deutschland verteidigen will? Oder da, wo Öl quillt, am Euphrat und Tigris, wo nun aber schon die US-Amerikaner verteidigend tätig sind? Frühere sozialdemokratische Programmierer wußten es besser, nämlich umgekehrt: daß die Probleme in den imperialistischen Zentren entstehen und militärisch nicht gelöst, sondern nur vergrößert werden können.

Oriana Fallaci, Schriftstellerin. - Sie waren einmal eine gute Journalistin. Dann versackten Sie in einen unergründlichen Haß gegen alles Linke und zogen von Florenz nach New York. Haben Sie inzwischen Ihren ganzen Verstand verloren? In einer Kolumne im Wall Street Journal und im Corriere della sera schreiben Sie: "Die Feinde Amerikas, genauer gesagt, des ganzen Westens, stehen nicht nur in Bagdad. Sie stehen auch in Europa. Weil Europa nicht mehr Europa ist, sondern eine Provinz des Islam." Aus dieser Besessenheit finden Sie nicht mehr heraus und wollen, falls Bush und Blair nicht die Demokratie in den Nahen Osten tragen können, sich mit den beiden Herren in einer Art Fort Los Alamos (wo 1945 die erste Atombombe gebaut wurde) verbarrikadieren, um "mit ihnen zu kämpfen und zu sterben". Das müssen Sie bei Joseph Goebbels gelesen haben, der vor dem Untergang der Nazis schrieb: "Wenn wir einmal abtreten müssen, werden wir die Tür hinter uns zuschlagen, daß die Welt erzittert."

Michael Sommer, DGB-Vorsitzender. - Bemüht, gewerkschaftliche Empörung über die vom Kabinett Schröder betriebene Sozialdemontage zu dämpfen, erklären Sie: "Wir wollen keine andere Regierung, sondern eine sozialdemokratische Handschrift in der Regierungspolitik." Die Äußerung erstaunt uns. Erstens weil wir bisher annahmen, der DGB sei parteipolitisch unabhängig. Zweitens und mehr noch, weil wir wissen: Bei regierungsamtlichen Schriftstücken kommt es auf den Inhalt an, nicht darauf, daß einem die Schriftzüge vertraut vorkommen. Außerdem sind aus der Geschichte der Sozialdemokratie viele Handschriften überliefert, da entsteht also ein Problem für politische Graphologen.

Erschienen in Ossietzky 7/2003