Zweckdienliche Illusionen

von Arno Klönne

Das Ansehen Gerhard Schröders und die Politbarometerwerte für die von ihm geführte Regierungskoalition sind im Aufwärtstrend, wie die Fachleute für die politische Wetterlage sagen. Der Kanzler und seine rot-grüne Koalition haben aus ihrem Nein zum Krieg gegen den Irak Gewinn gezogen, auch beim Unionsanhang. Daß die Bundesrepublik die kriegführende US-Regierung massiv unterstützt, ist nicht so recht aufgefallen. Die Konzentration der öffentlichen Aufmerksamkeit auf den Krieg nützt der sozialpolitischen Demontagepolitik der Bundesregierung: So läßt sich leichter darüber hinwegreden, daß Gerhard Schröder dem Sozialstaat den Krieg erklärt hat.

Daß er zum Pazifisten geworden sei, läßt sich aber auch im Hinblick auf die Weltpolitik nicht sagen. Nach wie vor betreibt er die "Enttabuisierung des Militärischen", deren er sich ausdrücklich rühmt. Die deutsch-europäischen "militärischen Fähigkeiten" sollen ausgebaut werden. Demnächst, so der Kanzler und sein Außenminister, werde auch über die Erhöhung des Militäretats der Bundesrepublik zu sprechen sein - "alles zu seiner Zeit", merkte Schröder beruhigend an, als erste kritische Stimmen laut wurden.

Im Grundsatz ist klar, daß die rot-grüne Bundesregierung deutsches Militär auf den Schlachtfeldern der Globalisierung einsetzen will, entgegen dem Willen des Grundgesetzes. Nur muß dieser Vorsatz, um noch einmal Schröder zu zitieren, erst "denjenigen vermittelt werden, die immer noch auf die Dividende des Kalten Krieges hoffen". Das ist ein klares Wort. Wir dürfen folgern: Wer auf einen Friedenskanzler in Gestalt Gerhard Schröders setzt, hat sich verkalkuliert.

Erschienen in Ossietzky 7/2003