Kurt Singer, Brief von der Linksküste

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Brief von der Linksküste

Die Rüstungsindustrie profitiert. Alle anderen Branchen in den USA leiden an der schweren Depression, einer Folge der wachsenden Kriegsschulden. Die Fluggesellschaft American Airlines hätte beinahe bankrottiert, wenn nicht in letzter Minute die Gewerkschaften riesige Zugeständnisse gemacht hätten. Handelskonzerne schließen zehn bis zwanzig Prozent ihrer Filialen. Die Touristikindustrie, Hotels, Restaurants, Mietauto-Unternehmen klagen über große Verluste. New York City ist pleite. Mindestens zwei Generationen werden zahlen müssen, um die Staatsschulden abzutragen. Und was wird dem US-amerikanischen Fernsehpublikum dafür geboten? Nicht einmal Bilder jubelnder Iraker, die den GIs als ihren Befreiern um den Hals fallen.

Bush kann 2004 die Wahl verlieren. Aber die Demokraten sind zersplittert und - ähnlich wie die deutschen Sozialdemokraten 1914 - kämpfen nicht gegen den Krieg. Im Senat warnt nur der uralte Robert C. Byrd und sagt: Die Regierungspolitik ist durch und durch falsch.

Aber die Proteste auf den Straßen nehmen zu, die Auseinandersetzungen werden härter. In Washington brachen einige Hundert Männer und Frauen durch die Barrikaden und gelangten zur Pennsylvania Avenue, wo sie sangen und beteten. Nahe am Weißen Haus wurden viele arrestiert, unter ihnen zwei Friedensnobelpreisträger: Mairead Corrigan von der nordirischen Friedensbewegung und Jody Williams von der Internationalen Kampagne gegen Landminen. Auch der römisch-katholische Bischof Thomas Gumbleton (Detroit) und der methodistische Bischof Josef Sprague (Chicago) kamen in Polizeihaft. Weitere Opfer waren Dave Robinson, nationaler Koordinator der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, und der Friedensaktivist Daniel Ellsberg (s. Ossietzky 6/03, S. 184).

Hier in Kalifornien sind die Proteste so stark geworden, daß die Bush-Männer nicht mehr von der Westküste, sondern von der Linksküste sprechen. In San Francisco, wo die Friedenskundgebungen oft vor dem Gebäude der Bank von Amerika stattfinden, wurden am 28. März 75 buddistische Mönche verhaftet, außerdem mehrere Priester und Rabbiner.