Horáková rettet Hamburg

von Otto Köhler

"Wenn ich mit Dir zusammen bin, versinkt die Welt - punktum." Haben sich die beiden Männer unten im Parkett innig angeschaut, als dies oben auf der Bühne der Freund zur Freundin sagte? Wir wissen es nicht. "Liebelei" von Arthur Schnitzler gab es im Hamburger Thalia-Theater. Kabale und Hiebe gibt es seit dreizehn Monaten im Hamburger Kultursenat, seit Dana Horáková dieses Ressort mit Ungestüm und beachtlichem Personalverbrauch in den Kampf gegen das Hamburger Kulturleben führt.

Es war ja auch so schwer gewesen, sie zu finden. Der Hamburger Schill-Beust-Senat suchte 85 Tage lang vergebens nach einer irgendwie geeigneten Kultursenatorin, nachdem Bürgermeister Ole von Beust das Kulturressort eigentlich hatte auflösen wollen. Zuerst sagte Nike Wagner Nein, zuletzt die Schlagersängerin Vicky Leandros, und als allerletzte Lösung dieses leidigen Personalproblems blieb nur noch die Bild-Rekteurin Dana Horáková.

Seither tut sie alles, um das Hamburger Kulturleben in einen gigantischen Las-Vegas-Betrieb zu verwandeln - im Theater wurde sie noch nie gesehen. Genau dort aber, in der neuen "Liebelei"-Inszenierung, muß Gert Hinnerk Behlmer zum Dolchstoß angesetzt haben. Das ist ihr sozialdemokratischer Staatsrat, der einzige, der in Hamburg das überkommene Kulturleben am Laufen hält - schon das ist eine grobe Illoyalität. Um wie viel größer aber war der Vertrauensbruch, als ihr der Staatsrat per Handy kaltschnäuzig mitteilte, mit wem er am folgenden Tag ins Theater gehe, in die "Liebelei", die von nichts anderem handelt als von Treubruch und ekelhafter Männerfreundschaft. Denn der Mann, mit dem Horákovás eigener Staatsrat im Parkett saß, war Thomas Flierl, PDS-Kultursenator von Berlin. Ein Affront. Nach Informationen der Welt hat die "aufgebrachte Senatorin" gezielt versucht, diesen Vorgang in die Presse zu lancieren. Sie hoffte auf "rot-rote Skandalfotos" des PDS-Senators mit ihrem SPD-Staatsrat.

Nach zuverlässigen Berichten ist jetzt sogar Bürgermeister Ole von Beust erstmals auf Distanz zu seiner Kultursenatorin gegangen. Er soll ihr untersagt haben, den treulosen Staatsrat zu entlassen. Bisher hat er alles mitgemacht, zumindest nie widersprochen. Sie mobbte Ingo Metzmacher, den Generalmusikdirektor der Hamburger Staatsoper, aus dem Amt. In Hamburgs Museumslandschaft machte sie sich lächerlich, als sie dem Heimatmuseum des Stadtteils Harburg durch eine Terroismus-Ecke zu "weltweiter Ausstrahlung" verhelfen wollte, woran sie immer noch festhält. Während die Theater aus einem Finanzloch in das andere fallen, steckt sie dem US-Engel-Maler Jeff Koons 4,1 Millionen Euro in die Tasche für die Ausgestaltung des Spielbudenplatzes in St. Pauli - Koons hat noch nicht die geringste Vorstellung, was er da machen könnte. Und dann noch das geplante Aquadrom, eine aufwendige Mischung von Konzerthaus und Aquarium, in dem mutmaßlich sündteure Koj-Fische die Musik testen sollen - und verenden, wenn sie ihnen mißfällt.

Beusts Parteifreundin, die CDU-Kulturexpertin Rena Vahlefeld, hat soeben ihre Partei verlassen, weil Dana Horáková - "ein Horror für diese Stadt" - in kürzester Zeit Hamburgs Kultur so geschädigt habe "wie in den letzten 15 Jahren nicht mehr". Doch trotz alledem: Jetzt braucht Hamburg, dringender denn je, die Horáková. Der Senat hofft nämlich, daß Hamburg Austragungsort der Olympischen Spiele 2012 wird. Was das die Stadt kosten wird, davon hat die Expo in Hannover, die von der Hamburgerin Birgit Breuel in ein Milliarden-Defizit geschubst wurde, einen zureichenden Begriff gegeben. Ein Milliardenloch täte sich auf, noch größer als das für einen Rüstungskonzern mit Riesensubventionen freudig zugeschüttete Mühlenberger Loch. Wirksam davor bewahren kann die Elbestadt nur noch die bald weltweite Ausstrahlung, die von der Amtsführung Dana Horákovás ausgeht. Solch eine kulturlose Stadt werden sich nicht einmal Sportler zumuten. Dana Horáková muß bleiben. Eine andere Rettung Hamburgs vor der drohenden Olympiade gibt es nicht.

Erschienen in Ossietzky 6/2003