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Seine "Judenschriften" waren ein Ausrottungsprogramm, das er seinen "lieben Deutschen" in seiner letzten Predigt drei Tage vor seinem Tode als eine Art Vermächtnis noch einmal einschärfte. (Luthers letzte öffentliche Worte in der Andreaskirche zu Eisleben am 15. Februar 1546 waren, wir "sollten die Juden bei uns nicht dulden noch leiden. Amen." Dazu stellte der Philosoph Karl Jaspers zu Recht fest: "Luthers Ratschläge gegen die Juden hat Hitler genau ausgeführt". So wurden also durch Luther - und das berücksichtigt Goldhagen zu wenig - die protestantischen Theologen mehr als der Katholizismus zu Trägern des militanten Antisemitismus in der Neuzeit. Er wurde geradezu zu ihrer zweiten Natur. Deshalb verstanden viele von ihnen nach 1945 nicht, warum nun falsch sein sollte, was sie bis dahin aus den Bibeltexten herausgelesen hatten. So veröffentlichte auch der einflußreichste lutherische Theologe des 20. Jahrhunderts, Paul Althaus, seinen "Grundriss der Ethik" 1953 in der gleichen "Grundhaltung" wie 1936. Im Abschnitt "Volk und Rasse" empfiehlt er den angehenden Theologen zur "Rassenhygiene" und "Eugenik" Schriften wie das "Eugenik-Buch" von Fritz Lenz, der an der Formulierung für ein "Euthanasie"-Gesetz mitgewirkt hatte (und nach 1945 Leiter des Instituts für menschliche Erblehre in Göttingen war) und die "Rassenkunde"-Bücher von Eugen Fischer und Otmar von Verschuer, die mit dem KZ-Arzt Mengele bei Menschenversuchen zusammengearbeitet hatten. Althaus' Ethik kam heraus im Bertelsmann Verlag, einem protestantischen Traditionsverlag, der dabei war, wie bisher mit christlicher Literatur auf dem Büchermarkt Anteile zu gewinnen, bis er schließlich zu einem Weltkonzern wurde. Da mochte ein anderer protestantischer Traditionsverlag nicht zurückstehen, der in seinen neutestamentlichen Reihen die bedeutendsten Theologen schreiben ließ, der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Hier handelte in altvertrauter Weise der berühmte Rudolf Bultmann in seinem "Johanneskommentar" 1957 die "Teufelskindschaft der Juden" ab und kam zu der Erkenntnis: "Die Feindschaft gegen das Leben und gegen die Wahrheit macht also das Wesen der ›Juden' aus." Schon früher, 1949, hatte ein anderer Theologe, Albrecht Oepke, im Anschluß an Paulus herausgefunden: "Die Juden sind überall Störenfriede". Und in einem weiteren Werk bei V&R weiß 1951 der Verfasser Hermann Strathmann ebenfalls, daß die Juden vom Teufel herkommen. Deshalb "ist ihrem völkisch-religiösem Selbstgefühl jede Berechtigung abgesprochen." Spätestens seit dem US-amerikanischen Film "Holocaust" in den späten 70er Jahren äußern sich die Theologen zur Judenfeindschaft im Neuen Testament zurückhaltend, wenn sie nicht gar den klaren Wortsinn der Texte in sein Gegenteil verkehren. So wird nun behauptet, darin spiegele sich nichts anderes als eine innerchristliche Auseinandersetzung wieder, aus der keine besondere Ansicht über die Juden herausgelesen werden könne. Was aber bisher niemandem in den Sinn gekommen und doch längst überfällig ist, ist dieses: die haßpredigenden Texte aus der "Heiligen Schrift" zu entfernen. Genau das aber schlägt nun Goldhagen den Christen als "moralische Wiedergutmachung" vor. Er weiß: Solche Texte können ja auch in Zukunft immer wieder zur Begründung eines militanten Antisemitismus benutzt werden. Und das geht nicht nur Christen und Juden an. Da solche Texte zudem einen strengen Dualismus zur Voraussetzung haben, der die Welt in Gute und Böse einteilt, können auch andere Menschengruppen als die Juden zu "Söhnen des Teufels" (Johannes 8 Vers 44) gebrandmarkt, auf die "Achse des Bösen" gesetzt und zur Vernichtung freigegeben werden mit dem Schlachtruf: "Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich" (Matthäus 12 V. 30). Auch das ist bei Luther nachzulesen. In seinem "Großen Katechismus" lehrt er: "Denn was außer der Christenheit ist, es seien Heiden, Türken, Juden oder falsche Christen und Heuchler, sie bleiben in ewigem Zorn und Verdammnis". Und in seinem berühmten Lied "Ein feste Burg ist unser Gott" beschreibt er den Bösen, den es zu bekämpfen gilt, mit den Worten: "Der altböse Feind mit Ernst er's jetzt meint, groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist, auf Erd ist nicht seinsgleichen" - ein Kreuzzugslied für den Kampf gegen eine fremde Kultur im 16. Jahrhundert. Dieser "altböse Feind" war nämlich für Luther damals nicht der Papst, waren nicht die Juden, war auch nicht der Teufel persönlich, sondern er meinte die islamischen Türken.
Erschienen in Ossietzky 4/2003 |
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