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Er vertrieb alle Protestanten aus seinem Machtbereich, die Juden dazu, ließ, damit nichts mehr an sie erinnere, den jüdischen Friedhof einebnen und darauf - auch mit den Grabsteinen der Juden - das Juliusspital erbauen. Niemand dachte in den vier Jahrhunderten, die seither vergangen sind, daran, das Juliusspital abzureißen und den jüdischen Friedhof wiederherzustellen, obwohl doch für gläubige Juden wegen ihrer Lehre von der Wiederauferstehung von den Toten Friedhöfe nie aufgelassen werden dürfen. Niemand kam darauf, der Universität den Namen des Täters zu nehmen, der für die grausame Verfolgung von Juden und protestantischen Christen verantwortlich ist. Heute sind wir da viel weiter. In Leipzig wurde 1992 die Universität von ihrem Namen Karl-Marx-Universität befreit, und der Karl-Marx-Platz davor bekam wieder seinen alten monarchistischen Namen Augustusplatz. Das aber reicht denen nicht, die für eine Rechristianisierung des weitgehend glaubenslos gewordenen Ostens kämpfen. "Alle zukünftigen Gegner der Kirchen sollen wissen: Wenn man Kirchen einreißt, werden sie wiederaufgebaut." Das verkündete soeben im Mitteldeutschen Rundfunk der katholische Bischof Joachim Reinelt vom Bistum Dresden. Er meinte damit zuallererst einen Wiederaufbau der Paulinerkirche, die in der Reformationszeit, von Luther geweiht, der Universität übereignet worden war. Sie wurde 1968 auf Beschluß des Stadtrats - auch die christlichdemokratische Union sagte dazu Ja, nur ein Pfarrer stimmte dagegen - gesprengt. Hinter diesem barbarischen Akt, vergleichbar manchen westdeutschen Abrißverbrechen, stand Walter Ulbricht, der auf dem Karl-Marx-Platz keine Kirche haben wollte. 1992, als Platz und Universität schon ein Jahr umbenannt waren, gründete sich der Paulinerverein, der sich als Bürgerinitiative versteht und eine originalgetreue Kopie der Universitätskirche errichtet haben möchte. Daran dachte in Leipzig sonst keiner. Nach sechsjährigen Planungen und Verhandlungen kamen Universität und sächsische Staatsregierung vielmehr überein, daß die Universität auf ihrem Gelände am Augustusplatz nach einem Plan, der aus einem Architektenwettbewerb hervorgegangen ist, bis zum 600jährigen Jubiläum 2009 ausgebaut wird. Und zwar so, daß alle Institute auf einem Campus in der Mitte der Stadt vereint werden. Das war beschlossen von Staatsregierung und Universität noch im Dezember. Es geschah aber im Jahre 2002, daß der in den USA lebende Medizinnobelpreisträger Günter Blobel Vorsitzender des Paulinervereins wurde. Er nannte es eine "nationale Schande", daß beim Ausbau der Universität ein Wiederaufbau der Kirche nicht vorgesehen sei. Bei der allenfalls zuständigen Evangelischen Kirche kam er nicht an. Als auch die Katholische Kirche am Ort zunächst zögerlich blieb, wandte er sich direkt an den Vatikan. Er besuchte Kardinal Josef Ratzinger, den Chef der Katholischen Glaubenskongregation, die die Nachfolge der Heiligen Inquisition angetreten hat. Man kam überein, die Katholische Kirche werde zehn Millionen Euro für den originalgetreuen Wiederaufbau der evangelischen Universitätskirche spenden. Dafür sollten dort auch katholische Gottesdienste stattfinden. Und siehe, nachdem sich noch zur Jahreswende Universität und Staatsregierung völlig einig gewesen waren, geschah das Wunder. Am 28. Januar verkündete die sächsische Staatsregierung unter Ministerpräsident Georg Milbradt völlig überraschend die Umkehr, die Abkehr von der bisherigen Planung des Universitätsgeländes. Nun soll die Universitätskirche wiedererrichtet werden. Das wirft alle Pläne für den Ausbau der Universität bis zum Jubiläumsjahr 2009 über den Haufen. Trotz oder gerade wegen eines versprochenen Flächenausgleichs in der Stadt ist ein geschlossener Universitätscampus in der Stadt nicht mehr möglich. Darauf trat am 31. Januar der Rektor der Universität Leipzig zurück. Am nächsten Tag folgten ihm alle Prorektoren. Der Dekan der Theologischen Fakultät sagte: "Die Entscheidung muß in Leipzig fallen und nicht in Dresden, in den USA, in Rom oder anderswo." Die Studenten demonstrieren gegen eine Zerschlagung des Campusgeländes durch die Wiedererrichtung der Kirche. Der Oberbürgermeister sagte Nein, und auch die Evangelische Kirche erklärte sich ausdrücklich gegen die Wiedererrichtung der evangelischen Universitätskirche. Der katholische Bischof aber sprach sein Wort von den Feinden der Kirche, die nicht triumphieren dürfen. Als die Kehre der Landesregierung bekannt wurde, waren erst 66 Prozent der Leipziger gegen eine Wiedererrichtung der Kirche. Inzwischen sind es nach neuesten Umfragen 75,6 Prozent. Ob so eine Rechristianisierung des seit Karl dem großen Sachsenschlächter widerspenstigen Sachsenvolkes voranschreitet?
Erschienen in Ossietzky 4/2003 |
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