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Übergehen wir die Forderungen nach "klarer Führung auf der Basis durchdachter Konzepte" oder nach "verbesserter Kommunikation und Präsentation der eigenen Politik" - dergleichen konnte man jeden Tag von Franz Müntefering und muß man heute von Olaf Scholz hören. Die konkreten Vorschläge der Kurswechsler beschränken sich im wesentlichen darauf, daß die Steuern weiter gesenkt und noch mehr Schulden gemacht werden sollen. Mit dem Geld, das sich der Staat durch zusätzliche Anleihen verschafft, sollen den Unternehmern Investitionszulagen gezahlt werden. Außerdem soll die Regierung die Banken dazu bewegen, nicht ausreichend liquiden Firmen, vor allem im Mittelstand, mehr Kredit zu geben, was nur möglich ist, wenn der Staat das Risiko übernimmt - bei 40 000 Firmenpleiten pro Jahr keine ganz billige Angelegenheit. Auch Städte und Gemeinden sollen mehr Geld von Bund und Ländern erhalten, damit sie investieren können. Daneben soll zwecks Belebung der Nachfrage die nächste Stufe der Steuerreform teilweise vorgezogen werden. Die Einkommen würden sich dadurch allerdings - jedenfalls für die große Masse - nur minimal erhöhen, und höhere Abgaben und kommunale Gebühren würden diesen Effekt mehr als aufwiegen. Außerdem gehen bei Steuererleichterungen die vielen neuen Geringbeschäftigten, die Arbeitslosen, die Rentner leer aus. Wäre das ein Neuanfang? Steuerdumping führt notwendigerweise zum Schuldenmachen. Beides ist längst gängige Praxis einer Regierung, die nur noch auf den Irak-Krieg wartet, um für höhere staatliche Neuverschuldung eine zeitgemäße Begründung zu bekommen. Durch Eichels Steuerreform vor zwei Jahren ist die Steuerquote, bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt, von 23 Prozent im Jahre 2000 auf 21,6 Prozent 2001 und weiter auf 20,8 Prozent im vergangenen Jahr gesunken, die niedrigste Quote in allen EU-Staaten. Der Staat hat auf ein Zehntel seiner Einnahmen (ca. 50 Milliarden Euro jährlich) verzichtet. Entlastet wurden vor allem die Bezieher hoher Einkommen, außerdem wurden die direkten Unternehmenssteuern gesenkt. Aber die SPD tut immer noch so, als wären die Steuern in Deutschland zu hoch. Eben erst hat die Parteiführung eine neue Initiative für die Wiedereinführung der Vermögensteuer zurückgewiesen. Und nun meinen auch die SPD-Linken, sich von dieser Initiative distanzieren zu sollen ("eine unglückliche Steuererhöhungsdebatte"). Die Erbschaftssteuer ist hierzulande so niedrig bemessen, daß sie gerade mal 3,7 Prozent zum Gesamtsteueraufkommen beiträgt. In Frankreich dagegen erbringen diese beiden Steuern auf größeren Besitz, die Vermögen- und die Erbschaftssteuer, 10,3 Prozent, in den USA 14 Prozent, in England 14,2 Prozent und in Japan 16,3 Prozent. Die Körperschaftssteuer, die dem deutschen Fiskus bis zum Steuerreformjahr 2001 jährlich 23 Milliarden Euro eintrug, ist ins Minus abgerutscht, und die Gewerbesteuern in größeren Städten sind halbiert, seitdem Rot-Grün dafür gesorgt hat, daß viele Kosten, auch Steuerzahlungen aus Vorjahren, gegengerechnet werden können. Die Begründungen für solch staatsruinöse Steuersenkungen hörten sich vor drei Jahren ähnlich an wie die jetzigen Rezepte der SPD-Linken: Wenn wir die Unternehmen von Steuern und Abgaben befreien, bleibt ihnen mehr Kapital für Neuinvestitionen, das schafft Arbeitsplätze. Diese neoliberale Angebots-Doktrin ist gerade wieder ad absurdum geführt worden: Deutschland, das Land mit dem geringsten Wirtschaftswachstum in der EU, ist Europameister beim Stellenabbau, während es beim Export Vizeweltmeister und beim Handelsüberschuß Weltmeister ist. Zugleich nimmt Deutschland soviel neue Schulden auf, daß Brüssel schon im Jahre 1 der Eichelschen Steuerreform einen Blauen Brief androhte und 2002 die offizielle Abmahnung wegen Neuverschuldung von mehr als drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt nach Berlin schickte. Warum auch hätten die Unternehmen mehr investieren und produzieren sollen, wo sie doch bisher schon ihre Waren nur mühsam unter die Leute bringen konnten? Deren Kaufkraft stagniert nämlich. Vor allem Rentner, Arbeitslose, Studierende, Sozialhilfeempfänger haben infolge der staatlichen Kürzungspolitik immer weniger im Portemonnaie. Deswegen verwenden die Industrie- und Finanzkonzerne das vom Staat erlassene Steuergeld dazu, ihre Firmen zu rationalisieren, also noch mehr Arbeitsplätze abzubauen; nicht benötigte Kapitalien stecken sie in die sicheren, zinstragenden neuen Staatsanleihen, mit denen Bund, Länder und Gemeinden ihre Einnahmeausfälle sowie ihre Zusatzausgaben für mehr Arbeitslose finanzieren müssen. Zur wachsenden Arbeitslosigkeit trägt übrigens - was nie übersehen werden sollte - die Politik auch dadurch bei, daß Jahr für Jahr, schon seit 1992, fast hunderttausend Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Kurz und schlecht: Wie die BRD-Volkswirtschaft fast zwangsläufig Stagnation und wachsende Arbeitslosigkeit hervorbringt, ist schon an den verheerenden Weichenstellungen in der Kohl-Ära und inzwischen auch an der falschen Politik von Rot-Grün seit 1998/99 bilderbuchmäßig zu studieren. Durch die "Reform"-Politik wird der Sozialstaat destruiert. Diese Politik verringert die Massenkaufkraft und dadurch die Nachfrage. Sie entsolidarisiert die Gesellschaft und vergrößert soziales Elend. Die SPD-Linken sagen dazu: "Auch wir halten Reformen für unabdingbar." Der Unterschied: Sie sorgen sich um die bisher fehlende Zustimmung und fordern deshalb eine "gerechte Lastenverteilung" - worunter wohl zu verstehen ist, daß nicht nur die Arbeiter- und Angestellten-Renten, sondern auch die Beamten-Pensionen gekürzt und nicht nur Arbeitslosenhilfebezieher, sondern auch Sozialhilfeempfänger durch Geldentzug zu Arbeit gezwungen werden sollen. Nein, was diese "Linken" bisher vorschlagen, wäre kein Neuanfang. Außer Kosmetik und mehr PR-Arbeit fordern sie lediglich, den schon von Kohl vorgezeichneten bequemen Weg in höhere Staatsverschuldung zu gehen. Nur wenn dies jetzt offen als Ziel proklamiert würde, wäre das etwas Neues gegenüber den ständigen Beteuerungen des längst gescheiterten Sparkommissars Hans Eichel. Ein Neuanfang, der diesen Namen verdiente, müßte den Staat vorrangig in seiner Verantwortung für den öffentlichen Sektor stärken, anstatt das Regierungshandeln weiterhin auf die Kräftigung der in vielen Bereichen versagenden Marktkräfte zu konzentrieren. Wenn der Kapitalismus selbst in seinen Metropolen bewirkt, daß Armut in neuen Formen zurückkehrt, daß Schulen, Krankenhäuser, Altersheime, Jugendheime personell veröden und baulich verfallen und zugleich Millionen Menschen daran gehindert werden, von ihren Arbeitsfähigkeiten Gebrauch zu machen, dann ist in der Tat die Zeit reif für einen Kurswechsel. Die Gesamtgesellschaft hätte von ihrer Regierung zu verlangen, daß ein gemeinwirtschaftlicher Sektor neben dem Markt aufbaut wird. Die Mittel hierfür sind vorhanden, Geld ist genug da - allerdings bisher in den falschen Händen. Doch beide Aufgaben verletzen offenbar neoliberale Tabus: Die wirksame Besteuerung der Reichen und den Ausbau öffentlicher Dienste trauen sich auch diejenigen in der SPD nicht mehr vorzuschlagen, die sich selber noch als links bezeichnen. Der Neuanfang muß von Akteuren einer neuen sozialen Bewegung kommen - wohl leider ohne Hoffnung auf Linke in der SPD.
Erschienen in Ossietzky 4/2003 |
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