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Opfer eines Angriffskriegs dürfen sich, wie ich diesem Schriftsatz entnehme, keine Hoffnung machen, daß ihnen jemals Gerechtigkeit zuteil werden könnte. Wenn der Aggressor aus dem Krieg als Sieger hervorgeht. Ossietzky-Leser erinnern sich: NATO-Flieger hatten in Varvarin, wo es weit und breit keine militärischen Ziele gab, die Brücke über die Morava bombardiert. Als die zum Gottesdienst und Pfingstmarkt Versammelten, unter ihnen der Pfarrer, herbeieilten, um sich um die Toten und Verletzten zu kümmern, kam ein Flugzeug zurück. Die Besatzung feuerte in die Menge, der Pfarrer und andere Helfer wurden getötet, mehrere verletzt. Welcher Nationalität die Angreifer waren, konnte von unten niemand erkennen. Aber gleichviel, wer die militärischen Befehle ausführte, jedenfalls ist inzwischen bekannt, daß die Bundesrepublik Deutschland im NATO-Stab an der Zielauswahl beteiligt war. Darum haben die Hinterbliebenen - u.a. der Bürgermeister und seine Frau, die ihre 15jährige Tochter verloren - unterstützt von Spendern aus der deutschen Friedensbewegung Klage gegen die BRD erhoben. Das Verfahren ist beim Landgericht Bonn anhängig, weil Bonn nach wie vor Sitz des Ministeriums ist, das sich noch immer Bundesverteidigungsministerium und nicht, wie es richtig hieße, Bundesangriffsministerium nennt. Vor zwei Jahren hatte der Bundesgerichtshof festgestellt, daß sich die deutsche Justiz an das Weltrechtprinzip zu halten habe, wonach auch Straftaten, die von Ausländern im Ausland begangen worden sind, vor deutschen Gerichten angeklagt werden können. Im vorliegenden Fall aber bestreitet die Bundesregierung die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts. Weder nach dem Kriegsvölkerrecht noch nach dem deutschen Staatshaftungsrecht könnten hier Ansprüche geltend gemacht werden. Daß sich aus einer Verletzung der Haager Konventionen, in denen die Grundsätze des Kriegsvölkerrechts niedergelegt sind, keine individuellen Ansprüche ergäben, entspreche auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den USA, argumentieren die von der Bundesregierung beauftragten Juristen - "sonst würden die Verhaltensanforderungen der Konventionen möglicherweise Tausende oder Millionen Einzelklagen von Individuen ... nach sich ziehen", und das ist wohl nicht nur für einen US-amerikanischen Höchstrichter eine schreckliche Vorstellung. Die Bundesregierung stützt sich in dem Schriftsatz auch auf das Landgericht in Tokio, das in einem Entschädigungsprozeß wegen Kriegsverbrechen japanischer Soldaten an Chinesen im Zweiten Weltkrieg feststellte, "daß keine als wiederholte Staatspraktiken anzusehenden internationalen Ausübungen existieren, die anerkennen, daß durch Kriegshandlungen des Kriegsgegners geschädigte Privatpersonen direkt gegenüber dem Kriegsgegner Anspruch auf Entschädigung haben" - abgesehen "von einigen Sondervereinbarungen, in denen der Anspruch von Privatpersonen anerkannt und realisiert wurde (u.a. Versailler Friedensvertrag)". Die von den Klägern herangezogenen Bestimmungen des Kriegsvölkerrechts stellen nach Darstellung der Bundesregierung auch deshalb kein Völkergewohnheitsrecht dar, "weil sich nicht einmal der Grundsatz durchgesetzt hat, daß Verletzungen des humanitären Völkerrechts überhaupt entschädigt werden. Vielmehr fordert in aller Regel der Sieger Entschädigungsleistungen von dem Besiegten, ohne daß auf Verletzungen des Kriegsrechts im einzelnen abgestellt würde und vor allem ohne daß der Sieger normalerweise Schadensersatz für die von ihm begangenen Verletzungen des Rechts leistet". Kurz, es gilt das Recht des Stärkeren. Die Serben hätten eben die vereinte Aggressionsmacht der NATO besiegen müssen... Die Bundesregierung beteuert, ihr, könne "in keinem Falle unterstellt werden, sie habe eine vermeidbare, rechtswidrige Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung billigend in Kauf genommen oder sich gar zu einer solchen ausdrücklich verabredet". Falls man aber die "behauptete Luftoperation" doch "als in Kauf genommene Verletzung des humanitären Völkerrechts ansehen würde, wäre die Zerstörung der Brücke von Varvarin unter den konkreten Umständen als ›Exzeß‹ anzusehen, für den nach deutschem Deliktsrecht keine Haftung besteht". Insofern wird sich die Bundesrepublik Deutschland beruhigt an künftigen Angriffskriegen beteiligen dürfen.
Erschienen in Ossietzky 4/2003 |
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