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B. bei Insolvenzen oder Währungszusammenbrüchen - meinte, man könne dann ja zum Umlageverfahren zurückkehren; das würde sofort funktionieren. Und doch glaubte dem CDU-Arbeitsminister bald keiner mehr, weil seine eigenen Rentengesetze mit Heraufsetzung der Rentenaltersgrenzen, Herabsetzung von Anrechnungszeiten bei Ausbildung und Arbeitslosigkeit und Einführung des ominösen "demographischen Faktors" dazu führten, daß die GRV zwar erhalten blieb, ihr Ergebnis aber immerzu schrumpfte. Als 1998 Rot-Grün an die Regierung kam, wurde nur der "demographische Faktor" als unsozial zurückgenommen; die übrigen Kürzungen aus CDU-Zeiten blieben in Kraft und wurden bald noch verschärft, was z. B. Arbeitslose zu spüren bekamen. Vor allem mit der Einführung der kapitalgedeckten "Riester-Rente" 2002 wurden im System der GRV neue Kürzungsmechanismen installiert. Daß die Rente für einen Standardrentner nach 45 Arbeitsjahren von 70 Prozent auf 64 Prozent vom Nettolohn sinkt, wird offiziell zugegeben, und sie wird weiter sinken, vor allem wenn eintritt, was Kanzler Schröder schon angekündigt hat: Ausbau der Kapitalrente zu einer "Säule", die am Ende "gleich dick" ist wie die Umlagerente - "wenn sich das Verhältnis mal nicht umkehrt." Da die Beiträge der Beschäftigten an die Privatrente vorweg von der durchschnittlichen Lohnberechnungshöhe für die GRV abgezogen werden, muß dies zu drastischen Kürzungen der "Altrenten" führen - was offenbar das Ziel dieser "Versöhnung zwischen Kapital und Arbeit" ist, die die neue Sozialdemokratie zum Programm erhoben hat. Die Grünen fordern sowieso stärkere Rentenkürzungen noch in dieser Legislaturperiode. Doch wie sicher ist nun die kapitalgedeckte "Riesterrente"? Der Kanzler preist ihre Einführung als "epochale Reform". Sie wurde vor zwei Jahren von Rot-Grün durchgesetzt, sogar mit Zustimmung der großen Gewerkschaftsvorsitzenden. Wir erinnern uns: Im Jahre 2000, als die Propagandisten einer rentenpolitischen Wende zur Kapitaldeckung die Meinungsführerschaft errangen, überschlugen sich die Börsenkurse, nicht nur am "Neuen Markt". Die Volksaktie Telekom glänzte zeitweilig mit Kurssteigerungen von 500 Prozent; die gute, alte Post warb auf ihren gelben Paketwagen: "Die Post - mehr Wert im DAX". Die Werbung für die "Privatrente" gaukelte dem kleinen Mann vor, er könne teilhaben am wundersamen Wachstum der Kapitalfonds. Die herkömmliche GRV mit ihren Umlage-Abgaben, die sofort den heutigen Rentnern zufließen, galt als Kapitalvernichterin. Die "Riesterrente" dagegen versprach den Beschäftigten und ihren Beschäftigern, daß sie immer weniger Sozialabgaben an die lästige GRV abzuführen hätten, Geld würde frei werden für die Privatrente, und Vater Staat würde noch einiges dazutun. Daß die Arbeitgeber sich an der Privat rente ihrer Beschäftigten nicht zu beteiligen brauchten, war logisch - privat ist privat... Anfang 2003, in ihrem zweiten Jahr, ist es merklich stiller geworden um die "Riesterrente". Das erste Jahr war ein Flop, Anfang Dezember hatten gerade mal zehn Prozent der ArbeitnehmerInnen Verträge abgeschlossen. CDU, FDP, auch die Grünen dringen auf schnellere Umstellung. Schon wieder mußten die Abgaben für die GRV erhöht werden, statt daß sie - wie versprochen - gesunken wären. Und Steuergelder wird der Finanzminister nicht zuschießen, der Staat hat sich ja mit seinen vielen Steuergeschenken an die Reichen selber arm "reformiert". Der eigentliche Grund für die geringe Akzeptanz der "Riesterrente" in der Bevölkerung ist der schnell verflogene Glaube an die Sicherheit des Kapitals. In den beiden vergangenen Jahren ist nicht nur der "Neue Markt" aus dem DAX verschwunden, nachdem allein hier rund 240 Milliarden Euro Kursverluste zu betrauern waren. Weltweit werden die Kapitalverluste innerhalb von zwei Jahren auf nahezu acht Billionen US-Dollar geschätzt. Die Deutsche Telekom hat inzwischen mehr als 60 Milliarden Euro Schulden, anderthalb mal soviel, wie ihr aktueller Aktienwert noch ausmacht. Sie wäre längst pleite, wenn nicht immer noch der Staat als Garant im Hintergrund angesehen würde. Dieser Börsencrash hat Auswirkungen auf die Versicherungs- und Fondsgesellschaften, die sich auf das große Geschäft mit Policen für die "Riesterrenten" gefreut hatten. Sie müssen ihre Hochglanzbroschüren alle Vierteljahr einstampfen, um ihre Zusagen nach unten zu korrigieren. Die Lebensversicherungsbranche mußte im letzten Jahr auf Drängen der Regierung einen "Rettungsfonds" für notleidende Gesellschaften einrichten, um mindestens die eingezahlten Beiträge zu sichern. In England, wo der neoliberale Privatisierungswahn das staatliche Umlageverfahren auf ein Rentenniveau von 15 Prozent abgesenkt hat und die meisten Rentner eigentlich von kapitalgedeckten Betriebs- oder Privatrenten leben sollen, mußten bisher schon 40 Prozent der Alten kommunale Fürsorgeleistungen in Anspruch nehmen. Aufgrund der gegenwärtigen Kapitalkrise droht nun eine "Megatragödie" für weitere Millionen Menschen, wie der Sozialexperte der Labour Party, Frank Fields, vorrechnet: Die Rentenfonds müssen wegen Unterdeckung ihre Zahlungen an die Rentner senken, weil die Firmen ihre Beiträge zur Betriebsrente von bisher 15 bis 20 Prozent der Gehaltssumme auf gerade noch 5 bis 10 Prozent" reduzieren. Beim kleinsten Renditeeinbruch schmelzen Kapitalfonds dahin wie Wachs in der Sonne. Hier läßt sich in Jetztzeit studieren, was von den Verheißungen zu halten ist, Kapital sei die Rettung und die Jungen müßten nicht mehr für die Alten mitarbeiten ... Unsere Gewerkschaften haben sich ihre Zustimmung zur "Riesterrente" damit schmackhaft machen lassen, daß die Regierung zusagte, den verstärkten Aufbau von Betriebsrenten in die Förderungskriterien der "Riester-Reform" mit aufzunehmen - was bedeutet, daß jetzt auch Beiträge an Betriebsrentenfonds vom Bruttolohn abgezogen werden, bevor Steuern und Sozialabgaben berechnet werden. Die IG-Metall ist dabei, einen branchenübergreifenden Versicherungsfonds mit Sonderkonditionen für ihre Mitglieder aufzubauen - wovon sie sich wohl eine engere Bindung an die eigene Organisation verspricht. Daß nur Beschäftigte mit langer Betriebszugehörigkeit, vor allem die Stammbelegschaften großer Konzerne, in den Genuß von Betriebsrenten kommen können, während für all die "flexibel" gemachten Jobber, für Teilzeit-Beschäftigte, Geringverdienende und erst recht für Arbeitslose hier nichts zu holen ist, scheint die Verantwortlichen nicht zu stören. Das gewerkschaftliche Engagement für kapitalgedeckte Betriebsrenten könnte sich auch bei den Kernbelegschaften bald als nachteilig erweisen. In den USA jedenfalls, wo viele Gewerkschaften sich schon länger als Lobbyvereine für die besten Pensionsfonds verstehen, hat die augenblickliche Kapitalkrise voll reingehauen. Die Enron-Pleite z. B. - der Zusammenbruch eines Großkonzerns mit 100 Milliarden Dollar Jahresumsatz - hat mehrere Rentenfonds mit in den Ruin gerissen. Sogar die ganz Großen wie General Motors weisen in ihren jüngsten Bilanzen große Deckungslücken in den Pensionskassen aus: "Zum Jahresende lag die Unterdeckung bei 19,3 Mrd. Dollar, im Jahr zuvor bei 9.1 Mrd." (FAZ, 10. 1. 2003). Von dieser Entwicklung ist auch das deutsche Paradeunternehmen DaimlerChrysler betroffen: Die Pensionskassen für die Mitarbeiter waren nach Angaben des Finanzvorstandes Ende 2002 mit 5,6 Milliarden Euro unterfinanziert, ein Drittel hiervon entfiel auf Deutschland. Um die Auszahlungen nicht zu gefährden, mußten 1.1 Milliarden Euro aus dem laufenden Ertrag zugeschossen werden (Die Welt, 10. 1. 03). Die Systemwende von der Umlage- zur Kapitalrente - geschmückt mit dem Namen eines Gewerkschaftssekretärs im Ministeramt, der nach getaner Arbeit in Pension geschickt wurde - war wohl nur in den Zeiten einer hochgepuschten Aktieneuphorie möglich. Nach zwei Jahren geplatzter Kapital-Träume sollten die verzauberten Börsengläubigen aus dem Lager der Arbeiter und Angestellten endlich aufwachen und Gegenwehr gegen die weitere Demontage ihrer in mehr als hundert Jahren erkämpften GRV-Solidarrente organisieren - damit wenigstens sie sicher bleibt und bald auch wieder höher ausfällt.
Erschienen in Ossietzky 3/2003 |
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