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Der OKW-Text, auf den sie in den Tagen zuvor bereits eingestimmt worden waren, lautete vollständig: Der Kampf um Stalingrad ist zu Ende. Ihrem Fahneneid bis zum letzten Atemzug getreu ist die 6. Armee unter der vorbildlichen Führung des Generalfeldmarschalls Paulus der Übermacht des Feindes und der Ungunst der Verhältnisse erlegen. Ihr Schicksal wird von einer Flakdivision der deutschen Luftwaffe, zwei rumänischen Divisionen und einem kroatischen Regiment geteilt, die in treuer Waffenbrüderschaft mit den Kameraden des deutschen Heeres ihre Pflicht bis zum äußersten getan haben. Noch ist es nicht an der Zeit, den Verlauf der Operationen zu schildern, die zu dieser Entwicklung geführt haben. Eines aber kann schon heute gesagt werden: Das Opfer der Armee war nicht umsonst. Als Bollwerk der historischen europäischen Mission hat sie viele Wochen hindurch den Ansturm von sechs sowjetischen Armeen gebrochen. Vom Feinde völlig eingeschlossen, hielt sie in weiteren Wochen schwersten Ringens und härtester Entbehrungen starke Kräfte des Gegners gebunden. Sie gab damit der deutschen Führung die Zeit und die Möglichkeit zu Gegenmaßnahmen, von deren Durchführung das Schicksal der gesamten Ostfront abhing. Vor diese Aufgabe gestellt, hat die 6. Armee schließlich auch durchgehalten, als mit der Dauer der Einschließung und dem Fortgang der Operationen die Luftwaffe, trotz äußerster Anstrengungen und schwerster Verluste, außerstande war, eine ausreichende Luftversorgung sicherzustellen und die Möglichkeit des Entsatzes mehr und mehr und schließlich ganz dahinschwand. Die zweimal vom Gegner verlangte Übergabe fand stolze Ablehnung. Unter der Hakenkreuzfahne, die auf der höchsten Ruine von Stalingrad weithin sichtbar gehißt wurde, vollzog sich der letzte Kampf. Generale, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften fochten Schulter an Schulter bis zur letzten Patrone. Sie starben, damit Deutschland lebe. Ihr Vorbild wird sich auswirken bis in die fernsten Zeiten, aller unwahren bolschewistischen Propaganda zum Trotz. Die Divisionen der 6. Armee aber sind bereits im neuen Entstehen begriffen. Wie hätten sich die Sätze dieser Meldung gelesen, wenn das Führerhauptquartier den Deutschen bekannt gemacht hätte, was es wußte? Etwa so: Am 2. Februar 1943 endete die Schlacht zwischen Don und Wolga, die in der zweiten Augusthälfte 1942 mit dem Angriff auf Stalingrad begonnen hatte. Die deutschen Truppen, deren Kern die 6. Armee bildete, und Einheiten der Verbündeten, die Stalingrad erobern und die Kontrolle über die Wolga gewinnen sollten, waren seit dem 23. November von gegnerischen Armeen eingeschlossen. Ersuchen des Oberbefehlshabers Friedrich Paulus, den Eingeschlossenen den Versuch eines Ausbruchs nach Westen zu genehmigen, wurden vom Führer abgelehnt. Ein mit unzureichenden Kräften am 12. Dezember unternommener Versuch, in den Kessel vorzudringen und eine schmale Verbindung zu den deutschen Hauptkräften der Südfront wieder herzustellen, scheiterte nach zehn Tagen. Am 9. Januar lehnte General Paulus ein sowjetisches Kapitulationsangebot ab. Danach begann der Angriff der Roten Armee, der gestern dazu führte, daß die noch kämpfenden Reste der Eingeschlossenen die Waffen streckten. Vorschläge des Oberbefehlshabers Paulus, eine frühere Kapitulation zu genehmigen, hatte das Führerhauptquartier ebenfalls zurückgewiesen. Wie viele Angehörige der deutschen und verbündeten Verbände während der Kämpfe umkamen, infolge von Verwundungen, Verletzungen und Krankheiten starben, verhungerten oder sich verzweifelt das Leben nahmen, ist unbekannt. Gleiches gilt für die Zahl der Soldaten und Offiziere, die sich in Gefangenschaft begaben. Ob sich unter ihnen auch Generale und der Oberbefehlshaber der Armee befinden, ist noch ungewiß. Sicher ist hingegen, daß die Mehrheit der die Schlacht überlebenden Deutschen sich physisch wie psychisch in einem extrem schlechten Zustand befindet, sie waren seit Wochen hochgradig unter- und fehlernährt, in den denkbar schlechtesten hygienischen Zuständen, häufig unzureichend gekleidet, zerlumpt und schleppten massenhaft Läuse, die Überträger von Krankheiten und Seuchen, mit sich. Der Versuch, die Eingeschlossenen auf dem Luftweg ausreichend mit Waffen, Munition, Betriebsstoff, Nahrung und Medikamenten zu versorgen, scheiterte. Die Luftwaffe verlor während ihrer Einsätze mehrere Hundert Kampf- und Transportflugzeuge samt deren Besatzungen. Sie transportierte mehrere Tausend Verwundete sowie Spezialisten aus dem Kessel, vor allem Angehörige von Stäben, die über keine Truppen mehr verfügten und im weiteren Kriegsverlauf an anderen Fronten Verwendung finden sollen. Im Besitze der rückwärtigen Dienste befinden sich noch nicht ausgehändigte Postsendungen von Soldaten und Offizieren, die sie gegen Ende der Kämpfe an ihre Angehörigen als Abschiedsbriefe schrieben. Über ihre Aushändigung wird noch entschieden werden. Die Stadt Stalingrad ist infolge der Luftbombardements und der Erdkämpfe ein unbewohnbarer Trümmerhaufen geworden. Die 6. Armee und die mit ihr kämpfenden Einheiten insbesondere der IV. deutschen Panzerarmee haben zwischen Don und Wolga die größte Niederlage der deutschen Militärgeschichte erlitten. Die Folgen der Geschehnisse sind noch unabsehbar. Gewiß, so sondermeldet kein Oberkommando nach gescheitertem Feldzug, zum wenigsten das in jenen Tagen in Ostpreußen etablierte, zumal den Deutschen in den folgenden Tagen, nachdem die auf Halbmast gesetzten Fahnen wieder eingerollt worden waren, klargemacht werden sollte, der Krieg könne noch gewonnnen werden, wenn durch das Reich nur ein Ruck ginge. General von Seydlitz-Kurzbach und dessen Generalstabschef hatten eine "Vernichtungsschlacht von klassischem Ausmaß" vorausgesehen und vor ihr in einer Denkschrift vergeblich gewarnt, die das Datum des 25. November 1942 trug und den Ausbruch aus dem Kessel auf eigene Faust und Verantwortung vorschlug. Die hier zitierte Bewertung der Schlacht als "größte Niederlage der deutschen Militärgeschichte" las Propagandaminister Goebbels in einer britischen Quelle und kommentierte in seinem Tagebuch, das sei nicht ganz falsch.
Erschienen in Ossietzky 3/2003 |
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