Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Deutsche Generalstabsarbeitvon Ulrich Sander Am 3. Februar 1933, gerade Reichskanzler geworden, traf Hitler sich mit der Reichswehrführung. Die Generäle konnten ihm ihren Plan für eine große Kriegsarmee unterbreiten, der schon 1925 entworfen worden war. Dieser Plan "Großes Heer" war in der Weimarer Zeit geheim gehalten worden und blieb auch später der Öffentlichkeit verborgen, noch bis in die 1990er Jahre. Am 5. März 1997 verbreitete die Nachrichtenagentur dpa folgende Notiz: "Das deutsche Militär hat sich seit 1925 aktiv auf einen Zweiten Weltkrieg vorbereitet. Dies wird nach Informationen der Zeitung Die Zeit durch ein bislang geheimes Dokument belegt. Danach habe sich das deutsche Militär lange vor Hitler mit konkreten Aufrüstungsplänen für ein Kriegsheer beschäftigt. Das mehrere hundert Seiten umfassende Dokument habe über Jahre im Pentagon gelagert und sei von einem Hamburger Privatforscher im Nationalarchiv in Washington entdeckt worden. Auf Betreiben des Chefs der Heeresleitung, General Hans von Seeckt, sei sieben Jahre nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg mit der Planung für eine Kriegsarmee begonnen worden. Seeckt habe dem Truppenamt die Planungsaufgabe gestellt, ein Kriegsheer mit bis zu drei Millionen Mann aufzustellen. Die 102 Divisionen, die bei Kriegsbeginn 1939 bereitstanden, seien bereits damals detailliert geplant worden. Nur durch diese Vorbereitung habe Hitler binnen sechs Jahren die stärkste Landmacht des Kontinents bilden können. Einer der Verfasser, der ehemalige Generalleutnant Walter Behschnitt, habe die Arbeit später als das ›Geheimste vom Geheimen‹ eingestuft." Die Generäle planten also ab 1925 den großen Völkermord, die Verbrechen der Wehrmacht wurden schon damals konzipiert: "Hemmungen irgendwelcher Art darf es nicht geben ... Die Meinung der Welt gilt wenig, wenn die Befreiung winkt ... Ein auf das Äußerste zu steigender Haß darf vor keinem Mittel der Sabotage, des Mordes und der Verseuchung zurückschrecken - Gas und Rauch, Bakterien, elektrische Fernlenkung und Zündung, Aviatik." Etliche der Reichswehroffiziere, die derartiges allergeheimst aufgeschrieben hatten, gehörten zu jenen, die Hitler 1933 zur Macht verhalfen. Als er am 3. Februar 1933 die Befehlshaber von Heer und Marine im Bendlerblock aufsuchte, sprach er mit ihnen über vieles, was sie selber längst im Sinne hatten: die "Ausrottung des Marxismus", den Kampf gegen die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges und die Stärkung des "Wehrwillens" - "mit allen Mitteln". Kurz darauf traf sich Hitler mit den Herren der Rüstungsindustrie, nahm ihre Millionenspenden für die NSDAP entgegen und versprach Hochrüstung und "Wehrhaftigkeit". Zur "Stärkung des Wehrwillens mit allen Mitteln" gehörte gnadenloser Terror gegen alle, die erkannt hatten: "Wer Hitler wählt, wählt den Krieg." General v. Seeckt hatte 1925 ausgesprochen, worum es bei der Schaffung des Großen Heeres ging: "Wir müssen Macht bekommen, und sobald wir diese Macht haben, holen wir uns selbstverständlich alles wieder, was wir verloren haben." Hitler stimmte an jenem 3. Februar 1933 zu und versprach, was die Heeresführung wünschte: keine Duldung des Pazifismus, Todesstrafe für Landesverrat, Beseitigung des "Krebsschadens der Demokratie", Wehrertüchtigung der Jugend, allgemeine Wehrpflicht, vor allem aber "die Wiederherstellung der deutschen Macht". Die Gelegenheit dazu habe man erst, wenn "im Geheimen wirtschaftlich und militärisch alle Vorbereitungen hundertprozentig" getroffen seien. Einen Schritt weiter als die Generäle ging Hitler, als er auf die Frage "Wie soll politische Macht, wenn sie gewonnen ist, gebraucht werden?" antwortete: "Erkämpfung neuer Exportmöglichkeiten, vielleicht - wohl besser - Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung." Schweigend akzeptierten sie auch diese Vorstellungen (s. C. Dirks / K: H. Janssen: "Der Krieg der Generäle - Hitler als Werkzeug der Wehrmacht", Berlin 1999). Es kam wie geplant. Als der Krieg im Sommer 1939 unmittelbar bevorstand, hieß es im Vorwort des Buches "Wehrmacht und Partei", herausgegeben von Reichsamtsleiter Dr. Richard Donnevert vom "Stab des Stellvertreters der Führers", Rudolf Hess, jetzt stehe "das deutsche Volk in einem harten Kampf um sein Lebensrecht gegen seine jüdischen und demokratischen Feinde". Wehrmacht und NSDAP kämpften "Schulter an Schulter". Das Buch nahm dem Soldaten jedes Bedenken, ob sein Tun erlaubt sei. Es sprach vom "Vorrecht des Stärkeren": "Recht bekommt, wer sich im Daseinskampf durchzusetzen versteht." Es gehe um "Forderungen an Siedlungsland, an Rohstoffquellen und Absatzmöglichkeiten". Der deutsche "Daseinskampf" forderte dann 50 Millionen Tote. Nach der Kapitulation wurden die Hitlergeneräle bald wieder planend tätig. Am 9. Oktober 1950 kamen Expertengespräche ehemaliger Offiziere der Wehrmacht über die "Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas" im Eifelkloster Himmerod zum Abschluß. Als "Himmeroder Denkschrift" wurden ihre Überlegungen zur Vorlage für Bundeskanzler Adenauer zusammengefaßt. Unter den Teilnehmern in Himmerod waren frühere Wehrmachts- und spätere Bundeswehrgeneräle wie Hans Röttiger, der nach Kriegsende zugegeben hatte, es sei darum gegangen, "den militärischen Bandenkampf des Heeres dazu auszunutzen, um die rücksichtslose Liquidierung des Judentums und anderer unerwünschter Elemente zu ermöglichen" (s. Ulrich Sander: "Szenen einer Nähe", Bonn 1998). Mitautor der Denkschrift war auch Adolf Heusinger, dem schwerste Kriegsverbrechen vorzuwerfen waren. Nach 1945 hatte er als Berater der US-Armee Verwendung gefunden, und nach Gründung der Bundeswehr 1955 wurde er deren erster Generalinspekteur. Die "Himmeroder Denkschrift" war die eigentliche Geburtsurkunde der Bundeswehr. Die Autoren machten unmißverständlich klar, daß sie am Aufbau der Bundeswehr nur mitwirken würden, wenn folgende Forderungen erfüllt würden: "Freilassung der als ›Kriegsverbrecher‹ verurteilten Deutschen", "Einstellung jeder Diffamierung des deutschen Soldaten" (einschließlich der Waffen-SS) und "Maßnahmen zur Umstellung der öffentlichen Meinung im In- und Ausland ... Ehrenerklärung für den deutschen Soldaten von Seiten der Bundesregierung und der Volksvertretung. Gerechte Regelung der Versorgung der früheren und zukünftigen Soldaten und ihrer Hinterbliebenen." Die Bedingungen wurden allesamt erfüllt. Wie Alfred Streim, der inzwischen verstorbene Leiter der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen für die Aufklärung von NS-Verbrechen, in dem Buch "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" (Hamburg 1995) berichtet, erklärte Adenauer "den westlichen Alliierten immer wieder, es werde keine neue deutsche Armee geben, solange noch Prozesse gegen Angehörige der Wehrmacht geführt und deutsche Soldaten sich in alliierter Haft befinden würden". Mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung vom 26. November 1992, die vom Bundeskabinett "zur Kenntnis genommen", aber nicht vom Bundestag beschlossen wurden, etablierte sich ein neuer deutscher Generalstab und gab sich ein politisches Programm, das nach und nach verwirklicht wurde - außerhalb der Verfassung und konträr zu solchen vielzitierten Grundsätzen wie "Primat der Politik" oder "Parlamentsarmee". Das Bundesverfassungsgericht ermächtigte die Militärs, mit der Zustimmung der einfachen Regierungsmehrheit des Bundestags Kriege zu führen und sich nicht mehr auf den Verteidigungsauftrag der Verfassung zu beschränken. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien nennen als "deutsches Interesse" die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt". Deshalb müsse ein "Teil der deutschen Streitkräfte zum Einsatz außerhalb Deutschlands befähigt sein". Sicherheits- und Verteidigungspolitik sei "ein ganzheitlicher Ansatz von Schützen und Gestalten" - und das "Gestalten" wird mit einer Formulierung erläutert, die auch Hitler anstelle seines plumpen "Ab 5.45 Uhr wird zurückgeschossen" hätte einfallen können: "Vorbeugung, Eindämmung und Beendigung von Krisen und Konflikten, die Deutschlands Unversehrtheit und Stabilität beeinträchtigen können." Als Peter Struck im Sommer 2002 Nachfolger von Rudolf Scharping wurde, übernahm er ein Ministerium und eine Bundeswehr, die mit Verteidigung nicht mehr viel zu tun hatten. Jetzt stehen 150 000 Soldaten ständig für Auslandseinsätze bereit. 10 000 sind ständig an zehn Kriegen und anderen Einsätzen beteiligt. Und an der Spitze haben sie nun ein Eins-FüKdoBW in Potsdam. "Erstmalig in der Geschichte der Bundeswehr besitzen wir mit dem Einsatzführungskommando eine nationale teilstreitkraft-gemeinsame Führungsfähigkeit," erklärte bei der Eröffnung der damalige Generalinspekteur Harald Kujat. Erstmalig in der Geschichte der Bundeswehr heißt nicht erstmalig in der Geschichte überhaupt. Das Einsatzführungskommando gab es schon früher, es hieß damals Generalstab. 1945 wurde den Deutschen ein Generalstab verboten. Nun ist er wieder da. "Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr nimmt die Aufgaben eines Generalstabes wahr", so die FAZ. Da "die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" nach Strucks Worten jetzt "auch am Hindukusch verteidigt" wird, sind neue Verteidigungspolitische Richtlinien fällig. Über den Stand der Arbeiten daran berichtete kürzlich Christoph Schwennicke, Militärexperte der Süddeutschen Zeitung, aus dem Zentrum für Analyse und Forschung der Bundeswehr in Waldbröl. Wie mir bestätigt wurde, ist dort unter dem Titel "Streitkräfte, Fähigkeiten und Technologie im 21. Jahrhundert" zu Papier gebracht worden, wie die Militärs sich die langfristigen Entwicklungen der Bundeswehr und der deutschen Sicherheitspolitik bis zum Jahr 2020 vorstellen. Diese Ausarbeitung, schreibt er, fordere "nicht weniger als eine Revolution, mindestens einen Wandel von der alten Armee der schweren Panzerverbände, welche die Bundeswehr trotz aller Reformen im Kern noch immer ist, hin zu einer modernen westlichen Interventionstruppe", die fähig sein müsse, sowohl in zwischenstaatlichen und "kleinen Kriegen" im euro-atlantischen Raum als auch weltweit zur Unterstützung der Partner zu intervenieren. Mit diesem Ansatz könne Deutschland "eine Führungsrolle in der EU übernehmen sowie Streitkräfte in Europa und ihre Fähigkeiten vorantreiben". Im Rahmen der europäischen Verteidigungspolitik müsse mehr "Prävention" geleistet werden, fordert das Konzept aus Waldbröl. Es gelte aber auch, offensiver zu Werke zu gehen, wenn die Prävention nicht gegriffen hat. So wird empfohlen, Fähigkeiten der Bundeswehr anzustreben, "die zur Abwehr von Bedrohungen bis in deren Herkunftsräume wirken können". Angesichts der neuen Herausforderungen etwa des internationalen Terrorismus sei "die eigene Sicherheit nicht mehr nur defensiv, sondern notfalls auch mit offensiven Operationen zu gewährleisten". Dazu gehöre die Fähigkeit, in Europa und an seiner Peripherie "eine nachhaltige Aktion/Reaktion innerhalb weniger Stunden oder Tage" auszuführen. Zudem müßten die Streitkräfte eine Überlegenheit anstreben, die es ihnen ermögliche, "Gefahren für Deutschland und seine Partner auch jenseits der Grenzen Europas abzuwehren". Das sind eindeutige Umschreibungen von Präventivschlägen. Wie mitunter schon dieser und jener Politiker plädieren die Autoren der Studie dafür, die Truppe auch im Inneren der Republik einzusetzen, "Heimatverteidigung" ist die Devise. Gefordert wird außerdem "ein dauerhafter finanzieller Mehraufwand" für die Rüstung, damit die Bundeswehr all das tun kann, was sie nach den Vorstellungen ihrer Planer tun soll. Die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien, erarbeitet von den Olivgrünen für die Rot-Grünen, machen schon im Entwurf deutlich, warum die Bundesregierung in diesen Tagen betont, daß sie "diesen" Krieg, den US-Krieg gegen Irak, nicht mitmachen will. Es ist eben keine generelle Entscheidung gegen den Krieg. In anderen Fällen wird sie sich anders entscheiden. Und weshalb sollte die Bundesrepublik auf Dauer nur mitmachen? Die Generalität denkt weiter.
Erschienen in Ossietzky 3/2003 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |