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Der Hintergrund: ein schönes Porträt der Luxemburg, der Bühnenboden: ein heller Stern mit blutbefleckter Spitze, die ins Publikum piekt, darauf Therese Affolter als Rosa Luxemburg, die vor, zwischendrein und nach dem Agit-Prop-Abend klug ausgewählte Texte der roten Rosa seltsam hohl skandiert. Sie »gibt« das Abbild aus einer Illustrierten der zwanziger Jahre, Modeheft für »die Dame«, so etwa. Geriert sich, als diktierte sie eine Häkelanleitung fürs Kaffeekränzchen. Danach ein furioser, stilsicherer Stückanfang. Nichts fordert den Vergleich zur legendären Aufführung mit der Weigel heraus. Alles ist anders, und das ist gut so. Karg, genau, choreographisch streng und doch sinnlich zeichenhaft, so kommt Peymanns Botschaft via Darsteller. Eislers Musik ist von Michael Groß bearbeitet. Die Verzerrungen, Verdröhnungen und Verdünnungen der eislerschern Schmiedearbeit verstehe ich als Erinnerung an das Scheitern des bisher geübten Sozialismus, als Warnung vor erneutem illusionärem Umgang mit der Idee des Kommunismus, als zart keimende Hoffnung, sie wieder durchzusetzen, weltweit; wenn es nur erst gelingt, die dringend notwendige Aktion gegen den Krieg, jeden Krieg zu verstärken. Szenenapplaus für Rosa L.'s Satz: »Ich frage Sie nun: Dürfen wir uns Krieg, den wir nicht gewollt haben, ungestraft gefallen lassen?« Vom überzeugenden Anfang gerät das Stück mehr und mehr zum Bilderbuchtheater. Die Bösen sind die Clowns, die Guten einfältig. Lediglich die Mutter, Carmen Maja Antoni, darf pfiffig, verschmitzt und kühn sein. Daß Lieder, chorische Sequenzen und manche Szene fast laienhaft wirken, mag so zu erklären sein: Die jungen Darsteller, frisch von den Schauspielschulen, beherrschen ihr Handwerk nicht. Ihnen fehlt Sprechtechnik – ein verbreitetes Übel, auf allen Bühnen anzutreffen, wo sich Nachwuchs präsentiert. Sie kennen ihre Aufgabe, wollen etwas sagen, aber es mangelt am Können. Wie hier agiert werden muß, zeigt Martin Seifert in der Figur des Lehrers. Er beherrscht Wort und Körpersprache, ist wach im Kopf, läßt die skurrile Type aus ihrer Engstirnigkeit erwachen und zum wichtigen Helfer der Bewegung werden. Ebenso Manfred Karge als Metzger. Der Jubel des Abends gilt Carmen Maja Antoni. Obwohl – da sage ich lieber wie Hans Mayer über Gerhart Hauptmann: Nu ja, ja, nu nee,nee. * Arthur Millers »Tod eines Handlungsreisenden« am Deutschen Theater Berlin, Regie: Dimiter Gotscheff. Sargschwarz die Szene (Anri Kuolev), saugende, flirrende Lichtschnitte. Schwarz-Weiß agiert ein Chor (Studenten der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«). Skandiert werden Slogans zum Thema Arbeit, Erfolg, Geld, noch mehr Geld. Die Choristen sprechen zuckend inszeniertes Chaos, schrille Verzweiflung, irre Ängste. Black out. Auftritt Willy Loman (Christian Grashof). Er ist leise, verloren, heiter, licht und traurig. Verstörende Gedanken, lachendes Gesicht, ein still verzweifelter Clown auf dem Drahtseil Leben. Ohne bezahlte Arbeit als Balancierstange. Loman hat sie verloren. Unaufhaltsam stürzt er ins Nichts. »Das Leben besteht aus Enttäuschungen«, sagt er. Das Haus, in Raten abzuzahlen, ist noch belastet. Die Söhne haben seine und ihre Träume nicht erfüllt. Familie gescheitert. Gemeinsam einsam schreien Vater und Söhne (bemerkenswert Robert Gallinowski und David Rott) ihre vergeblichen Sehnsüchte gegen die schwarzen Wände. Familie als Keimzelle der Gesellschaft – das chorische Geschehen zur These ist Echo, hebt die Aussage ins Allgemeingültige. (Die Studenten sind damit stimmtechnisch überfordert.) »Jungs, die Welt brennt«, sagt Loman zu den Söhnen. Einzig Linda, seine Frau, sieht hinter die Fassade ihres heiter-selbstgefälligen Willy. »Achtung« und »Würde« fordert sie von den Söhnen für die Lebensleistung des Vaters trotz der Härte, die sie aushalten mußten, trotz seiner Lebenslügen. »Er darf nicht wie ein Hund ins Grab fallen.« Linda ist die wahre Heldin des Stückes. Einfach, weise. Sie durchschaut, versteht, will zusammenhalten, was auseinanderfällt, kann den Sturz aber nicht stoppen. Margit Bendokat beschädigt die Figur durch rigorose Sprechweise, undifferenziert lärmend haut sie die Urmutter in Stücke. Das tut weh. »Ein Mensch kann doch nicht einfach aus der Welt und für nichts gut gewesen sein,« sagt Loman und geht in den Tod, damit seiner Frau die Versicherungsprämie zufällt. Die Aufführung überzeugt mit stilistischer Strenge, dem konsequenten Zusammenschnitt des Textes, seinen Geschichten. Es ist ein Abend der großen Monologe, spannungsgeladen, niederschmetternd hoffnungslos. Damals. Heute.
Erschienen in Ossietzky 2/2003 |
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